In Ameisen parasitierende Nematoden

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In Ameisen parasitierende Nematoden

Beitragvon Merkur » Dienstag 20. März 2018, 15:07

Zurzeit bin ich mit etwas rätselhaften Fadenwürmern aus einer Myrmica-Art aus Deutschland beschäftigt. Fadenwürmer, meist aus der
Fam. Mermithidae, sind in Ameisen aus aller Welt nicht ganz selten anzutreffen; hier das Bild einer befallenen Odontomachus aus Belize:

Odontomachus.jpg
Odontomachus sp. mit Mermithide. Foto: Alex Wild
Aus https://www.popsci.com/science/article/ ... /gut-check.
Siehe auch: http://www.ameisenwiki.de/index.php/Nematoden.

Bei der Literatursuche stieß ich wieder auf eine interessante Übersicht von George Poinar. Ich hatte sie 2012 schon mal im AF gepostet:
https://www.hindawi.com/journals/psyche/2012/192017/
(im Menu oben rechts „Full-Text PDF“ anklicken, dann kann man den Text mit Fotos im Vollbild herunterladen)

Es ist ein Review über Fadenwürmer in Ameisen, mit einem Bestimmungsschlüssel für die beteiligten Nematoden-Familien, mit (farbigen) Bildern und sehr vielen Literaturzitaten, aus denen zu entnehmen ist, dass Fadenwurm-Parasitierung bei Ameisen verschiedenster auch in der Haltung beliebter Gattungen vorkommt, so Cephalotes, Odontomachus, Solenopsis, Camponotus, Linepithema, Ectatomma, Lasius inkl. L. niger, L. flavus.

Zusammenfassung (übers.)
Ameisen können für eine Vielfalt von Nematoden als Wirte dienen, für deren Entwicklung, als End-, Zwischen- oder Transportwirte. Parasitische Nematoden in Ameisen umfassen Angehörige der Familien Mermitidae, Tetradonematidae, Allantonematidae, Seuratidae, Physalopteridae, Steinernematidae und Heterorhabditidae. Mit Ameisen phoretisch (Transport) vergesellschaftete Nematoden gibt es unter den Rhabditidae, Diplogastridae und Panagrolaimidae. Mit Ameisen zusammen gefundene fossile Mermithidae, Tetradonematidae und Allantonematidae und Diplogastridae zeigen das hohe Alter dieser Beziehungen, von denen einige bis in das Eozän (40 Mio Jahre) zurück reichen.

So etwas müsste eigentlich auch mal Ameisenhaltern und -händlern auffallen . Berichte darüber wären allemal interessant für die Wissenschaft!

MfG,
Merkur
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Re: In Ameisen parasitierende Nematoden

Beitragvon Meve » Mittwoch 21. März 2018, 13:14

Hallo Merkur,

passend zu dem Thema ein Foto, dass ich die Tage gemacht habe, als ich Pitfalls aus dem Bayrischen Wald bearbeitet habe.
Gleich 3 Myrmica rubra-Männchen waren befallen. Es ist immer wieder erstaunlich wie groß die Nematoden sein können, in Relation zu dem Platz den sie haben.

Viele Grüße,
Michael
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Nematoden in M. rubra.jpg
Nematoden in M. rubra
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Re: In Ameisen parasitierende Nematoden

Beitragvon Merkur » Montag 18. Juni 2018, 10:54

Hier im Startbeitrag habe ich über einen rätselhaften Nematoden-Befall bei einer Myrmica-Art aus Deutschland berichtet.
In der Forschung geht manches nicht so rasch, wie man es gerne hätte. Inzwischen sind wir zwar sicher, dass es tatsächlich Nematoden sind, aber noch ist nicht zu sagen, welcher Gattung bzw. Art sie angehören. Der Spezialist aus den USA fand heraus, dass es sich noch um Larven handelt, die nach morphologischen Merkmalen nicht zu bestimmen sind (Nematoden haben ohnehin nur sehr wenige charakteristische äußere Merkmale).
Ein erster Versuch, sie genetisch zu charakterisieren, brachte kein Ergebnis. Nun läuft ein neuer Versuch. - Ich hoffe, dass ich bald über ein positives Ergebnis berichten kann. Am Ende ist es eine noch unbeschriebene Art?

