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Ameisendiversität

BeitragVerfasst: Sonntag 13. November 2016, 14:30
von Boro
Wer Interesse an der Zusammensetzung der Ameisenfauna in einem lokalen/regionalen Bereich (Kärnten/Österreich) hat, könnte vielleicht diese Arbeit interessieren:

Re: Ameisendiversität

BeitragVerfasst: Sonntag 13. November 2016, 19:42
von Reber
Hallo Boro,
herzlichen Dank für diese Arbeit und das Zugänglichmachen! Das ist hochinteressant, ich kenne in meiner Nähe einige ähnlich aufgebaute Habitate. Etwa bei Lasius-Arten werde ich künftig genauer hinschauen bzw. nachfragen müssen, denn bisher habe ich die kleinen Schwarzen z.B. immer unter Lasius cf. niger abgehackt...

Besonderen Dank auch für das Erwähnen der Beobachtung, dass Manica rubida Samen eintragen! Ich werde bei meiner Kolonie in mächsten Frühjahr einen kleinen Versuch starten!

Zu den Fallen bei den arborikoler Arten habe ich noch eine Frage: Ich habe auch die Einschätzung, dass Arten wie Dolichoderus quadripunctatus und Camponotus truncatus viel häufiger sind, als man in wissenschaftlichen Untersuchungen nachweisen kann. Der Eindruck kann aber auch täuschen, etwa weil sie als Kulturfolger in Städten tatsächlich häufiger vorkommen? Aber grade bei Camponotus truncatus bleiben die Kolonien klein und es furagieren kaum Arbeiterinnen, auch wenn viele Tiere im Nest sitzen. Und Arbeiterinnen der beiden genannten Arten sind extrem gute Kletterer. Ihre Haftung und ihre schnelligkeit hat mich immer wieder erstaunt. Deshalb frage ich mich: Ist es nicht einfach möglich, dass diese Arten nicht so schnell in die Fallen tappen wie andere Ameisen, weil sie einen zu guten Halt haben?

Re: Ameisendiversität

BeitragVerfasst: Montag 14. November 2016, 09:08
von Boro
Hallo Reber!
Danke für dein Interesse!
1. Zu einem gewissen Teil ernähren sich einige Arten von Samen, entweder von den Elaiosomen oder von den Samen selbst.Bei Manica kannst du einen Versuch machen: Ich habe den Arbeiterinnen schon einige Male kleine Stücke frischer Nüsse angeboten; das Ergebnis war interessant: Die Manica-Arbeiterinnen stürzten sich sofort auf die Samenstücke, rekrutierten sehr rasch und schafften alle Stückchen im Sinne einer Ameisenstraße in den Bau. Es war auch zu beobachten, dass sie gleich vor Ort versuchten, in die Stücke zu beißen. Diese "Samen" schienen für sie sehr attraktiv zu sein. Ob der Versuch auch mit getrockneten Nüssen funktioniert, weiß ich nicht.
2. Das ist sicher richtig, arborikole Arten werden häufig unterrepräsentiert erfasst. Ein Erfassen der Arten ohne Baumfallen ist kaum möglich. Wenn man dem verwendeten Alkohol auch eine Lockflüssigkeit beifügt, erzielt man gute Ergebnisse. Sowohl Dolichoderus als auch C. truncatus sind bei uns häufige Arten, aber ich bin sicher, dass sie vorwiegend Laubbäume heimsuchen. Subjektiv gesehen, könnten beide Arten in Städten (Parkanlagen) oder stadtnahen Bereichen häufiger auftreten, neben dem Pflanzenangebot könnte das Stadtklima (Wärmeinsel) dafür verantwortlich sein.
3. Ja, die Lasius-Arten! Ich bestimme sie lieber über die Gynen, das ist meist etwas einfacher. Das zeigt sich etwa bei der Unterscheidung v. L. niger u. L. platythorax. Es lohnt sich bestimmt, die "dunklen" und "gelben" Arten unter die Lupe zu nehmen. Aber es ist schwierig, ein gutes Bino, Erfahrung und viel Zeit sind wohl Voraussetzungen für den Erfolg. Fehler bei der Bestimmung werden hin und wieder passieren, aber auch Profis sind mitunter unsicher.

Unser Artikel ist durchaus so gedacht, es einmal selbst zu versuchen. Wer über einen Garten z. B. am Stadtrand verfügt, hätte gute Voraussetzungen. Verschiedene Methoden zum Sammeln der Belege sollten zum Einsatz kommen, z. B. nächtliche Lichtfallen. Ein Regenwasserbecken im Garten, ein Teich oder "Pool" erweisen sich als gute Fallen. Warum sich viele Geschlechtstiere verschiedener Arten ins Wasser stürzen, ist mir nicht ganz klar.
Vielleicht liegt es an der "Glitzerwelt", von der sich auch schon viele Menschen im übertragenden Sinne täuschen ließen......
L.G.

Re: Ameisendiversität

BeitragVerfasst: Montag 14. November 2016, 14:29
von Maddio
Hallo Boro!

Erstmal vielen Dank, dass ihr eure Abhandlung mit uns teilt. Man merkt auf jeder Seite, wieviel Begeisterung und Mühe in der Arbeit steckt. Die Fotografien sind unbeschreiblich gut, ein echter Augenschmaus!

