Revision der australischen Myrmecia pilosula-Gruppe

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Revision der australischen Myrmecia pilosula-Gruppe

Beitragvon Merkur » Freitag 23. Januar 2015, 10:59

http://www.mapress.com/zootaxa/2015/f/z03911p520f.pdf
(den Link hat Teleutotje im amerikanischen yuku-Forum gepostet; danke!)

Robert W. Taylor (2015): Ants with Attitude: Australian Jack-jumpers of the Myrmecia pilosula species complex, with descriptions of four new species. Zootaxa 3911 (4): 493–520. (Der volle Text mit Bildern ist nur gegen Gebühr zugänglich)

Unter dem Namen Myrmecia pilosula war eine recht verwirrende Gruppe von Bull Ants bekannt, die nun nach Arten aufgegliedert sind. Als „Hüpfer-Ameisen“ sind sie charakterisiert durch ihr Verhalten, potenzielle Feinde anzuspringen und ohne Vorbereitungen zuzustechen, z. B. von Grashalmen aus auf nackte Beine kurz behoster Ameisenforscher im outback Australiens.
Bekannt waren zwei Arten Myrmecia pilosula Fr. Smith 1858 und M. croslandi Taylor 1991; neu benannt und beschrieben werden M. banksi, M. haskinsorum, M. imaii und M. impaternata.

Eine Besonderheit ist M. croslandi, da sie eine von nur zwei Tierarten mit der niedrigstmöglichen Chromosomenzahl von 2n = 2 darstellt (die andere ist ein Fadenwurm). M. croslandi - Männchen haben demnach nur ein einziges Chromosom in jeder Zelle .
Ansonsten variieren die Chromosomenzahlen in der Gruppe ganz enorm.
Myrmecia impaternata
(wörtlich „die vaterlose“) ist allodiploid (n = 5 oder 14; 2n = 19 chromosomen), eine Hybride von M. banksi und einer Form der westlichen Rasse von M. pilosula. Sie pflanzt sich gynogenetisch fort (weibliche Nachkommen haben nur das mütterliche Erbgut), aber die Gyne muss begattet sein, und die Eier werden besamt, jedoch nicht befruchtet!

Taylor weist bereits im Abstract darauf hin, dass die Jack-jumpers übel stechen und dass ihr Stachelgift manchmal tödliche anaphylaktische Schocks bei empfindlichen Menschen hervorrufen kann.

Ein bisschen OT:
In mir weckt die Arbeit eine ganze Reihe von Erinnerungen an meine Zeiten in Australien. Bob Taylor hatte ich 1990 in Canberra besucht: Er ist längst im Ruhestand, aber noch aktiv an der Australian National Insect Collection! Mike Crosland, nach dem M. croslandi benannt ist, hat mich 1987 von Sydney aus ein paar Mal zum Sammeln mitgenommen, bis ich mich in der 3-Millionen-Stadt mit einem Leihwagen in den Linksverkehr gewagt habe. ;) Hirotami Imai aus Japan (M. imaii ist nach ihm benannt) hat uns in Darmstadt besucht, wo er mir und den Teilnehmern eines Praktikums seine Technik der Darstellung von Ameisen-Chromosomen beigebracht hat.

Ja, und die Jack-jumpers haben nach zähen Verhandlungen mein Taschenmesser wieder freigegeben, das ich leichtfertig in ein Nest gesteckt hatte, um ein brauchbares Foto zu schießen. Zuvor waren sie mir immer wieder aufs Objektiv gehüpft, so dass ich nicht zum Zuge kam. Leider haben sie mich so nervös gemacht, dass das Bild dennoch nichts wurde. :(
Auatrsl.JackJump2.jpg
Jack-jumpers attackieren mein Taschenmesser.

MfG,
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Re: Revision der australischen Myrmecia pilosula-Gruppe

Beitragvon Teleutotje » Samstag 24. Januar 2015, 00:51

When I saw that the article got online I was a little bit frustrated because it is behind a pay-barrier. So I looked around to find someone for a copy and did forget to post the reference in this forum. Sorry....

In 1991 Ogata and Taylor got their review and determination-keys of Myrmecia published but the Myrmecia pilosula species complex of the M. pilosula group wasn't reviewed, Taylor was preparing a revision of the group. Around 1994 some new names appeared in the articles from the group in Japan that worked on the chromosomes of these little animals. Now, finally, these animals are officially described and have the names official faces. I think that this is one of the longest times an article was in preparation, 24 years! And that is my frustration!!!

About the title: In 1995 an article about Solenopsis invicta was published that differed in one letter; "Ants with Attitudes."
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Re: Revision der australischen Myrmecia pilosula-Gruppe

Beitragvon Teleutotje » Mittwoch 28. Januar 2015, 13:08

Now, the article is online at AntCat http://antcat.org/documents/6361/taylor ... vision.pdf

For me, THE ant of 2015 will be Myrmecia impaternata Taylor 2015. Why? To say brief what is better explained in the article:

Myrmecia impaternata is a hybrid-originated, allodiploid, sperm-dependent and sperm-parasitic, gynogenetic true biological species with unreduced eggs that reproduces by theletokous parthenogenesis and that has a risky, restrictive parasitic copulatory relationship with males of other sympatric, congeneric and usually closely related allospecific sperm-donor host species (no fertilization of the eggs!).
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Re: Revision der australischen Myrmecia pilosula-Gruppe

Beitragvon Merkur » Mittwoch 28. Januar 2015, 18:15

Im Startpost hatte ich ja schon kurz darauf verwiesen, dass Myrmecia impaternata (“die vaterlose Myrmecia”) eine ungewöhnliche Fortpflanzungsbiologie aufweist.
Der Volltext der Arbeit von Bob Taylor enthält dazu nun einige weitere Einzelheiten.
Ich möchte das etwas näher behandeln, denn die Fachterminologie dazu ist selbst für manchen Biologen schwer zu verstehen:
Myrmecia impaternata is evidentially an allodiploid (n=5 or 14, 2n=19) sperm-dependent gynogenetic hybrid between M. banksi and an element of the eastern race of M. pilosula

Im Abschnitt “Reproductive biology” berichtet Taylor, dass auch intensive Suche in den Nestern von M. impaternata über Jahre und zu allen Jahreszeiten keine Männchen zutage brachte (Ausnahme waren ganze zwei Völker in Canberra).

