Doppelstrategie von Cataglyphis bombycina gegen den Hitzetod

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Doppelstrategie von Cataglyphis bombycina gegen den Hitzetod

Beitragvon DermitderMeise » Mittwoch 24. Juni 2015, 11:34

Die Lösung heißt: Haare (und hitzestabile Eiweiße wie man aus früherer Forschung weiß)! Jetzt bräuchtest du den Artikel nicht mehr lesen - das empfehle ich aber trotzdem sehr, denn Ameisenhaare können ziemlich ausgefuchste Biester sein:

Doppelstrategie der Silberameise gegen den Hitzetod

Als eine der wenigen Tierarten können Silberameisen in der Sahara bei Bodentemperaturen bis zu 70 Grad überleben. Ein Forscherteam der Universität Zürich und der Columbia University hat ihr Geheimnis nun gelüftet: Die Silberameisen besitzen ein spezielles Haarkleid, das eine doppelte thermoregulatorische Funktion erfüllt. Je nach Wellenlänge können die Haare Strahlung reflektieren oder transmittieren. Ihre Erkenntnisse wollen die Forschenden künftig für die Entwicklung von Wärmeschutzfolien anwenden
[...]

weiterlesen!

Und wer hätte - mal wieder - gedacht, dass ein Grundlagenforschungthema ohne direkt ersichtlichen Nutzen eine direkte Anwendung in der Isolationsindustrie findet? Wissenschaft ist super. :)

die Veröffentlichung dazu:
Keeping cool: Enhanced optical reflection and heat dissipation in silver ants; Shi N, Tsai CC, Camino F, Bernard GD, Yu N, Wehner R.; Science Express. June 18 2015. doi: 10.1126/science.aab3564,
http://www.sciencemag.org/content/early/2015/06/22/science.aab3564
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Re: Doppelstrategie von Cataglyphis bombycina gegen den Hitz

Beitragvon Merkur » Mittwoch 24. Juni 2015, 20:14

Trotz ihrer Anpassungen an das Leben in der Wüste haben Arbeiterinnen von Cataglyphis bicolor nach dem Übergang zum Außendienst nur noch eine durchschnittliche Lebenserwartung von gerade mal 6.1 Tagen:
Life duration and turnover of foragers in the ant Cataglyphis bicolor (Hymenoptera, Formicidae). P Schmid-Hempel, R Schmid-Hempel - Insectes sociaux, 1984. http://link.springer.com/article/10.1007/BF02223652 (mit dt. Zusammenfassung)

Für C. bombycina kenne ich keine entsprechenden Daten, aber es ist anzunehmen, dass auch andere Cataglyphis-Arbeiterinnen nur entsprechend kurze Zeit mit Furagieren verbringen können. – Es reicht für Fortbestand und Wachstum der Kolonie, wenn im Durchschnitt jede furagierende Arbeiterin in den wenigen Tagen so viel Beute ins Nest bringt, dass damit mehr als eine neue Ameise produziert werden kann! :)

MfG,
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Re: Doppelstrategie von C. bombycina gegen den Hitzetod

Beitragvon Merkur » Donnerstag 23. Juni 2016, 17:11

Es ist heiß, die Foren sind im Sommerschlaf (?),und da kann man mal lange aufgeschobene Themen wieder ans Licht holen. Zur Temperatur passen Wüstenameisen. :D

Eine Diskussion zu diesem Thema über Cataglyphis bombycina lief auch in einem anderen Forum, wo es allerdings primär um das Vorkommen einer spezialisierten Soldatenkaste ging. Sie haben auffallende Säbelkiefer. http://ichef.bbci.co.uk/wwfeatures/960_ ... 287xm2.jpg

Hier im AP habe ich zunächst nur darauf hingewiesen, dass trotz der besonderen Anpassungen der Wüstenameisen die Lebensdauer der furagierenden Arbeiterinnen sehr begrenzt erscheint: Im Durchschnitt 6.1 Tage.
Aus der Originalarbeit von Schmid-Hempel & Schmid-Hempel (1984) geht allerdings hervor, dass einzelne Tiere bis zu 19 Tage „durchhielten“.
Weiterhin wird diskutiert, dass die Verluste unter den Außendienst-Arbeiterinnen durch verschiedene Faktoren bedingt sind, insbesondere durch Räuber, die sich von diesen Ameisen ernähren: Raubfliegen, Spinnen, Ameisenlöwen, Larven von Sandlaufkäfern. Hinzu kommen Verluste durch konkurrierende Ameisen. Nur ein Teil der Verluste ist auf den Hitzetod zurückzuführen, oder darauf, dass die Ameisen den Weg zum Nest nicht mehr finden.

Die kurze Lebensdauer der furagierenden Tiere ist also nicht einer physiologischen Kurzlebigkeit zu verdanken, sondern hauptsächlich durch Außenfaktoren bedingt. In der Haltung wird wahrscheinlich eine längere Lebensdauer zu verzeichnen sein, da die meisten der genannten Risikofaktoren wegfallen. Eine Vergleichbarkeit mit dem „worker turnover“ im Freiland ist dann nicht gegeben.

Eine interessante Arbeit zum Polymorphismus von C. bombycina findet sich hier online:
Molet M, Maicher V, Peeters C (2014) Bigger Helpers in the Ant Cataglyphis bombycina: Increased Worker Polymorphism or Novel Soldier Caste? PLoS ONE 9(1): e84929. doi:10.1371/journal.pone.0084929
http://journals.plos.org/plosone/articl ... ne.0084929
Besonders eindrucksvoll ist die Abb. 1 mit Königin, Arbeiterinnen und einer Soldatin: Sie wirkt fast wie ein Hirschkäfer!

Cat.bombycina-Bild.jpg
Aus Molet et al. (2014). Bild verkleinert, etwas beschnitten und aufgehellt.
Aus der Diskussion:
A Specialization for Defence and Food Storage
Soldiers have saber-shaped mandibles (together with a broad head with powerful muscles) that are similar to those of soldiers in army ants (e.g. Eciton; [25]); these are thought to be adapted for defense against vertebrate predators, not arthropods. Accordingly, C. bombycina soldiers may be specialized for defense against reptiles. C. bombycina is the dominant ant species in the harsh sand dune habitats of North Africa. Their colonies are exceptionally populous for this genus, and the large quantities of brood developing in the deep underground chambers are likely to represent a valuable resource for reptiles. Lizards in the genus Acanthodactylus are known to be the main predators of C. bombycina [26], and it is possible that they dig ant nests to find brood. This hypothesis is corroborated by the finding of numerous soldiers in deep brood chambers (S. Aron pers. com.). In this species, soldiers are only useful inside the nest because there is no compact resource to defend outside: food items are scattered insect corpses collected up to 100 m away from the nest. Colonies of other Cataglyphis species are much smaller and lack a soldier caste [15], [27]. Cagniant [27] suggested that soldiers are produced only in older (i.e. bigger) colonies of C. bombycina. Unlike Délye [17], we found that soldiers have longer palps than the larger workers, and this could allow them to carry bigger sand pellets [28].

MfG,
Merkur
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