Verkürzte Winter bei südeuropäischen Ameisen?

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Verkürzte Winter bei südeuropäischen Ameisen?

Beitragvon Merkur » Mittwoch 12. Oktober 2016, 09:03

Gerne wird angenommen, oder sogar behauptet, dass man südeuropäische Ameisen mit verkürzter Überwinterung halten kann.
Doch ist zu bezweifeln, dass das für alle Arten gilt (und wenn es geht, so weiß niemand, ob es lange gut geht!). Und welche Arten so etwas
vertragen, ist unbekannt!
Hier stieß ich auf ein Beispiel aus Südspanien und Nordafrika:

Peeters, Ch. & Tinaut, A. (2014): Reconstructing life history in ants: ergatoid queens, facultative monogyny, and dependent colony foundation in Monomorium algiricum (Hymenoptera: Formicidae). - Myrmecological News 20:77-85.
PDF: https://www.researchgate.net/publicatio ... Formicidae

Auszug:
Thirty-five colonies of Monomorium algiricum (BERNARD, 1955) were excavated at different times of the year….
The life history of M. algiricum is complex due to interactions between extreme seasonality (no foraging and no egg-laying during six
months of the year)

…is distributed in southern Spain, although specimens have been collected on the other side of the Mediterranean (in and near Algiers, Algeria). Ergatoid queens were reported in both populations.
… excavated in 2007 - 2012 near Izbor and Lanjarón (Granada province), and Sierra Carbonera (Cádiz province), Spain.
Inhabited chambers occurred mostly at a depth of 30 cm, and never deeper than 55 cm. The mountainous habitat (600 m elevation) was
open shrubland with scattered small trees (including olives and almonds) and exposed rocky soil. There was a low density of colonies in all
localities, and this restricted the size of our samples. Temperatures average 2.2°C for the coldest month (January) and 30.6°C for
the hottest month (July); range is -6° to 40°C. …
Fieldwork was limited to the period of activity above ground (April - October)...
Importantly, Monomorium algiricum forage for only a few months of the year. Due to cold temperatures, above ground activity stopped completely between November and early April. Similarly in the middle of summer, no ants were seen outside the nests due to extreme heat and dry conditions....
Five days were spent in the study areas during July and beginning of August 2012, looking unsuccessfully for foragers. Moreover, nest entrances were blocked or obviously not used, which is evidence of a lack of nocturnal foraging.

Es ist also ziemlich leichtfertig, nur aufgrund der Herkunft einer Ameisenart aus südlichen (mediterranen) Ländern eine im Vergleich zu Mitteleuropäern längere Aktivitätsperiode anzunehmen. Nur sehr wenige Arten wurden in dieser Hinsicht wirklich untersucht.

MfG,
Merkur
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Re: Verkürzte Winter bei südeuropäischen Ameisen?

Beitragvon Trailandstreet » Mittwoch 12. Oktober 2016, 09:46

In diesem Zusammenhang kann ich natürlich auf keine wirklichen Langzeiterfahrungen zurückblicken, aber ich hab zB meine Messor barbarus (lt Händler, Herkunft Südspanien) eigentlich auch nicht unbedingt "kürzer" überwintert als meine einheimischen.
Die große Ausnahme ist natürlich die Temperatur, bei der ich sie überwintert habe. Während die einheimischen teilweise schon Minustempersturen erfahren hatten, waren die Messor noch grade so im zweistelligen Bereich.
Bei der Auswinterung habe ich sie dann aber schon unterstützt, da sie sonst gar keine Aktivität gezeigt hätten. Ich hab dies tagsüber durch leichte Beheizung bewerkstelligt.

Um tatsächlich ein Klimadiagramm aus dem Heimatort nachstellen zu könnnen, bräuchte es wohl eine etwas aufwändigere Technik und oft spielt auch nicht nur die Temperatur eine Rolle, sondern auch die Feuchtigkeit. In Südlichen Ländern gibt es oft entweder eine Regen- oder Trockenzeit. Dies ist vielleicht auch noch einer der Auslöser für Brutproduktion etc etc.

Summa summarum ist der Winter in Südeuropa auch nicht kürzer als bei uns, nur eben milder, der Schnee ist in der Regel Regen, Küstengebiete haben aber oft leichten Niederschlag, in Form von Nebel, den sie täglich empfangen.
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Re: Verkürzte Winter bei südeuropäischen Ameisen?

Beitragvon Reber » Mittwoch 12. Oktober 2016, 21:58

Was mir dabei noch einfällt: Messor-Arten können sich - bei geeigneter Temperatur - auch im Winter mit Nahrung versorgen, wenn sie vorher genügend Körner eingetragen haben.

Wäre also möglich, dass sie zumindest was den Energieverbrauch angeht, besser mit einer Überwinterung bei wärmeren Temperaturen zu recht kommen?

Auch hier werden entsprechende Untersuchungen fehlen...
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Re: Verkürzte Winter bei südeuropäischen Ameisen?

Beitragvon Trailandstreet » Donnerstag 13. Oktober 2016, 10:34

Die Messor tragen ja die Samen ein, eben für diesen Fall, damit sie mit diesen über den Winter kommen.
Ich würde aber in diesem Zusammenhang eher vermuten, dass sie sich mit ihren Hauptsammelbetrieb eher auf die Zeiten legen, in denen auch reife Samen vorhanden sind.
Hier würde auch das Frühjahr und vielleicht noch in den Somer hinein wegfallen, da hier noch gar keine reifen Samen vorhanden sind, ausser vielleicht noch alte vom Vorjahr.
Somit haben sie eigentlich schon einen beachtlichen Zeitraum zu überbrücken, in dem sie "ohne Nahrung" auskommen müssen.
Dass sie in dieser Zeit noch tierische Nahrung einbringen können, lass ich mal vor, da diese ja eher der Fütterung der Larven dient.
In dieser Zeit müssen die Arbeiter aber von den eingetragenen Samen leben und nebenbei, die Larven auch noch mit den bereits eingetragenen versorgen.

Aus rein ökomischer Sicht wäre es schon sinnvoll, nicht unnötig Resourcen zu verschwenden, wenn keine Aussicht auf einen rentablen Eintrag besteht.
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