Verhalten von Paraponera clavata an Trinklösungen

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Verhalten von Paraponera clavata an Trinklösungen

Beitragvon NIPIAN » Montag 12. Mai 2014, 17:45

Hoi,


- die Grafiken werden nachgereicht, sobald die Autoren dem zugestimmt haben -


To drink or grasp? How bullet ants (Paraponera clavata ) differentiate between sugars and proteins in liquids
Zum Trinken oder Greifen? Wie 24-Stunden-Ameisen (Paraponera clavata) zwischen Zucker und Proteinen in Lösungen unterscheiden.

Im Artikel von Jennifer Jandt & Hannah K. Larson & Peter Tellez & Terrence P. McGlynn, erschienen in Naturwissenschaften Dezember 2013, Volume 100, Issue 12, pp 1109-1114 , wird das Verhalten von Paraponera clavata an angebotenen Trinklösungen in Abhängigkeit der Zusammensetzung beschrieben. Ein interessantes Video veranschaulicht die Vorgehensweise. Exakter beschrieben wird sie in der Veröffentlichung.

Ameisen haben im Wesentlichen zwei Möglichkeiten, Nährstoffe ins Nest einzutragen: entweder mittels aufgenommener Flüssigkeit im Kropf (= trinkend), oder als Feststoff zwischen den Mandibeln (= greifend) (siehe Grafik 1).
Die beteiligten Forscher sind in diesem Fall der Frage nachgegangen, inwiefern das Verhalten der untersuchten Ameisenart von der Konzentration der im Flüssigkeitstropfen enthaltenen Nährstoffe beeinflusst wird.

Dabei sind unterschiedliche Nährstofflösungen zum Einsatz gekommen: reine Kohlenhydratlösungen (Saccharose* in unterschiedlicher Konzentration), reine Proteinlösungen (Casein** in unterschiedlicher Konzentration) und unterschiedliche Mischungen derselben Lösungen definierter Konzentration.

Die Ergebnisse:
- je höher die Saccharosekonzentration, desto mehr und eher wird der angebotene Tropfen in den Kropf aufgenommen.
- Eine geringere Menge an Caseinbeimischung fördert den Erfolg der Aufnahme durch Trinken deutlich (0,5 - 0,1 mM)
- Es kommt jedoch häufiger zu tragendem Verhalten, wenn Casein höher konzentriert beigemischt worden ist (ab 0,75 mM).
- ab etwa 1,25mMol Casein (Millimol -> Mol ist die Stoffmenge, die in einem bestimmten Volumen gelöst worden ist) ohne beigemischter Saccharose, wird der angebotene Flüssigkeitstropfen eher ignoriert (Vielleicht passt da einfach die Konsistenz (flüssig) mit dem Inhaltsstoff (Protein) nicht zusammen, die Frage wird leider nicht beantwortet).



Schlüsse und Hinweise aus der Studie:

Paraponera clavata entscheidet bereits vor Ort über die Inhaltsstoffe des Nahrungsangebots.
Mittels der Studie kann ein Hinweis geliefert werden, dass Paraponera clavata bereits an der Futterstelle zwischen den Inhaltsstoffen unterscheiden kann. Flüssigprotein sollte man bei dieser Art jedenfalls in eher geringer Konzentration und dann nur in Kombination mit Kohlenhydraten in nachstehender Konzentration anbieten. Ansonsten gilt das Übliche: Kohlenhydrate flüssig, Proteine fest.

Mengenangabe von Haushaltszucker je Wassermenge in der Ameisenhaltung
Saccharose** sollte in Konzentrationen ab 0,3 Mol angeboten werden (entspricht ~ 100g Haushaltszucker je 1 Liter Wasser, oder 10 g Haushaltszucker auf 100 ml Wasser), eher 0,4 Mol (entspricht ~ 140g Haushaltszucker / 1 Liter Wasser, oder 14 g Haushaltszucker auf 100 ml Wasser). Es können bis zu 5,7 Mol Saccharose je Liter Wasser gelöst werden, das entspricht in etwa 2 kg Haushaltszucker - in Abhängigkeit von der Wassertemperatur. Selbstverständlich ist die Häufigkeit der Aufnahme von Zuckerlösungen ebenfalls abhängig vom Hungerzustand des Volkes und wahrscheinlich von der Ameisenart. Jedoch wage ich zu bezweifeln, dass ein Teelöffel Zucker je 100 ml Wasser eine hungrige Ameise immer zur Aufnahme der Lösung bewegen wird.

Honig ist eher besser als Haushaltszucker
Je 100 ml Wasser sollten mindestens 10 g, eher im Bereich von 20 g bis 40 g Haushaltszucker zur Versorgung der Ameisen mit ausreichend Kohlenhydraten gelöst werden. Alternativ kann dieselbe Menge Honig zum Einsatz kommen - was aufgrund der unterschiedlichen weiteren Bestandteile, im Wesentlichen die Proteine des kaltgeschleuderten Honigs, zu einer höheren Akzeptanz, einer vermehrten Aufnahme führen kann (siehe Grafik 2, Bild a).

Weshalb sollte das alles wichtig sein?
Völker, die ein ungeklärtes Arbeiterinnensterben, oder eine mangelhafte Brutentwicklung zeigen, können unter Umständen eher gerettet werden, wenn die Nahrungszufuhr optimiert wird. Dabei ist nicht die Nahrungszufuhr selbst entscheidend, sondern dass die bereitgestellten Kohlenhydrate und Proteine gut aufgenommen und weiterverarbeitet werden (können) und das Volk das eigentliche Problem eher in den Griff bekommt.