Ich finde es sehr interessant, dass ihr ein so außergewöhnliches Habitat gewählt habt. Um mich ein bisschen reinzudenken, habe ich das Untersuchungsgebiet bei Google Earth gesucht und grob markiert:

Google_Earth.png


Auf dem Bild kann man sehr gut visuell erkennen, was eure Abhandlung im Text beschreibt. Man kann sich gut vorstellen, wie die Bäche aus großer Höhe in die Drau fließen. Sollte ich Richtung Süden fahren, weiss ich schonmal wo ich Urlaub machen werde ;).


Eine Frage hätte ich zu Camponotus vagus. Sie wird als "Flagschiffart" in den Heißländen beschrieben (S. 393), mit Verweis auf eine Arbeit von Schlick-Steiner & Steiner 2002. Auf Seite 380 ist "Heißlände" als die flussnächste Niederterasse definiert (Untersuchungsgebiet A, leider rückgangig). Meine Frage ist jetzt, was bedeutet der Begriff "Flagschiffart" in diesem speziellen Kontext? Ist der Begriff auf die vielen Spinnenarten bezogen, die C. vagus als Nahrung nutzen? Ich habe den Begriff vorher noch nie gehört, und die allgemeine Definition bei Wikipedia hilft mir nicht wirklich weiter.

Boro hat geschrieben:Unser Artikel ist durchaus so gedacht, es einmal selbst zu versuchen. Wer über einen Garten z. B. am Stadtrand verfügt, hätte gute Voraussetzungen. Verschiedene Methoden zum Sammeln der Belege sollten zum Einsatz kommen, z. B. nächtliche Lichtfallen.


Die Arbeit wirkt in der Tat sehr inspirierend auf mich. Ich habe an verschiedenen Orten schonmal Käferfallen aufgestellt, und eine Untersuchung der Ameisenfauna klingt sehr verlockend. Camponotus aethiops werde ich bei uns in NRW allerdings vergeblich suchen :D.

LG

Re: Ameisendiversität

BeitragVerfasst: Dienstag 15. November 2016, 08:30
von Boro
Sehr gute Idee, eine Überblickskarte zu bringen, hab ich zu wenig bedacht, dass dieses Gebiet in der Ferne kaum bekannt sein wird. Am Südrand der Abb. kann man am Gebirgskamm (Karawanken) die Grenze zu Slowenien erkennen, dieses Gebirge gehört bereits zu den Südalpen (Dinariden). Der Große Dürrenbach (Suchabach) mündet in die Drau, dem Hauptfluss von Kärnten. Die Drau fließt nach Osten, nimmt in Slowenien die Mur aus der Steiermark auf und fließt dann in die Donau.
L.G.

Als "Flaggschiffart" würde ich eine Art benennen, deren Vorkommen für ein bestimmtes Habitat geradezu typisch ist. Dort sollte die Art mit hohen Dominanzwerten vorkommen und wegen der Größe und Volksstärke (bis etwa max. 10.000) Nestbewohner auch optisch sehr präsent sein. Tatsächlich ist C. vagus im Untersuchungsgebiet auch heute noch die mit Abstand häufigste Camponotus-Art, deutlich häufiger als die insgesamt weitflächig verbreitete C. ligniperda. C. herculeanus ist bei uns eine Gebirgsameise, C. aethiops, C. truncatus u. C. fallax dort sehr selten.
Das Verhältnis zu den Spinnen Callilepis hat damit nichts zu tun, das wurde bisher nirgends in Europa ein weiteres Mal beobachtet od. beschrieben. viewtopic.php?f=48&t=370&p=2237&hilit=Callilepis#p2237
viewtopic.php?f=46&t=532&p=11669&hilit=Callilepis#p11669

Re: Ameisendiversität

BeitragVerfasst: Dienstag 15. November 2016, 10:32
von Maddio
Vielen Dank für die umfangreiche und informative Antwort.

Ich finde das Gebiet ist aus geographischer Sicht hochinteressant, und ich habe mich bisher nicht mit diesem Teil Österreichs beschäftigt. Mit dem Hochstuhl (2237 M. ü. A.) geht es ganz in der Nähe weit nach oben. Man ist das frustrierend, wenn man mal wieder im Tiefland festsitzt, wo die Höhenunterschiede problemlos zweistellig ausgedrückt werden können :roll:. Ich habe mich vorher auch noch nicht im Detail mit dem Verlauf der Donau beschäftigt, sehr beeindruckend und lehrreich.

Danke auch für Beantwortung meiner Frage. Aus dem Text eurer Abhandlung geht auch hervor, dass sie vollkommen geschützt sind, was ich begrüßenswert finde. Ich habe mir vor zwei Jahren eine Gründekönigin von Camponotus vagus bestellt, laut Händlerinformationen aus Südfrankreich, wo die Art noch recht häufig sein soll. Ich hatte mich zwar lange über die verschiedenen Camponotus-Arten und ihre Unterschiede informiert, habe aber erst nach der Bestellung bemerkt, dass du davon abrätst diese Art privat zu halten, und auch im Ameisencafé habe ich einen Hinweis gefunden, dass die Art dort nicht gehandelt werden darf, aufgrund ihrer Seltenheit. Die Kolonie ist nun bei etwa 50+ Arbeiterinnen angelangt, auch zwei Majore sind schon dabei. Ich werde wohl bald einen rücklaufenden Haltungsbericht verfassen (zu Beginn passiert ja nicht viel), aber darin auch auf die allgemeine Seltenheit der Art hinweisen, und wie wichtig es ist, sich auch in dieser Hinsicht vorab zu informieren, was ich vernachlässigt hatte.

LG