Neue sozialparasitische Art, Tetramorium aspinaDie Beschreibung in Myrmecological News ist ja frei zugänglich.
Es geht um den Fund einer Kolonie mit Arbeiterinnen, die zwei Arten angehören: Zum einen ist das
Tetramorium immigrans, die ehemalige "
Tetramorium sp. E", die auch in die USA eingeschleppt worden ist und dort als „Pavement Ant“ bekannt ist, eine selbständige Art.
Zum anderen wurden in dem Nest Arbeiterinnen sowie eine Gyne einer bisher unbekannten Art angetroffen, die in der Arbeit nun als
Tetramorium aspina beschrieben wird. Das „
aspina“ bedeutet, dass ihr Epinotaldornen (= Propodealdornen) praktisch fehlen.
Aufgrund des Vorkommens in einem Nest zusammen mit Arbeiterinnen einer bekannten Art
nimmt man an, dass es sich um einen Sozialparasiten handeln könnte.
Die Arbeiterinnen der neuen Art weisen Merkmale einer morphologischen „Degeneration“ auf: Außer der reduzierten Größe der Epinotaldornen fällt darunter eine größere morphologische Variation als bei anderen Arten der
Tetramorium-caespitum-Gruppe, sowie ein „propodeales Syndrom“ bei einem größeren Anteil der Arbeiterinnen. Dabei ist das Propodeum schmaler als üblich, so dass im Übergangsbereich zwischen dem Metapleurum (= Seitenbereich des 3. Thorakalsegments) und dem darüber liegenden, schmaleren Propodeum ein rechtwinkliger Knick entsteht (S. Fig. 1 in der Arbeit).
Im Gelände fiel die neue Art durch ihre gelbliche Farbe sowie durch geringere Größe im Vergleich zu Arbeiterinnen der übrigen Arten aus dem T.-caespitum-Komplex auf.
https://screenshots.firefox.com/OJXWJUZ ... alnews.orgIn die Gattung
Tetramorium werden neuerdings ja die Art
Anergates atratulus sowie die vier Arten der ehemaligen Gattung
Teleutomyrmex (arbeiterinlose Inquilinen) einbezogen. Die artenreiche, Sklaven haltende (dulotische) Gattung
Strongylognathus (gekennzeichnet durch Säbelkiefer) ist ebenfalls an Wirtsarten der Gattung
Tetramorium gebunden. Somit sind bisher in dieser Verwandtschaftsgruppe Dulosis und Inquilinismus als Formen des Sozialparasitismus vertreten.
Die neue Art
T. aspina hat zahlreiche Arbeiterinnen, und keine morphologischen Anpassungen an eine Dulosis.
Es ist also im Moment noch nicht möglich, sie in eine der bekannten Kategorien von Sozialparasiten einzuordnen, zumal keine Wirtskönigin in dem einen gefundenen Nest angetroffen wurde.
Das gemischte Nest wurde in der Türkei gefunden, auf ca. 1950 m Höhe in einem offenen Kiefernwald. Es enthielt über 400 Arbeiterinnen und eine Königin der parasitischen Art sowie über 150 Arbeiterinnen von
T. immigrans.
Die Autoren betrachten
T. aspina mit Recht als „vermutlich“ parasitische Art. Es dürfte noch einige Freiland- und Laborarbeit nötig sein, um ihren Status abzusichern. Genetisch wurden die beiden Arten noch nicht untersucht. Auf jeden Fall wäre es eine sehr seltene Art, denn die türkischen Autoren haben im Bereich des östlichen Schwarzen Meeres 888
Tetramorium-Nester beprobt, darunter ca. 500 aus dem
T.-caespitum-Komplex.
„Seltenheit“ wurde für viele sozialparasitische Ameisenarten beschrieben (abgesehen natürlich von den temporär parasitischen
Formica- Arten und
F. sanguinea). Aus eigener Erfahrung besonders mit Sozialparasiten der Gattungen
Leptothorax und
Temnothorax trifft das allerdings nicht generell zu: Es gibt „hot spots“, wo solche Parasiten in einem von ca. 10 Wirtsvölkern vorkommen, bis hin zu einem Verhältnis von eins zu drei! Außerhalb solcher besonders hohen Konzentrationen trifft man entweder gar keine Sozialparasiten an, oder nur extrem vereinzelt. - Auf diesem Gebiet sind noch viele Rätsel zu lösen!
MfG,
Merkur