Verteidigungsstrategien von Messor-Arten?

Hier können allgemeine Fragen zum Thema Ameisen, sowie zu europäischen Ameisenarten gestellt werden.

Verteidigungsstrategien von Messor-Arten?

Beitragvon Reber » Freitag 8. Dezember 2017, 16:31

Eine Bemerkung von Boro in einer PN hat mich auf das Thema gebracht. Ich denke mir, es ist vielleicht für andere auch interessant und starte hier deshalb ein neues Thema.

Messor spp. haben in der Regel einen reduzierten Stachelappat und sind damit nicht mehr in der Lage zu stechen. Von mindestens einer Art aus dem Mittelmeerraum wird berichtet, dass diese sich mit einem übel riechenden Sekret (Kot?) verteidigen kann.
Ausserdem haben die Majore von Messor unbestritten eine grosse Beisskraft. Sie wirken aber im Kampf eher etwas unbeholfen und scheinen als Einzelkämpfer zu agieren.

Das führt mich zu folgenden Fragen:

Wie vertedigten sich die verschiedenen Messor-Arten gegen Ameisen anderer Gattung und gegen weitere Feinde?

Gibt es Messor-Arten die noch stechen können?

Und welche Messor-Arten setzen zur Verteidigung Sekrete ein?
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Re: Verteidigungsstrategien von Messor-Arten?

Beitragvon Merkur » Freitag 8. Dezember 2017, 17:36

Im Kapitel „Defensive Behavior & Mechanisms in Ants“ haben Buschinger & Maschwitz („Defensive Mechanisms in Social Insects“, 1984, H. R. Hermann ed.) eine Übersicht veröffentlicht. Darin haben wir viele weitere Arbeiten zitiert, die ich nachlesen müsste. Mir ist nur in Erinnerung, dass eine (oder mehrere?) Messor-Art(en) ein nach Fäkalien riechendes Sekret zur Verteidigung nutzen. Mehr evtl. später. - Es ist nicht sicher, dass alle, oder auch nur viele, Messor-Arten daraufhin untersucht sind! ;)

MfG,
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Re: Verteidigungsstrategien von Messor-Arten?

Beitragvon Merkur » Sonntag 10. Dezember 2017, 11:37

In einem Kongressbericht aus 1975 wird (erstmals?) als „Maschwitz unpubliziert“ erwähnt, dass „Messor“ den Stachelapparat reduziert haben und Gegner mit stinkendem Kot beschmieren. Es dürfte sich um Messor cf. structor gehandelt haben, die im Mittelrheingebiet vorkommende Form.
Maschwitz U. 1975. Old and new chemical weapons in ants. In: Pheromones and Defensive Secretions in Social Insects (C. Noirot, P.E. Howse and G. Le Masne, eds), French Section IUSSI, Dijon. Pp 41–45.

MfG,
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Re: Verteidigungsstrategien von Messor-Arten?

Beitragvon Reber » Sonntag 10. Dezember 2017, 16:10

Danke Merkur!

Was sich mir nicht erschliesst, ist wo die Messor-Arten in der Dominanzhierarchie zu Ameisen anderer Art und Gattung stehen, da ich Messor nicht aus ihrem natürlichen Lebensraum kenne und noch nie "live" bei Auseinandersetzungen beobachtet habe.

Beschreibungen und Beobachtungen aus Videos lassen nicht gerade den Schluss zu, dass wir es hier mit grossen Kriegerinnen zu tun haben.

Nun ist Messor aber eine durchaus erfolgreiche Gattung, weit verbreitet, viele Arten bilden riesige Kolonien mit dicht belaufenen Strassen aus. Und ihre Habitate bestehen ja nicht aus speziellen "Nischen", überschneiden sich also mit den Habitaten von kampfstarken Arten durchaus.

Im Verhältnis zu gezielt und gemeinschaftlich agierenden, zusätzlich mit Stachel oder Säure bewaffneten Arten, ist es für mich schwer vorstellbar, wie Messor sich da durchsetzen kann. Auch wenn die Bisse von Messor-Majoren sicher eine verheerende Wirkung auf den Gegner haben dürften, verglichen mit der Treffsicherheit einer unserer heimischen, grossen Camponotus Arten, könnte man meinen, die Messor-"Soldaten" schnappen blind zu.

Könnte es sein, dass sie von anderen Arten nicht als "Todfeind" angeschaut werden, weil sie nicht um das selben Futter konkurriert wie diese?

