Vermehrung von Ameisen in der Haltung, Ameisenzucht

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Vermehrung von Ameisen in der Haltung, Ameisenzucht

Beitragvon Merkur » Mittwoch 27. Mai 2015, 15:40

Hier greife ich einen Thread aus dem Ameisenforum auf: „Welche Ameisen kann man zur Vermehrung bringen?“ http://www.ameisenforum.de/topic53759.html

Ob und wie man Ameisen züchten kann, ist ja oft Thema in den diversen Foren. Vieles dazu ist bereits im AWiki zu finden: http://ameisenwiki.de/index.php/Ameisenzucht sowie hier: http://ameisenwiki.de/index.php/Vermehrung

Zu der Diskussion im AF möchte ich hier nur einen Aspekt beitragen, zum Schwarmverhalten von Temnothorax- und Leptothorax-Arten, das dort u. a. angesprochen wurde.

Wie in vielen Ameisengattungen gibt es auch innerhalb dieser beiden Gattungen (sowie ihrer Parasitengattungen) ziemliche Variation, was das "Schwarmverhalten" anbelangt. Manche Arten scheinen weiter zu fliegen, andere machen eher eine Art „ground swarming“, wobei nur wenig und über kurze Strecken geflogen wird. Leptothorax gredleri betreibt sogar stationäres „Locksterzeln“ in Nestnähe. Da lassen sich tatsächlich Gynen auch im Labor verpaaren. Dagegen macht L. acervorum „Gipfelschwärme“, wobei beide Geschlechter höhere „Treffpunkte“ anfliegen, seien es Felsgruppen oder einzelne hohe Bäume.

Zufällig haben wir im Juli 2002 auf dem Monte Baldo (östl. vom Gardasee) das Sexualverhalten von Temnothorax tuberum beobachten können*). Es ist ein „ground swarming“. Allerdings tritt es wohl auch nur bei bestimmten Wetterbedingungen und zu bestimmter Tageszeit auf. (Damals hieß T. tuberum noch Leptothorax (Myrafant) tuberum).
Zu sagen, dass „Temnothorax im Nest kopuliert“, ist auf jeden Fall nicht richtig; man muss schon zwischen den Arten differenzieren.
Ein weiteres Missverständnis, das sich nicht ausräumen lässt, ist die Behauptung, dass die Ameisen Inzucht vermeiden: http://ameisenwiki.de/index.php/Inzucht ... ei_Ameisen
(Und gänzlich vermeiden sollte man den Begriff „Inzest“ für die Verpaarung von Nestgeschwistern. Es ist ein Moralbegriff aus dem menschlichen Miteinander).

*) Buschinger, A., Buschinger, R., 2003: Schwarmverhalten von Leptothorax tuberum (FABRICIUS, 1775) im Freiland (Hymenoptera: Formicidae). Myrmecol. Nachrichten 5, 7-9, 2003
http://myrmecologicalnews.org/cms/index ... ut=default
Bei Bedarf bitte PDF über PN anfordern.

Abstract: Swarming behaviour of Leptothorax tuberum (Fabricius, 1775) in the field. - On July 28, 2002 swarming behaviour of Leptothorax tuberum was observed in a pasture at ca 1350 m a.s.l., at Monte Baldo in Italy. Small groups of 2 - 10 males assembled on top of rock piles ca. 1 - 3 m in diameter and little higher than the surrounding grass. Only males were seen between about 09.30 and 10.30 (Central European Time), with temperatures of ca 20°C and a light breeze, and alternating clouds and sunshine. Sometimes the males engaged in homosexual behaviour. The males tried to mount a female immediately after it was artificially put into a swarm. Squeezed females exposed in a swarm also elicited mounting behaviour of males. Male swarms were seen until ca 14.00, and alate as well as dealate females were found in the afternoon, crawling across rocks or trying to hide in rock crevices.

Aus der “Diskussion”:
Die hier beschriebenen Zufallsbeobachtungen können gewiss nur Hinweise auf den Ablauf des "Schwärmens" bei L. tuberum geben. Umfangreiche Untersuchungen zum Sexualverhalten verschiedener Leptothorax (Myrafant)-Arten liegen vor von Plateaux 1978. Allerdings wurden die Völker im Labor gehalten, so dass Geschlechtstiere zu mehr oder weniger beliebigen Zeiten im Jahresablauf auftraten, und das "Schwärmen“ wurde in geschlossenen Glasbehältern beobachtet. Für L. tuberum wird angegeben, dass das Schwarmverhalten zu einem Zeitpunkt vier Stunden nach Sonnenaufgang bereits endete, und dass Verpaarungen bei 17.0°C bis 17.5°C auftraten. Die Mehrzahl der untersuchten Myrafant-Arten, einschließlich L. tuberum, schwärmt nach diesen Untersuchungen am Vormittag, nur zwei von 13 Arten am Abend.

Ein weiterer Bericht über das Schwärrmen einer europäischen Myrafant-Art findet sich bei Bernard (1957). Die in dieser Arbeit neu beschriebene L. carinthiacus wurde von Schulz (1991) mit L. sordidulus Müller, 1923 synonymisiert, so dass sich die Beobachtung des Schwarmverhaltens auf diese Art bezieht. Bernard (1957) gibt die Beobachtungen von E. Hölze1 in Viktring/Kärnten, 450 m, wieder: An einer besonnten Mauer kamen im August (27.8.1956) Geschlechtstiere aus Ritzen in der Mauer (Spalten in Beton). Paarungen erfolgten zwischen 15:30 und 17:30, an einem warmen und schwülen aber nicht sonnigen Nachmittag. "Man kann nicht von einem Hochzeitsflug sprechen: Die Männchen laufen hier und da, fliegen kurz auf, und ergreifen die vorbei kommenden Weibchen. Sie bleiben zwischen 30 Sekunden und 1 Minute in Verhängung" - Dies entspricht weitgehend unseren Beobachtungen an Temnothorax tuberum, abgesehen von der Tageszeit.

Für die weiterführende Diskussion sowie die Literaturzitate wird auf die Originalarbeit verwiesen:
*) Buschinger, A., Buschinger, R., 2003: Schwarmverhalten von Leptothorax tuberum (FABRICIUS, 1775) im Freiland (Hymenoptera: Formicidae). Myrmecol. Nachrichten 5, 7-9, 2003
http://myrmecologicalnews.org/cms/index ... ut=default
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MfG,
Merkur
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