Forscherlaufbahn an den Universitäten

Interessante und neue Themen aus "Wissenschaft und Medien"

Forscherlaufbahn an den Universitäten

Beitragvon Merkur » Dienstag 13. Januar 2015, 10:39

Nicht wenige junge Ameisenhalter träumen davon, beruflich „Ameisenforschung“ zu betreiben, oder im größeren Rahmen als Biologen zu forschen und zu lehren. Wiederholt habe ich in diversen Ameisenforen das Thema bereits angesprochen, die Wege zum Bio-Studium und zum Biologen-Beruf aufgezeigt.

Gerade fand ich einen sehr gut dazu passenden, wenngleich wenig motivierenden Bericht in der FAZ:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/f ... 54907.html
Wer in eine solche Berufslaufbahn tendiert, sollte den Artikel gründlich lesen, und auch einige der Kommentare dazu! Der Inhalt ist sehr realistisch.

Ich bin seit 2005 im Ruhestand, kann aber bestätigen, dass die Entwicklung zum derzeitigen Zustand der Forschungslandschaft an unseren Universitäten, wie er in dem Artikel geschildert wird, bereits lange vorher begonnen hat. Zunehmend entstanden bürokratische Hindernisse für die „freie“ Forschung, für Grundlagenforschung ohne direkten wirtschaftlichen Wert.
Befristete Stellen für Nachwuchswissenschaftler sind m. E. Gift für Forschung, die längere Zeit benötigt. Erworbene Kenntnisse soll der Jungforscher über Bord werfen, um nach etwa drei,oder vielleicht sechs Jahren in einen neuen befristeten Job zu wechseln, in dem möglichst ein ganz anderes Thema anzugehen ist. Und das wiederholt, über viele Jahre, immer wieder. - Eine private Lebensplanung wird damit extrem schwierig, zumal in der Regel mit dem Jobwechsel der Umzug an eine andere Uni verbunden ist. Und selten genug gelingt es, für den/die Lebenspartner/in einen passenden Job am neuen Ort zu finden. Nicht zu reden von Kindern und Schulwechsel und ähnlichen "Nebensächlichkeiten". :(

Ich möchte mit diesen Worten keinem ausreden, sich in die Wissenschaftler-Laufbahn zu bewegen. Wer wirklich motiviert und befähigt ist, kann seinen Weg machen, und der kann sehr befriedigend sein! Aber: Man sollte sich rechtzeitig informieren, was da auf einen zukommt!

MfG
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Re: Forscherlaufbahn an den Universitäten

Beitragvon Scarvia Ny-Mand » Dienstag 13. Januar 2015, 17:04

Merkur hat geschrieben:Befristete Stellen für Nachwuchswissenschaftler sind m. E. Gift für Forschung, die längere Zeit benötigt. Erworbene Kenntnisse soll der Jungforscher über Bord werfen, um nach etwa drei,oder vielleicht sechs Jahren in einen neuen befristeten Job zu wechseln, in dem möglichst ein ganz anderes Thema anzugehen ist. Und das wiederholt, über viele Jahre, immer wieder. - Eine private Lebensplanung wird damit extrem schwierig, zumal in der Regel mit dem Jobwechsel der Umzug an eine andere Uni verbunden ist. Und selten genug gelingt es, für den/die Lebenspartner/in einen passenden Job am neuen Ort zu finden. Nicht zu reden von Kindern und Schulwechsel und ähnlichen "Nebensächlichkeiten". :(

Nicht zu vergessen die 12 Jahresregel. Man kann ja nicht unendlich lange befristet an einer Hochschule arbeiten, auch wenn es inzwischen ein paar Regelungen gibt, die die Zeit verlängern (zB 2Jahre pro Kind) oder die Befristung länger rechtfertigen (Anstellung durch Drittmittel).
Oftmals landet man also doch wieder in den Wirtschaft, wenn man es nicht schafft, eine Professur zu erhalten oder sich an der Hochschule so unverzichtbar zu machen, dass ein unbefristeter Vertrag ausgestellt wird.
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Re: Forscherlaufbahn an den Universitäten