In einer noch unveröffentlichten Studie von Taylor, Imai und Hasegawa zeigte sich, dass M. impaternata gynogenetisch ist (Weibchen erzeugen nur Weibchen; „Parthenogenese“), und dass die Eier (die keine Reduktionsteilung durchmachen, also diploid bleiben) dennoch Kontakt mit Spermien oder Sperma-Begleitsekret benötigen, um sich zu entwickeln, wobei es jedoch nicht zu einer Befruchtung (Verschmelzung von Ei- und Spermakern) kommt. Es entstehen diploide Gynen und Arbeiterinnen.
Das notwendige Sperma erwerben die Gynen (zum Teil, s.unten) durch Kopulation mit nominell artgleichen Männchen aus impaternata-Nestern. Spermazellen aus den Hoden von solchen Männchen und aus den Receptacula der Gynen waren gleicherweise morphologisch degeneriert und wahrscheinlich nicht befruchtungsfähig. Die Gynen mussten sich also mit solchen Männchen verpaart haben. Ort und Zeit der Paarung sind unbekannt.

(Hier lasse ich ein paar Feinheiten aus, um es nicht allzu kompliziert zu machen!)

Wesentlich ist wieder, dass nach Ansicht von Taylor, Imai und Hasegawa die Spermien in der Regel von M. croslandi stammen, dass M. impaternata- Gynen (selbst Hybride aus M. banksi und M. pilosula!) als Sperma-Parasiten von M. croslandi auftreten.

Am Rande: Es gibt eine Artdefinition, nach der auch eine solche Hybridform mit thelytoker Parthenogenese als biologische Art aufzufassen ist: Sie ist genetisch und historisch einzigartig, pflanzt sich unbegrenzt fort und evolviert unabhängig von anderen Fortpflanzungsgemeinschaften, wobei sie eben von den beiden Stammarten und von sympatrisch lebenden, verwandten Arten genetisch isoliert ist.

Es gibt andere Sperma-abhängige, gynogenetische Tiere, die alle Hybride sind (bei Fischen, Amphibien), bei denen es keine Männchen gibt, und bei denen die Weibchen durch „parasitische Kopulation“, "Kleptogamie“, Sperma von Männchen nahe verwandter Arten bekommen.

Auch bei Ameisen sind derartige Systeme nicht ganz neu. Ich will nur auf zwei Arbeiten hinweisen, in deren Literaturverzeichnissen man auch weitere Veröffentlichungen zum Thema findet:

Gary J. Umphrey 2006. SPERM PARASITISM IN ANTS: SELECTION FOR INTERSPECIFIC MATING AND HYBRIDIZATION. Ecology 87:2148–2159. http://dx.doi.org/10.1890/0012-9658(2006)87[2148:SPIASF]2.0.CO;2
Key words: Acanthomyops, ants, cleptogamy, dispersal polymorphism, hybridization, hybridogenesis, Lasius, mating strategies, mixed ESS, sperm parasitism
Read More: http://www.esajournals.org/doi/abs/10.1 ... -9658(2006)87%5B2148%3ASPIASF%5D2.0.CO%3B2

Anu Sirviö, Pekka Pamilo, Robert A. Johnson, Robert E. Page Jr. Jürgen Gadau. (2010) ORIGIN AND EVOLUTION OF THE DEPENDENT LINEAGES IN THE GENETIC CASTE DETERMINATION SYSTEM OF POGONOMYRMEX ANTS. Evolution, no-no.
Online publication date: 1-Nov-2010.

(Jetzt raucht mir selbst der Kopf! :D )

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Re: Revision der australischen Myrmecia pilosula-Gruppe

Beitragvon Teleutotje » Mittwoch 28. Januar 2015, 23:03

Professor,

The point here is that the sperm isn't needed for hybridization. The queens of M. impaternata needs the sperm of a donor not to fertilize the eggs but to start the development of the eggs. For that, the eggs need contact with sperm-fluid or with the sperm-cells but NO fertilization of the eggs! So to speak is the sperm wasted but some product is in the fluid that stimulates the eggs of the parasite. For the sperm-donor it is like throwing the sperm useless away and can't be used again to copulate with a queen from his own species.

When going through the theoretical works about this kind of parasitism you start to wonder how unstable and dangerous the whole system is for host and/or parasite. Very easily one or both of them can disappear forever....

As far as I can find out this type of sperm-parasitism is unique for ants!
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Re: Revision der australischen Myrmecia pilosula-Gruppe

Beitragvon Teleutotje » Mittwoch 28. Januar 2015, 23:14

And M. impaternata is a hybrid species that survives with this system although it is allodiploid, N = 5 or 14, 2N= 19. Cells with N (normal eggs and sperm) aren't made, only cells with 2N and no fertilization happens. All individuals are the same (not totally but that isn't important here).
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