Bhatkar-diet und Nahrungsgele unbrauchbar für Ameisen

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Bhatkar-diet und Nahrungsgele unbrauchbar für Ameisen

Beitragvon Merkur » Mittwoch 30. Juli 2014, 19:59

J. Gavilanez-Slone, S. D. Porter (2014): Laboratory fire ant colonies (Solenopsis invicta) fail to grow with Bhatkar diet and three other artificial diets. - Insectes Sociaux 61, 281-286
Im Labor gehaltene Kolonien der Feuerameise (Solenopsis invicta) gedeihen weder mit Bhatkar-Diät noch mit drei anderen künstlichen Diäten.

Das Abstract (s. unten) liefert bereits einige wichtige Informationen zur Versuchsdurchführung. Die wichtigsten Ergebnisse: 1) Alle getesteten künstlichen Diäten erwiesen sich als nicht oder kaum brauchbar für eine gesunde Entwicklung (Wachstum, Brutproduktion) junger Feuerameisen-Kolonien. 2) Die Autoren warnen vor der Verwendung von Diäten, in denen Zucker und Protein gemischt angeboten werden, da Arbeiterinnen und Brut unterschiedliche Nahrungsbedürfnisse haben.

Mir erscheint diese Arbeit außergewöhnlich wichtig! 1988 erschien eine Untersuchung über die Auswirkungen der Bhatkar-Diet auf Brutproduktion und Sklavenhaltung bei Ameisen. Hier sind Ergebnisse nachzulesen Nahrungsgel
(Buschinger, A., Pfeifer, E. (1988): Effects of nutrition on brood production and slavery in ants (Hymenoptera, Formicidae). Ins. Soc. 35, 61-69.)
Diese Arbeit fand in den letzten 25 Jahren kaum Beachtung, vielleicht weil der Name Bhatkar nicht im Titel genannt war.

Gavilanez-Slone & Porter geben an, dass die Bhatkar-Diät seit 1973 in 215 Veröffentlichungen erwähnt wurde, obwohl keinerlei Evidenz für ihren Nutzen vorlag. Oft wurde sie mit Insekten als Ergänzungsfutter kombiniert.
Selbst so renommierte Autoren wie Hölldobler & Wilson (1990, The Ants, S. 632) haben diese Diät verwendet und geben das Rezept dazu wieder, leider ohne genaue Angaben zu den Substanzen und Mengenverhältnisse der zugesetzten „1 g vitamins“ und „1 g minerals and salts“. Dasselbe gilt für Hölldobler & Wilson 2013 (Auf den Spuren der Ameisen, S. 406-408): Nach dieser Anleitung ist die Diät nicht einmal exakt herstellbar!

Gavilanez-Slone & Porter hingegen haben die von Bhatkar und Whitcomb (1970) benutzte Vitaminmischung (die bereits 1987 nicht mehr im Handel erhältlich war; in der Veröffentlichung waren aber die Angaben auf dem Beipackzettel abgedruckt) exakt zusammengemischt. Dennoch erwies sich die Diät als unbrauchbar, wie bereits erwähnt.
In Kontrollversuchen über sechs Wochen mit Heimchen und Zuckerwasser als Nahrung waren Solenopsis-Völkchen gesund und wiesen ein beträchtliches Wachstum auf. Mit den künstlichen Diäten gefütterte Völkchen hingegen waren kaum oder gar nicht gewachsen.

Wer seine Ameisen mit irgendwelchen künstlichen Diäten bzw. Protein-Zucker-Mischungen ernähren möchte, sollte sich diese Veröffentlichung zu Herzen nehmen!

Abstract aus Gavilanez-Slone & Porter (2014)
Various artificial diets have been used for rearing imported fire ants; however most of these diets include insect supplements. This study was designed to examine growth of red imported fire ant colonies (Solenopsis invicta Buren) on four artificial diets: a chemically undefined “oligidic” predator diet, two partly defined “meridic” diets utilized by Bhatkar and Whitcomb (Florida Entomol. 53: 229–232, 1970) and Dussutour and Simpson (Insect. Soc. 55: 329–333, 2008) for Solenopsis fire ants and Rhytidoponera ants, respectively, and finally a completely chemically defined “holidic” diet utilized by Straka and Feldhaar (Insect. Soc. 54: 100–104, 2007a, Insect. Soc. 54: 202, 2007b Erratum) for carpenter ants.
Crickets and sugar water were used as a standard diet. [u]After 6 weeks, fire ant colonies fed crickets and sugar water were healthy and had grown considerably.[/u ]In contrast, colonies fed the artificial diets showed little or no growth demonstrating that these diets are not suitable for rearing healthy fire ant colonies. Nevertheless, the holidic or entirely synthetic Straka diet may provide a suitable basis for further studies of fire ant dietary requirements because it resulted in modest production of all brood stages. We advise caution in using diets that mix sugar and protein into a single “all in one” diet because workers and brood have differing dietary requirements