Beitragvon Marinero » Donnerstag 15. Januar 2015, 18:00

Interessanter Artikel. Ich habe mich mit der Thematik länger nicht mehr beschäftigt, aber es wäre interessant zu wissen wie es mit Stellen im Ausland aussieht.
Ein befreundeter Biologe,ebenfalls seit einigen Jahren in Rente, hatte nach dem Studium trotz guter Qualifikationen nur befristete Stellen. Damals ist er dann nach Amerika ausgewandert und hat dort an einer Uni. geforscht. Nach einigen Jahren kam er dann wieder zurück. Der Familie wegen.
Ein weiteres Beispiel ist mein Opa. Auch er musste aufgeben und hat später an einer Grundschule und im weiteren Verlauf an einer Realschule Biologie und Mathe unterrichtet. Hat ihm zwar auch Spaß gemacht, aber die Erfüllung der Träume war das sicherlich auch nicht.

Für mich wird das immer ein Hobby bleiben und nicht zum Beruf werden.
Ob Forschung noch das ist was es einmal war? Vor 70/50/30 Jahren...

Ist wohl was drann, dass man als Bio-Student schnell zum Taxifahrer umschulen muss.
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Re: Forscherlaufbahn an den Universitäten

Beitragvon ford prefect » Samstag 17. Januar 2015, 11:54

Zeit online hat ebenfalls darüber geschrieben: http://www.zeit.de/2014/50/forschung-na ... ssenschaft
Das Thema beschäftigt mich momentan sehr, zumal der Arbeitsmarkt für Biologen in der Industrie zwar besser, aber auch nicht unbedingt gut aussieht. Wahrscheinlich werde ich mich also an Biochemie versuchen. Und dann hoffen, davon irgendwie leben zu können. Eine Karriere an der Universität scheint doch momentan Idealisten vorbehalten zu sein, die für die Wissenschaft Familienplanung und finanzielle Sicherheit aufzugeben bereit sind.
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Re: Forscherlaufbahn an den Universitäten

Beitragvon Merkur » Samstag 17. Januar 2015, 15:11

Danke, ford prefect, für den Link!
Ich habe gerade ein paar der Kommentare durchgesehen und muss sagen, dass es danach eher noch schlimmer aussieht, als ich in Erinnerung hatte. - Ich bin seit 10 Jahren "raus", im gesetzlichen Ruhestand. Teilweise habe ich noch Einblick in das Schicksal derer, die bei mir ihre Staatsexamens-, Diplom- und Doktorarbeiten gemacht haben. Zu wenige davon sind an den Universitäten wirklich gut angekommen. Einige hoch qualifizierte Forscher sind aufgrund der schwierigen Situation frühzeitig (aus ihrer Sicht verständlicherweise: rechtzeitig!) abgewandert. Es wird wahrhaft Zeit, dass sich etwas ändert!

MfG,
Merkur
Edit: Um das Biostudium nicht vielleicht doch zu hoffnungslos darzustellen, möchte ich noch darauf verweisen, dass es auch Stellen für Forscher an außeruniversitären Einrichtungen gibt, z. B. an Museen. Der hier ja allseits bekannte Dr. Bernhard Seifert arbeitet am Senckenberg in Görlitz. Andere Ameisenforscher gibt es bei Senckenberg in Frankfurt/M. und an anderen Museen.
Auf jeden Fall ist es ratsam, zunächst mal in Richtung Lehramt an Gymnasien zu steuern, und sich diese "Weiche" offen zu halten. Und schließlich:
"Unverhofft kommt oft" heißt es so schön. Nicht alles ist vorherseh- und planbar, und vielleicht ändert sich auch an unseren Hochschulen etwas, während Ihr noch im Studium steht! Bis zum Abschluss vergehen einige Jahre, und so lange ist man noch flexibel.
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Re: Forscherlaufbahn an den Universitäten

Beitragvon Krabbeltierfan » Samstag 17. Januar 2015, 18:41

Auf jeden Fall ist es ratsam, zunächst mal in Richtung Lehramt an Gymnasien zu steuern, und sich diese "Weiche" offen zu halten.


