Sozialparasit bei Lasius flavus?

Bestimmungsanfragen

Sozialparasit bei Lasius flavus?

Beitragvon nortorn » Dienstag 29. September 2015, 16:41

Hallöchen,

ich habe kürzlich in einem Untersteinnest folgendes geknipst:

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Neben den "normalen" Lasius cf. flavus Arbeiterinnen befanden sich auch ein paar deutlich größere Tiere im Nest.
Die Ameisen sehen aus wie zu groß geratene Arbeiterinnen, farblich sind sie etwas dunkler gefärbt.

Heute habe ich noch einmal nachgeschaut und 1 flavus Arbeiterin sowie eine der größeren Arbeiterinnen mitgenommen.

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Meine Frage:
Handelt es sich hier um einen Sozialparasiten von Lasius cf. flavus, und wenn ja, welcher käme in Frage.

Ich bin leider nicht sonderlich fit mit sozialparasitären Arten oder Lasius cf. flavus.
Handelt es sich am Ende doch nur um normale Arbeiterinnen?

Es wäre toll wenn ich eure Meinung dazu hören könnte.
Wenn ein Experte unter euch Interesse daran haben sollte die Art zur genauen Bestimmung unters Mikroskop zu nehmen, ich wäre bereit ein paar Exemplare einzusammeln und zu versenden.

Gruß
  • 2

Zuletzt geändert von nortorn am Dienstag 29. September 2015, 20:07, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Sozialparasit bei Lasius flavus?

Beitragvon Reber » Dienstag 29. September 2015, 19:25

Vielen Dank für die tollen Fotos!

Wenn ein Experte unter euch Interesse daran haben sollte die Art zur genauen Bestimmung unters Mikroskop zu nehmen, ich wäre bereit ein paar Exemplare einzusammeln und zu versenden.


Das wird wohl das Beste sein. Sind denn Lasius flavus sicher bestimmt? Ansonsten würde ich dich im Bericht bitten, Lasius cf. flavus zu gebrauchen. Es gibt nämlich sehr viele schwer zu unterscheidene gelbe Lasius-Arten und es ist sogar möglich, dass es sich bei den Ameisen auf den Bildern um Angehörige der gleichen Art handelt. Dass sich die Arbeiterinnen der selben Kolonie in Grösse und Färbung unterscheiden, wäre z.B. für Lasius flavus nichts ungewöhnliches.
  • 3

„Doch vor allen Dingen:
Das worum du dich bemühst,
möge dir gelingen.“
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Re: Sozialparasit bei Lasius flavus?

Beitragvon Merkur » Dienstag 29. September 2015, 19:41

Hallo nortorn,

Leider kann ich fast gar nichts zu dem Fund sagen!
Wie sicher ist es, dass es sich um Lasius flavus handelt? – Gelb (lat. = flavus) ist sie, aber das sind bei uns ca. ein Dutzend andere Lasius-Arten auch!
Zur Beurteilung der Frage, ob es sich um eine parasitische Art handeln könnte, muss man ein genaues Bild der Mandibeln haben. Ich kann nur auf den Bestimmungsschlüssel im Seifert (2007), S. 161, verweisen: Ist der Kaurand (mit den Zähnchen) in Frontansicht +/- gerade und oben winklig abgesetzt, oder ist er geschwungen, so dass die Zähnchenreihe oben Richtung Mandibelbasis abbiegt (dann wäre es eine parasitische Art)?

Im alten Stitz (1939) gibt es Gesamtlängenangaben. Lasius flavus Arbeiterin: 2- 4,5 mm.
Die Differenz entspricht ungefähr dem Größenunterschied in Deiner Abb. 2.
So ist die Hypothese nicht von der Hand zu weisen, dass es sich um normalen Polymorphismus bei L. flavus handelt.

Schön wäre es, auch noch zu erfahren, in welcher Region die Tiere gefunden wurden (z. B. nächste Stadt), ob in Garten, Wiese, am Waldrand etc., schattige Lage oder gut besonnt, usw.- das alles kann bei einer Bestimmung hilfreich sein.

Wenn's wirklich wichtig ist, solltest Du die Tiere an Dr. B. Seifert, Görlitz schicken. - Ich selbst bin mir bei den meisten der gelben Lasius-Arten nicht sicher!

MfG,
Merkur
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Re: Sozialparasit bei Lasius flavus?

