Kärnten: Jetzt 93 Freilandarten. Neu: Anergates atratulus

Hier können allgemeine Fragen zum Thema Ameisen, sowie zu europäischen Ameisenarten gestellt werden.

Kärnten: Jetzt 93 Freilandarten. Neu: Anergates atratulus

Beitragvon Boro » Dienstag 27. Oktober 2015, 21:32

Das kleine Bundesland Kärnten in Österreich hat ca. 9500 km², das bedeutet, es hat nicht einmal die halbe Fläche etwa von Hessen oder Sachsen-Anhalt, ist aber größer als der größte Kanton der Schweiz (Graubünden). Das Standardwerk betr. die Ameisen in Kärnten [H. C. Wagner (2014): Die Ameisen Kärntens] beschreibt 93 Arten im Bundesland, davon 91 Freilandarten. Nun sind es immerhin 93 Freilandarten: 2014 wurde dann Proceratium melinum entdeckt (viewtopic.php?f=11&t=755&p=8344&hilit=Proceratium#p8344), eine Publikation zu diesem Thema folgt demnächst in der Carinthia II, dem Periodikum des Naturwiss. Vereins für Kärnten (Autor ist der Verfasser dieses Artikels). In diesem Sommer war wieder der Sammler der eben genannten Art erfolgreich: Endlich wurde Anergates atratulus (nach Ward et al. Tetramorium atratulum) gefunden (unpubl., vermutlich werde ich wieder die Veröffentlichung übernehmen).[Ward et al. (2015): The evolution of myrmicine ants: phylogeny and biogreography of hyperdiverse ant clade (Hymenoptera: Formicidae)]
93 Freilandarten für ein so kleines Territorium dürfte kein schlechtes Ergebnis sein.
Sohn Roman hat die Art gleich erkannt und determiniert, wir hatten sie beide vorher noch nicht gesehen. Eine arbeiterinnenlose Parasitenart mit ungeflügelten Männchen. Die Morphologie ist für mich höchst eigenartig: Die Körperoberfläche ist leicht "sklerotisiert" (KUTTER), eigenartig gezeichnet, matt und ohne jegliche Längsrille od. Runzel wie wir es von Tetramorium gewöhnt sind. Unter dem Bino war kaum eine Behaarung od. Pubeszenz festzustellen (mit Ausnahme der Beine, Antennen u. einiger Haare auf den Mandibeln). Ich kann mich jetzt nicht erinnern, je eine einheim. Ameise praktisch ohne Pubeszenz bzw. Körperbehaarung gesehen zu haben. Auffallend sind ferner die Gaster, mittig längs eingefurcht oder der teilw. dreiecksförmig "zurückversetzte" Clypeus. Ob sich hier funktionsmorphologische Schlüsse ziehen lassen, weiß ich nicht. Auch der Postpetiolus ist optisch gänzlich an das erste Gastertergit "angeflanscht". Ein sehr eigenariges Insekt, aber geradezu skurril sehen die flügellosen Männchen aus, das sind Wesen von einem "anderen Stern"!
Unsere Fotos sind leider diesmal nicht optimal, aber hier gibt es bessere: http://www.ameisenwiki.de/index.php/Anergates_atratulus
viewtopic.php?f=16&t=706&p=4723&hilit=Anergates#p4723
L.G.
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IMG_8137.JPG
Das Tier ist 2,5 mm lang u. somit eine der kleinsten Gynen in der heim. Ameisenfauna
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Boro
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Re: Kärnten: Jetzt 93 Freilandarten

Beitragvon Boro » Mittwoch 17. August 2016, 09:14

Wieder wurde eine alate Gyne v. Anergates atratulus gefunden, inzwischen hat sie die Flügel abgebrochen. Sohn Roman hat versucht, das lebende Insekt zu fotografieren. Sehr schwierig, einerseits ist die Tier nur 2,5 mm lang und andererseits erwies es sich als recht lebendig und hat nicht eine Sekunde still gehalten. Auch mit einem Tröpfchen Wasser oder Honig konnte sie nicht zum Verweilen veranlasst werden. Ihr Instinkt treibt sie vorwärts, sie muss unbedingt ein Wirtsnest von Tetramorium sp. finden, ob es wirklich nur ein weisellsoses Nest sein kann, erscheint mir nicht klar: Wie hoch kann der Anteil weiselloser Tetramorium-Nester überhaupt sein? Ein Nest von 100 vielleicht? Das ist sicher noch nicht untersucht worden, aber wenn tatsächlich ein weiselloses Nest Bedingung für eine erfolgreiche Nestgründung sein sollte, würde sich die Erfolgsquote extrem verringern, ich vermute auf fast 0. Kaum vorstellbar!
L.G.
P.S.: Voriges Jahr wurde die alate Gyne Mitte September gefunden (lt. SEIFERT, S. 252: Schwarmzeit M7 - A8), heuer Mitte August!!
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dorsolateral
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dorsal
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Die eigenartige Kofpform!
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Hier ist die mittige Längsfurche auf der Gaster recht gut zu sehen. Diese dürfte dem plumpen u. wenig beweglichen Männchen das Aufreiten während der Kopulation erleichtern
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