Da zuckt hier am Gerät ein Lehramtsstudent zusammen! Wir kennen die Berichte von fachlich guten, didaktisch allerdings oft mager ausgestatteten Hilfslehrern. Ich muss dafür 5 Jahre studieren und zwei Jahre Ref machen, gut das andere Teile der Bevölkerung das quasi nebenbei ausbrüten :mad:

Das klingt böse, ist aber weder für "richtige" LehrerInnen noch für SchülerInnen immer schön, wenn das passiert.

Grüße
Krabbel
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Re: Forscherlaufbahn an den Universitäten

Beitragvon Scarvia Ny-Mand » Sonntag 18. Januar 2015, 09:17

Ein Bekannter ist auch gerade am Umschulen. Physik studiert, Doktorarbeit beendet er gerade und nebenbei hat er jetzt ein Referendariat und wird wohl zum Lehrer umsteigen. Er hat die Daten für die Doktorarbeit alle zusammen, war für die Zeit des Zusammenschreibens jetzt aber nicht mehr an der Uni angestellt und hat also zuletzt nochmal in einer anderen Abteilung an einer anderen Uni gearbeitet. Die Stelle ist jetzt auch ausgelaufen und er hat wohl keine weitere Stelle bekommen, weswegen er sich nach langen Überlegungen für den Umstieg aufs Lehramt entschied.
Ansonsten kann ich dazu nur beitragen, dass unser Chemielehrer in der 10/11 schon immer etwas ruppig rüberkam und wir das auch darauf schoben, dass der Mann eigentlich Diplomchemiker ist. Andererseits hab ich bei dem immer noch mehr verstanden, als ab Klasse 12 (was vermutlich nicht ausschließlich am Lehrer lag, aber - anderes Thema).

Persönlich mache ich mir weniger Sorgen um meine Zukunft. Ich habe Bioinformatik studiert, der Master lief offiziell über Angewandte Informatik mit Spezialisierung auf Bioinf. Damit bin ich nicht nur in Bezug auf die Abteilungen wo es potentiell eine passende Beschäftigung für mich gibt etwas flexibler, auch in der Wirtschaft könnte ich hier und da noch eher mal unterkommen, auch wenn ich wahrscheinlich auf den Bio-Teil meiner Ausbildung verzichten muss. Kann natürlich alles scheitern, aber ich habe doch nochmal ein paar mehr Ausweichmöglichkeiten, die in Frage kämen.
Mein Freund hingegen ist Neurobiologe. Wenn der irgendwann mal "aussteigen" will oder muss, wird es schon komplizierter.
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Re: Forscherlaufbahn an den Universitäten

Beitragvon NIPIAN » Montag 19. Januar 2015, 09:08

Hoi,

in der Medizin ist es dasselbe Bild. Es wird häufig und gerne bemerkt, dass es an Jungforschern fehlt. Wenn man sich dann über die Vergabepraxis von Festanstellungen informiert, bzw. danach sucht - ja, dann kann man sich lange informieren und noch länger suchen. Es gibt mindestens einmal im Jahr eine Umfrage, ob man in die Forschung wolle, oder weshalb man es denn nicht wolle - und das seit mindestens 6 Jahren. Ich bin mir nicht sicher, was das soll, die Ergebnisse sind praktisch immer ident: Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sowie Planbarkeit der finanziellen und örtlichen Gegebenheiten werden gewünscht.
Ein anderer Aspekt ist, dass die gewünschte Mobilität zwar von früher her bekannt ist, man denke nur an den Handwerker, der durch die Gegend zieht und eine Lehrlingsstelle sucht, durch die neuen Medien allerdings revolutioniert wird - und Deutschland in eben jenem Sektor (Breitbandinternet, z.B. Geschwindigkeit [nötig für Datentransfers zwischen Forschungszentren; das geht über 3 simultane HD-Streams zu einem Haushalt weit hinaus]) inzwischen hinter Rumänien und Ungarn zurückgefallen ist. Das Konzept "der Arbeitnehmer hat dem passenden Arbeitsplatz hinterher zu reisen" funzt nicht. Die Arbeitsplätze gehen zu rasch ein und schießen, mit viel Glück im selben Land, aber allzu gerne auf der gegenüberliegenden Seite wie Pilze aus dem Boden. Viel Spaß beim darum Kabbeln!