Oder unterschätze ich die Kampfkraft der Tierchen einfach und ihre gossen Kolonien sind durchaus in der Lage sich wirkungsvoll zu verteidigen bzw. durchzusetzen, eben u.a. auch mit der Hilfe von Ausscheidungen oder einer bestimmten Taktik, welche sich mir noch nicht erschliesst?
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Re: Verteidigungsstrategien von Messor-Arten?

Beitragvon Boro » Montag 11. Dezember 2017, 18:53

Die Messor-Arten in der "näheren Umgebung", also in Friaul und Istrien habe ich mit Sohn Roman schon öfter beobachten können (Messor structor, M. capitatus, M. wasmanni), außerdem haben wir die Arten auch schon durch einige Jahre in Terrarien gehalten, derzeit ist noch M. structor übrig. Bei verschiedenen Anlässen hat sich die Frage nach den Verteidigungsmöglichkeiten oder generell nach der Kampfkraft dieser Arten gestellt. Mir ist bekannt, dass sie nicht mehr stechen können, da sie zu jenen Knotenameisen gehören, deren Stechapparat verkümmert ist. Wenn man sich die Morphologie der Arbeiterinnen anschaut, so erscheint vor allem bei M. capitatus das Missverhältnis von Kopfgröße (Gewicht) zu Mesosoma und Gaster bei den Majoren sehr deutlich. Bei M. wasmanni ist es etwas weniger auffallend, bei M. structor würde ich nicht mehr von einem "Missverhältnis" der genannten Körperteile zueinander sprechen.
1. Die Majore dieser Arten sehen mit ihren gewaltigen Mandibeln "furchterregend" aus, als "Krieger" sind sie kaum zu gebrauchen: Etwas schwerfällige Bewegungen, die notwendigen Reflexe auf akute Bedrohungsszenarien sind offensichtlich unterentwickelt, auf mich wirken diese Majore "tollpatschig". Das gilt etwas weniger für M. structor.
2. Hinzu kommt, dass diese Arten nicht kooperativ kämpfen, sie sind im wesentlichen Einzelkämpfer und haben somit gegen kleine, flinke und in Teamarbeit vorgehende Feinde keine Chance. Vor etlichen Jahren habe ich eine starke Messor structor-Kolonie über Nacht an Lasius emarginatus verloren. Lasius Arbeiterinnen hatten einen kleinen Zugang zum Terrarium entdeckt, diesen vergrößert, die eigenen Truppen rekrutiert und am Morgen waren alle Messor tot, die Brut war geraubt. Ich fand eine einzige tote Lasius -Arbeiterin, sie wurde wohl zufällig von den Mandibeln eines Majors ergriffen.
3. So wie beschrieben, scheinen sie bestenfalls in der Lage, ein Sekret aus der Analdrüse auf Gegner schmieren zu können. Durch die Anpassung an die Granivorie dürften nicht nur Fähigkeiten zur Nutzung anderer Nahrungsquellen verlorgen gegangen zu sein, sie betreiben z. B. keine Trophobiose und sind sicher nicht zur Jagd auf (schnellere) Beutetiere geeignet; Aas dürfte aber eine willkommene Abwechslung sein, wie man immer bei der Fütterung der Terrarientiere sehen kann. Auch die Trophallaxis, die Fähigkeit zum sozialen Futteraustausch scheint verloren gegangen zu sein.
Andererseits haben sich größere Tiere mit riesigen Köpfen und entsprechend ausgebildeten Kauinstrumenten herausgebildet. Sie sind in der Lage harte Samen zu zerteilen und in gemeinsamer Arbeit über das Ameisenbrot die notwenidigen Kohlehydrate zu gewinnen. Jede besondere Spezialisierung kann mit der Verlust anderer Fähigkeiten einhergehen.
4. Zur Frage des erfolgreichen Überlebens dieser Arten, soll der übliche Lebensraum zuerst genannt werden, steppenartige, felsdurchsetzte und heiße Habitate, die von vielen anderen Arten eher gemieden werden. Dazu kommt die spezielle Ernährung, wodurch sie für keine andere Ameisenart als Nahrungskonkurrent auftreten. Die optimale Auswertung der Nahrung als Granivoren gestattet trotzdem die Ausbildung sehr volksstarker Kolonien, die bei etwaigen Kämpfen verursachte Verluste wettmachen können.
L.G.
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In lateraler Ansicht wird das Ungleichgewicht der einzelnen Körperteile bei einem Major von Messor capitatus gut sichtbar. Foto: Roman Borovsky
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