Siehe auch diesen Thread: viewtopic.php?f=23&t=507

MfG,
Merkur
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Re: Bhatkar-diet und Nahrungsgele unbrauchbar für Ameisen

Beitragvon NIPIAN » Donnerstag 31. Juli 2014, 07:34

Hoi,


da ich aktuell nicht die Zeit habe, alles zu bearbeiten, beschränke ich mich auf das, was mir zuerst aufgefallen ist - quasi als kleine Gedankenstütze/Kickstart ab November:
Ist mit meso-inositol myo-inositol gemeint?
Ist der Mangelfaktor Cholin selbst, oder eine Fettsäure (langkettig? ungesättigt?) in der Zellmembran, die um u.a. Cholin erweitert werden soll? Methionin -> Cholin
http://www.hermann-levinson.de/nachtraege2005.html
Weshalb identische Aminosäurekonzentrationen? Nahrungszusammensetzung von Ameisen -> gibt es eine Aufdröselung der Futtertiere der ein oder anderen Ameisenart, möglicherweise mit einer Analyse der biochemischen Zusammensetzung?
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Re: Bhatkar-diet und Nahrungsgele unbrauchbar für Ameisen

Beitragvon Merkur » Freitag 1. August 2014, 16:37

Hallo NIPIAN,

Bin zurzeit sehr beschäftigt damit, meine systematische Demontage zu verfolgen, z. B. bei den Eusozialen: http://eusozial.de/viewtopic.php?f=80&t=2923. Ich muss ja ein wahrhaftes Scheusal sein! Wieso hat man so einen ewigen Mobber eigentlich nicht etliche Male aus den Foren geschasst? Und ihm dann im AF noch massenhaft Bewertungspunkte zugeschoben? Musste ich mich da nicht rundum bestätigt fühlen? :roll:

OT off; zu Deinen Fragen:
Ist mit meso-inositol myo-inositol gemeint?
Ist der Mangelfaktor Cholin selbst, oder eine Fettsäure (langkettig? ungesättigt?) in der Zellmembran, die um u.a. Cholin erweitert werden soll? Methionin -> Cholin

Da wirst Du dann einen der Autoren selbst fragen müssen. Sanford Porter kenne ich; der dürfte auf jeden Fall antworten!

http://www.hermann-levinson.de/nachtraege2005.html
Weshalb identische Aminosäurekonzentrationen? Nahrungszusammensetzung von Ameisen -> gibt es eine Aufdröselung der Futtertiere der ein oder anderen Ameisenart, möglicherweise mit einer Analyse der biochemischen Zusammensetzung?

Meines Wissens nicht. Mag sein, dass man so etwas für Drosophila und Mehlwürmer finden kann. Aber für die große Mehrzahl der Ameisenarten kennt man ja nicht einmal die ungefähre Zusammensetzung ihrer Nahrung, welche Beute, und schon gar nicht in welchen Mengen.

Ich muss allerdings sagen, dass mich die biochemische Seite der Ameisen-Ernährung wenig interessiert hat. Mir war es für meine Forschung wichtig, die Arten so zu halten, dass sie zuverlässig Geschlechtstiere erzeugten und nach Möglichkeit auch in ähnlicher Zahl wie im Freien. Das ging problemlos mit der Standard-Ernährung Honigwasser und Insektenstücke (Schaben oder Mehlkäferpuppen, jeweils überbrüht und tiefgefroren).
Wenn es dann noch gelang, sie im Labor zum Sex zu überreden, war ich meinen Zielen schon ein ganzes Stück näher!

Viele Grüße, und konzentriere Dich auf ein erfolgreiches Examen! :)
Merkur
PS und @ all: Der verlinkte Beitrag http://www.hermann-levinson.de/nachtraege2005.html ist übrigens äußerst gehaltvoll für jeden, der sich etwas mit der Insektenphysiologie und -biochemie befassen möchte! - Bei grobem Überfliegen fiel mir allerdings auf, dass oft von "den Insekten" die Rede ist, dann aber im Detail doch nur einige wenige Gattungen genannt werden, zu denen Untersuchungen vorliegen (wie auch anders?). Ganz wichtig erscheint mir die Rolle der Endosymbionten. Doch bei Ameisen wissen wir auch nur von ganz wenigen Beispielen, dass es überhaupt welche gibt. Noch weniger ist über deren Funktion bekannt.
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