Nun ja, eine Grunderkenntnis bleibt: in Deutschland wird Forschung seit einigen Jahren progredient an Wirtschaftlichkeit gebunden. Wirtschaftlichkeit lässt sich nur mittels Effizienz messen, nicht anhand der Effektivität. Da das trial and error Prinzip extreme Unwägbarkeiten mit sich bringt, wird durch die Entscheider in der Zuweisung und Verteilung der Gelder das Hauptaugenmerk wohl auf die Effizienz mit Schwerpunkt Kostenwirtschaftlichkeit gelegt. So ist Deutschland. Nicht nur politisch, sondern auch privatwirtschaftlich. Deshalb gibt es die Innovation des Elektroautos auch in anderen Ländern, nicht in der "Autobauernation" Deutschland. Wobei E-Autos deutlich effektiver, nur eben nicht effizient in der Kostenwirtschaftlichkeit innerhalb eines kurzen Zeitintervalls sind - sorry, ich mag Teslamotors einfach :D.
Ist ein wunderschönes Beispiel "Möööh, e-Autos sind scheiße, können keine Energie speichern und bleiben nach 10 Minuten Innenraumheizung auf der Autobahn stehen - und erneuerbaren Energien sind noch viel schlimmer" - Is klar, Deutschland hat im Laufe der letzten Jahre (>10) z.B. praktisch alle Lehrstühle für Elektrochemie stillgelegt. Der Bleiakku schien wohl für Geldverteiler das Non-plus-ultra zu sein. Grandioser Zirkelschluss - da muss man einfach gegen dieses "erneuerbar" sein, ist doch nur logisch ^^.
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Ausschreibung einer Biologen-Stelle Uni Mainz

Beitragvon Merkur » Mittwoch 21. Januar 2015, 18:44

In Mainz ist eine Stelle im Hochschuldienst ausgeschrieben:
http://www.bio.uni-mainz.de/zoo/evobio/ ... eibung.pdf
Die Abteilungsleiterin, Frau Prof. Dr. S. Foitzik, arbeitet viel mit Ameisen, u. a. mit Temnothorax nylanderi.
Die Stelle ist auch international ausgeschrieben.

Ich poste dies hauptsächlich um eine Vorstellung davon zu vermitteln, was auf einer solchen Stelle erwartet wird. :)

Was in einer aktiven Forschungsgruppe so läuft, ist auf dieser Seite zu ergründen:
http://www.bio.uni-mainz.de/zoo/evobio/index.php

MfG,
Merkur
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Re: Forscherlaufbahn an den Universitäten

Beitragvon Scarvia Ny-Mand » Mittwoch 11. Februar 2015, 13:12

Ein weiterer Artikel der Zeit, mit Hinweis auf eine aktuelle Petition.
WISSENSCHAFTLER: Prekariat mit Doktorgrad

Wobei ich
Nun endlich kommt Bewegung in die Sache. Die Onlinepetition einer Initiative junger Politikwissenschaftler, die sich in Anknüpfung an Webers Vortrag "Wissenschaft als Beruf" nennt, hat bereits 4.600 Unterzeichner.
etwas irreführend finde. Das ist bei weitem nicht der erste Petition zu diesem Thema, in Sachen Petitionen ist die "Bewegung" also wirklich nicht neu.
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