MfG,
Merkur
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Re: In Ameisen parasitierende Nematoden

Beitragvon Anon » Samstag 8. Dezember 2018, 13:37

Merkur hat geschrieben:So etwas müsste eigentlich auch mal Ameisenhaltern und -händlern auffallen . Berichte darüber wären allemal interessant für die Wissenschaft!

Im Ameisenforum betreibt der User "Basti87" Ursachenforschung und berichtet von einem Parasitenbefall seiner kürzlich erworbenen Carebara diversa.

Im Video sind die "kleinen weißen Würmer" (selbst bei hoher Auflösung) zwar nur relativ schlecht zu erkennen.
Aber man sieht deutlich, dass in der Gaster des obduzierten Tieres noch viel "Leben" steckt:



Ob die Gyne bereits mit den Fadenwürmern(?) infiziert war, als er sie erhalten hat? Und wie oft kommt es bei Ameisenhaltern vor, dass (neu) erworbene Königinnen/Kolonien "einfach so" versterben, ohne dass der Halter der Todesursache genauer nachgeht?

Man kann sich eigentlich nur freuen, wenn (gekaufte) Ameisenköniginnen lebend, begattet und frei von sichtbaren (und unsichtbaren) Parasiten beim zukünftigen Besitzer ankommen.
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Re: In Ameisen parasitierende Nematoden

Beitragvon Merkur » Samstag 8. Dezember 2018, 15:36

Das Video kann ich direkt aus dem AF im Vollbild ansehen, aber mit dem Link hier im AP nur im Kleinformat.
Bei etwa 2:25 und danach ist in der Gaster etwas „Würmendes“ zu erkennen, aber ob das Nematoden sind, ist nicht zu sagen; es könnten z. B. auch Fliegenmaden sein.
So eine Carebara-Gyne ist ja recht groß, und die Eier mancher Fliegen schlüpfen sehr schnell.
Ich bin nicht mal überzeugt, dass die Gyne durch einen Parasitenbefall gestorben ist: Sie könnte auch erst als Leiche „befallen“ worden sein. Es gibt in so einem Volk doch immer mal tote (große) Arbeiterinnen. Da würde sich anbieten, auch diese mal zu untersuchen.
In den Foren müsste sich noch herumsprechen, dass man im Falle eines Falles so etwas entweder direkt mit einem USB-Digital-Mikroskop fotografiert bzw. filmt, oder in Alkohol einlegt (70%; zur Not auch Brennspiritus oder einen hochprozentigen Schnaps), oder Beides. In den Foren würde sich wohl jemand finden, der sich das genauer ansieht. Vieles kann man dann doch noch etwas eingrenzen.
So wie es bis jetzt aussieht (Basti87 » 8. Dezember 2018, 11:11) ist ja auch nichts zurück zu verfolgen: Kam die Gyne von einem Händler? / „...beim Bekannten noch ca. 1000 Arbeiterinnen geholt...“: Waren die Maden oder Nematoden bereits in der Gyne, oder evtl. in Nestmaterial mit den Arbeiterinnen? - Nur das Überbrühen des Ganzen findet meine volle Zustimmung.

Edit (9.12.18): In der Annahme, dass die Ameisen mit Bodengrund gehalten wurden, halte ich es auch für sehr wahrscheinlich, dass sog. Älchen (winzige Nematoden) die Leiche der Gyne aufgesucht haben. Sie leben von allerlei verrottendem Material, u. a. auch Futterresten, und es gibt sie überall in feuchtem Boden.