Beitragvon nortorn » Dienstag 29. September 2015, 20:32

Reber hat geschrieben:Das wird wohl das Beste sein. Sind denn Lasius flavus sicher bestimmt? Ansonsten würde ich dich im Bericht bitten, Lasius cf. flavus zu gebrauchen. Es gibt nämlich sehr viele schwer zu unterscheidene gelbe Lasius-Arten und es ist sogar möglich, dass es sich bei den Ameisen auf den Bildern um Angehörige der gleichen Art handelt. Dass sich die Arbeiterinnen der selben Kolonie in Grösse und Färbung unterscheiden, wäre z.B. für Lasius flavus nichts ungewöhnliches.


Nein, absolut sicher kann ich sie nicht zuordnen.
Ich habe meinen Beitrag entsprechend angepasst ;)


Merkur hat geschrieben:Zur Beurteilung der Frage, ob es sich um eine parasitische Art handeln könnte, muss man ein genaues Bild der Mandibeln haben. Ich kann nur auf den Bestimmungsschlüssel im Seifert (2007), S. 161, verweisen: Ist der Kaurand (mit den Zähnchen) in Frontansicht +/- gerade und oben winklig abgesetzt, oder ist er geschwungen, so dass die Zähnchenreihe oben Richtung Mandibelbasis abbiegt (dann wäre es eine parasitische Art)?


Super, ich werde mal schauen inwieweit ich da voran komme.

Merkur hat geschrieben:Im alten Stitz (1939) gibt es Gesamtlängenangaben. Lasius flavus Arbeiterin: 2- 4,5 mm.
Die Differenz entspricht ungefähr dem Größenunterschied in Deiner Abb. 2.
So ist die Hypothese nicht von der Hand zu weisen, dass es sich um normalen Polymorphismus bei L. flavus handelt.


Der Gedanke kam mir zwar, aber bei geschätzt 20 anderen Nestern in der näheren Umgebung konnte ich nur kleine, etwa 2 mm kleine Arbeiterinnen entdecken.
Mir war bekannt, dass es Kolonien mit einem gewissen Größenunterschied bei den Arbeiterinnen gibt, so deutlich aufgefallen ist es mir aber nie.

Merkur hat geschrieben:Schön wäre es, auch noch zu erfahren, in welcher Region die Tiere gefunden wurden (z. B. nächste Stadt), ob in Garten, Wiese, am Waldrand etc., schattige Lage oder gut besonnt, usw.- das alles kann bei einer Bestimmung hilfreich sein.


Der Fundort ist der Landschaftspark mitten in Duisburg.
Das Nest liegt 2 Meter von einem alten Gleis entfernt zwischen 2 großen Sträuchern des Schmetterlingsflieders.
Zwischen den Steinen, die aus dem Gleisbett stammen, hat sich einiger Sand und Erde gesammelt.
Obenauf liegt ein etwa fussballgroßer Stein.
Unter diesem befindet sich das Nest.
Etwa ab der Mittagszeit ist der Platz den Rest des Tages besonnt.

Merkur hat geschrieben:Wenn's wirklich wichtig ist, solltest Du die Tiere an Dr. B. Seifert, Görlitz schicken. - Ich selbst bin mir bei den meisten der gelben Lasius-Arten nicht sicher!


Danke, das werde ich in Erwägung ziehen.
Es ist zwar nicht von besonderer Wichtigkeit, meine Neugier würde ich aber trotzdem gerne befriedigen.

Gruß
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Re: Sozialparasit bei Lasius flavus?

Beitragvon Boro » Mittwoch 30. September 2015, 09:15

Nachdem ich mich seit 3 Jahren mit der Ameisenfauna eines hiesigen Untersuchungsgebietes zwecks Publikation beschäftige, habe ich unzählige Lasius flavus-Nester untersucht und Proben zur Bestimmung mitgenommen. Dabei konnte ich diese Art nicht nur morphologisch und farblich als "variabel" kennen lernen, sondern als ausgesprochen eurytope Art, die also ganz verschiedene Habitate nutzen kann. Morphologisch gesehen gibt es Nester mit durchwegs kleinen Tieren (siehe Merkurs Zitat von Stitz), Nester mit gemischten Größen und solche, wo alle Individuen an die 3 mm lang waren. Die Färbung ganzer Nestpopulationen (also nicht der Jungtiere) reichte von hellgelb, über "mittelgelb" bis fast "eidotterfarben."
Ich habe sehr variable Nestformen gefunden, in Heißländen (auf vegetationsarmen Schotterbänken) in Untersteinnestern ohne jeden Erdaushub, sehr zahlreich in einem trockenen Schneeheide-Rotföhrenwald als Untersteinnester, aber auch in Erikahorsten, liegendem Moderholz und als ausgesprochene Pultnester in feuchteren Waldbereichen. Jedes Mal hatte ich gehofft, endlich eine der möglichen Chthonolasius-Arten entdeckt zu haben, jedes Mal wurde ich enttäuscht: Lasius flavus. Von den gelben Lasius-Arten, ist L. flavus noch relativ leicht zu bestimmen: Neben dem v. Merkur angesprochenen Kaurand der Mandibeln, sind vor allem die Form der Schuppe, Behaarungsmerkmale und die Augengröße wichtig.
KUTTER schreibt auf S. 210 seines Werkes zu L. flavus: "Färbung variabel, von hellgelb bis honiggelb. Polymorphismus ausgeprägt. 1,7-3,9 mm lg."
Sollten die gezeigten Bilder also L. flavus-Individuen zeigen, wäre hier die Erklärung f. unterschiedliche Größe u. Färbung!
L.G.
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Re: Sozialparasit bei Lasius flavus?