Nice to know: Weshalb das unter anderem untersucht worden ist: bei Vertretern der Bienenart Apis mellifera findet die "Wertung der Wertigkeit" der Nahrung im Sozialmagen statt. Eingebrachte Pollen werden im Stock verarbeitet und beeinflussen erst dann das Verhalten, die entsprechende Nahrungsquelle aufzusuchen [1].

* Saccharose ist der gewöhnliche Haushaltszucker. Steht in jeder Küche herum. Außer in der durchschnittlichen Studentenbude, dort ist er meist "eben ausgegangen".
** Casein ist ein in Milch enthaltenes Protein, welches einerseits wesentlich für die Käseherstellung ist, andererseits meistens für die Kuhmilchallergie verantwortlich ist (hat nichts mit der Laktoseintoleranz zu tun! Da kann lediglich der Milchzucker nicht verarbeitet werden und führt zu Blähungen [Bakterien können das verstoffwechseln und produzieren dabei mies miefende Gase], dadurch Bauchschmerzen und weiterhin nen flotten Otto -> Durchfall).

[1] Pernal SF, Currie RW (2002) Discrimination and preferences for pollenbased cues by foraging honeybees, Apis mellifera L. Anim Behav 63:369–390
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Re: Verhalten von Paraponera clavata an Trinklösungen

Beitragvon Streaker87 » Montag 12. Mai 2014, 18:25

Hallo,

sehe ich das richtig, dass es sich bei der Veröffentlichung um eine Verhaltensbeobachtung handelt?
Also im Endeffekt wurden keine außergewöhnlichen Methoden genutzt. Sprich: PCR etc. Gene sind heute ja auch in der Verhaltensforschung total in.

Am Anfang der Veröffentlichung werden paar Bildchen der Art gezeigt, danach ein schemenhaftes Schaubild und am Ende eine simple Grafik, welche die Daten statistisch und komprimiert wiedergibt.

Damit möchte ich den erbrachten/gewonnen Informationsgehalt nicht schmälern. ;) Mich interessiert in dem Fall nur die Vorgehensweise der Wissenschaftler.
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Re: Verhalten von Paraponera clavata an Trinklösungen

Beitragvon NIPIAN » Montag 12. Mai 2014, 19:06

Hoi,


ja, es ist eine Verhaltensstudie.

Es wurden 10 Völker jeweils derselben Prozedur unterzogen: unterschiedliche Konzentrationen an Haushaltszucker und/oder Protein werden präsentiert und die Reaktion darauf gefilmt und ausgewertet.
Das Anlocken ist durch eine 2 Molare Lösung an Haushaltszucker durch Spurlegung erfolgt.

Es hat keine Unterschiede der Völker untereinander und keinen Einfluss einer unterschiedlichen Reihenfolge des Lösungsangebotes auf die Fragestellung gegeben.
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Re: Verhalten von Paraponera clavata an Trinklösungen

Beitragvon Diffeomorphismus » Montag 12. Mai 2014, 19:13

Siehe auch hier.
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Diffeomorphismus
 

Re: Verhalten von Paraponera clavata an Trinklösungen

Beitragvon NIPIAN » Montag 12. Mai 2014, 19:25

Hoi,


stimmt - das habe ich vergessen; vermutlich habe ich deshalb den Link in der Favoritenleiste gehabt. Na, dafür habe ich ein paar weiterführende Gedanken einbringen können^^. Im Übrigen sollte im AF abgeklärt werden, ob die Bilder verwendet werden dürfen. Der Artikel ist nicht umsonst zahlungspflichtig.
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Re: Verhalten von Paraponera clavata an Trinklösungen

Beitragvon NIPIAN » Sonntag 18. Mai 2014, 16:54

Hoi,


hier sind die entsprechenden Grafiken, mit freundlicher Genehmigung von Jennifer Jandt, Ph.D. Weiterhin vielen Dank an Amy Geffre für Graphik 1! Die Beschreibung habe ich zum besseren Verständnis hinzugefügt.

Graphik 1 zeigt den Unterschied zwischen trinken (a) und tragen/greifen (b). Da die Graphik prinzipiell selbsterklärend ist, nur die Kurzform: zum Trinken werden spezialisierte Teile von Labium und Maxilla hervorgestülpt, die man umgangssprachlich als Rüssel bezeichnen kann, in der Graphik im Orangeton hervorgehoben. Damit wird die Flüssigkeit aufgenommen. Ein Nachweis eines aktiven Saugvorgangs habe ich bislang nicht finden können. Deshalb gehe ich weiterhin von einem passiven Kapillareffekt aus.

Graphik 2 unterlegt die Behauptung, dass eine Honiglösung besser angenommen werden kann, als eine reine Zuckerlösung. Die zugesetzte Menge an Protein entspricht in etwa der in Beutetieren gefundenen Stoffmenge. Bemerkenswert ist die gute Akzeptanz von Flüssigprotein im Bereich um 0,01 bis 0,5 mMol Casein ohne Zuckerzusatz, von der Art der Aufnahme einmal abgesehen. Ab Zuckerzusätzen von etwa 20 g / 100 ml Wasser + Proteinzusatz (das Gewicht in Bezug zur angegebenen Stoffmenge recherchiere ich noch), kann für Paraponera clavata von einer hohen Akzeptanz als Futtermittel ausgegangen werden. Äquivalente Stoffmengen sollten bei anderen Ameisenarten ausprobiert werden. Im Versuchsaufbau sind zum Anlocken der Ameisen 2 Mol Zuckerwasser verwendet worden, was umgerechnet etwa 68,5 g Haushaltszucker je 100 ml Wasser entsprechen.
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Dateianhänge
Paraponera clavata Verhalten an Trinklösungen.jpg
Paraponera clavata Verhalten an Trinklösungen 2.png
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