MfG,
Merkur
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Re: In Ameisen parasitierende Nematoden

Beitragvon Basti87 » Dienstag 11. Dezember 2018, 10:52

Moin moin.
Zu der Gyne will ich mich auch mal zu Wort melden.
Es ist Meine. ;)
Ich beschreib mal den Vorgang.
Die Gyne hatte nicht lange bei mir gelebt, ca. eine Woche.
Nach ein paar Tagen ist mir schon aufgefallen, dass sie schwächelt.
Kurz nach dem sie verstorben war, hab ich sie aus dem Nest entfernt wobei mir aufgefallen ist, dass ihr Gewebe recht breiig war, da der Kopf mit abgerissen ist.
Wo ich dann Ursachenforschung machte.
Dass die Würmchen vom Bodengrund stammen können, denke ich eher nicht.
Da der Bodengrund bei ca 200 Grad über 1 Stunde im Backofen war und somit jegliche Lebensformen abgetötet werden.
Gruß Basti
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Re: In Ameisen parasitierende Nematoden

Beitragvon Merkur » Dienstag 11. Dezember 2018, 12:09

Hallo Basti,

und willkommen hier im AP!

Wie es wirklich gelaufen ist, werden wir nicht mehr herausfinden können. Aber wir interessieren uns halt für solche Vorgänge, um möglichst daraus zu lernen, und um mögliche Erkenntnisse unter den
Lesern und Ameisenhaltern zu verbreiten. So kann man anderen helfen, evtl. Fehler zu vermeiden.
Gut, Du hast den Bodengrund in Deinem Becken erhitzt und steril gemacht, also waren keine lebenden Älchen oder deren Eier mehr darin. - Das wussten wir natürlich nicht!
Unklar ist aber immer noch, wie es mit dem Erwerb der Gyne und den später zugesetzten 1.000 Arbeiterinnen „vom Bekannten“ gelaufen sein könnte:
- Kam die Gyne auch von diesem Bekannten aus demselben Volk wie die später zugesetzten Arbeiterinnen?
- Oder kam die Gyne von einem Händler, und die zugesetzten Arbeiterinnen vom Bekannten gehörten zu einem ganz anderen Volk? - Dann könnten z. B. Nematodeneier mit diesen Arbeiterinnen
eingeschleppt worden sein (1.000 Ameisen kann man nicht „steril“, ohne etwas Nestmaterial, Bodensubstrat, Müll... aus einem Volk entnehmen).
Die „neuen „ Arbeiterinnen könnten die Gyne als nestfremd getötet haben. Dass sich so eine Leiche bei der hohen Temperatur rasch zersetzt, ist ganz normal.
Geschrieben hattest Du (8. Dez. 11:11 im AF):
„Bekommen habe ich das Volk vor ca 2 Wochen, wo leider beim Versand die Gyne verletzt wurde und tot angekommen ist.
Habe ich gleich Ersatz bekommen.
Versand war alles gut soweit bissi kühl aber sonst top.
Die Gyne war soweit auch recht gut drauf nachdem ich sie auf Temperatur gebracht hatte. Das alte Volk hat sie gleich aufgenommen mit den neuen Arbeiterinnen.
Da ich aber nix riskieren wollte, habe ich mir beim Bekannten noch ca. 1000 Arbeiterinnen geholt...“
Du hattest also ein (kleines oder größeres? Angeboten werden bis zu 500-1.000 Arb.) Volk mit Gyne bekommen. Die Gyne kam tot an und wurde durch eine neue ersetzt, die Du zu dem verwaisten Volk gegeben hast. Und dann hast Du 1.000 Arbeiterinnen einer fremden (?) Kolonie zugesetzt; richtig?
Das allein kann schon dazu führen, dass die vielen neuen Arbeiterinnen die ihnen nicht vertraute Gyne attackiert haben…
Fragezeichen über Fragezeichen, als Leser erfährt man zu wenig über die Vorgänge. So kann man leider nur spekulieren. :roll:

MfG,
Merkur
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Re: In Ameisen parasitierende Nematoden

Beitragvon Basti87 » Dienstag 11. Dezember 2018, 12:48

Die Gyne ist von einem Shop und die Arbeiterinnen von einem Bekannten.
Die zusätzlichen Arbeiterinnen wurden auch nur dazu geholt wegen der schwierigen Gründung.
Da beim Transport vom Shop schon recht viele Arbeiterinnen verstorben sind.
Der Bekannte wurde mir auch empfohlen vom Shop. Wo ich dann auch 500 km in Kauf nahm um sie persönlich zu holen.
Dass sie von dem Bekannten eingeschleppt worden sein könnten, hallte ich auch für sehr sehr gering.
Da er sie selber relativ steril hält und ich das Volk begutachten konnte.