Beitragvon nortorn » Mittwoch 30. September 2015, 10:06

Boro hat geschrieben:Nachdem ich mich seit 3 Jahren mit der Ameisenfauna eines hiesigen Untersuchungsgebietes zwecks Publikation beschäftige, habe ich unzählige Lasius flavus-Nester untersucht und Proben zur Bestimmung mitgenommen. Dabei konnte ich diese Art nicht nur morphologisch und farblich als "variabel" kennen lernen, sondern als ausgesprochen eurytope Art, die also ganz verschiedene Habitate nutzen kann. Morphologisch gesehen gibt es Nester mit durchwegs kleinen Tieren (siehe Merkurs Zitat von Stitz), Nester mit gemischten Größen und solche, wo alle Individuen an die 3 mm lang waren. Die Färbung ganzer Nestpopulationen (also nicht der Jungtiere) reichte von hellgelb, über "mittelgelb" bis fast "eidotterfarben."
Ich habe sehr variable Nestformen gefunden, in Heißländen (auf vegetationsarmen Schotterbänken) in Untersteinnestern ohne jeden Erdaushub, sehr zahlreich in einem trockenen Schneeheide-Rotföhrenwald als Untersteinnester, aber auch in Erikahorsten, liegendem Moderholz und als ausgesprochene Pultnester in feuchteren Waldbereichen. Jedes Mal hatte ich gehofft, endlich eine der möglichen Chthonolasius-Arten entdeckt zu haben, jedes Mal wurde ich enttäuscht: Lasius flavus. Von den gelben Lasius-Arten, ist L. flavus noch relativ leicht zu bestimmen: Neben dem v. Merkur angesprochenen Kaurand der Mandibeln, sind vor allem die Form der Schuppe, Behaarungsmerkmale und die Augengröße wichtig.
KUTTER schreibt auf S. 210 seines Werkes zu L. flavus: "Färbung variabel, von hellgelb bis honiggelb. Polymorphismus ausgeprägt. 1,7-3,9 mm lg."
Sollten die gezeigten Bilder also L. flavus-Individuen zeigen, wäre hier die Erklärung f. unterschiedliche Größe u. Färbung!
L.G.

Danke für diese hilfreichen Tipps.
Ich werde mich heute Abend mal mit dem Seifert bewaffnen und eine Bestimmung versuchen.
Hab ich noch nie selbst gemacht aber irgendwann muss man ja mal damit anfangen.


Vielen Dank für eure Tipps, ich werde diese beherzigen und euch wissen lassen zu welchem Ergebnis ich gekommen bin und anhand welcher Merkmale ;)
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Re: Sozialparasit bei Lasius flavus?

Beitragvon nortorn » Samstag 31. Oktober 2015, 07:03

nortorn hat geschrieben:
Danke für diese hilfreichen Tipps.
Ich werde mich heute Abend mal mit dem Seifert bewaffnen und eine Bestimmung versuchen.



So schnell ist aus dem nächsten Abend ein ganzer Monat geworden. Leider bin ich beruflich sehr eingespannt momentan.

..ich werde [...] euch wissen lassen zu welchem Ergebnis ich gekommen bin und anhand welcher Merkmale ;)


Die Zähnchenreihe biegt nicht so wie von Merkur beschrieben Richtung Mandibelbasis ab. Eine sozialparasitäre Art schließe ich deshalb aus.
Alle weiteren Merkmale lassen für mich nur einen Schluss zu: Lasius flavus
Wichtig ist, dass ich mich hier das erste mal an eine Bestimmung gewagt habe. Es gibt also eine realistische Chance dass ich trotzdem falsch liege.
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