Naja, ich finde schon, dass man sie auch ohne Bodengrund und Müll rausbekommt.
Geht recht einfach mit gekneulten Zwea und das am Eingang gelegt wo sie dann drauf krabbeln.
Dauert zwar eine Weile bis man die gewünschte Menge hat, geht aber recht einfach.
Die Gyne wurde auch separiert und zur Ursachenforschung an den Shop gesendet.
Die kleineren Soldaten und Arbeiterinnen die sie auf den Müll brachten, hatte ich dann am 08.12. auch gleich untersucht und konnte weder im Körper der Soldat noch auf dem "Totenhaufen" was dergleichen erkennen.
War wirklich nur die Gyne befallen.
Da bei mir sofort die Arlamglocken angingen, wurde sofort Ursachenforschung begonnen und sämtliche Kolonien kontrolliert.
Da ich anfangs nicht sicher war, womit ich es zu tun hatte. Da im Haushalt 2 Kinder noch dazu leben.
Dass die Arbeiterinnen die Gyne attackiert hätten, kann ich verneinen. Da ich Urlaub hab und quasi Tag und Nacht beobachten kann.

Ist bei mir besonders schlimm, wenn ich neue Krabbler bekomme :crazy:
Hoffe der Shop kann bestimmen womit ich es genau zu tun hatte.
Wenn mich mehr weiß geb ich natürlich bescheid.

Gruß Basti.
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Re: In Ameisen parasitierende Nematoden

Beitragvon Merkur » Freitag 15. November 2019, 16:07

Fadenwürmer in einer Arbeiterin von Myrmica sabuleti

Hier im Startpost vom März 2018 hatte ich schon mal eine Andeutung gemacht, dass wir eine Myrmica-Arbeiterin aus der Umgebung von Jena zu bearbeiten hatten, bei der mehrere Fadenwürmer aus der Gaster ragten. Nach langer Forschungs-und Vorbereitungszeit liegt nun als Ergebnis unserer Arbeit eine Veröffentlichung vor:

Mermithids-Myrmica-2019.jpg
Abb. 2 aus der Publikation: Fünf Fadenwürmer ragen aus der Gaster der Myrmica hervor.
Sie war tot in einer Bodenfalle gefunden worden.
FM Steiner, G Köhler, B Seifert, W Arthofer, BC Schlick-Steiner, A Buschinger (2019): A Worker-Like Female of Myrmica sabuleti (Meinert, 1861) (Hymenoptera: Formicidae: Myrmicinae) in a Pitfall Trap with Five Mermithids (Nematoda: Mermithidae) Protruding from the Gaster. Sociobiology 66(3): 400-407 (September, 2019) . DOI: 10.13102/sociobiology.v66i3.4338

Abstract
A worker-like female of Myrmica sabuleti Meinert, 1861, pitfall-trapped near Jena, Germany, in late summer 2016, was infested by five postparasitic juvenile mermithids. They poked out of the ant ́s gaster as a trail of seven filaments of various lengths. Apart from its swollen gaster, the ant differed from conspecifics in several morphometric parameters. Using both morphological and molecular techniques, the parasite family Mermithidae was confirmed. Our stray find raises multiple questions concerning the genus and species identity of the parasite, its biology, and the infestation rate of the host ant population. More mermithid awareness by the various researchers working with Myrmica will help, but directed fieldwork, experimental life-history research, and molecular studies are needed to emancipate progress in ant-mermithid research from serendipity.

Es lohnt sich also, auch bei Ameisen in der Haltung auf so etwas zu achten, ggf. die Tiere in 70% Alkohol zu fixieren, und fachkundigen Rat einzuholen. Einer allein kann unmöglich alle die in dieser Arbeit eingesetzten Techniken beherrschen, aber jeder von den Autoren kennt Adressen, wo man weitere Hilfe finden kann! Wenn dann am Ende ein vorzeigbares Ergebnis steht, wenn wir über die Tiere wqas Neues unrd Interessantes mitteilen können, freut man sich!

MfG,
Merkur
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