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Mantispa styriaca

BeitragVerfasst: Freitag 13. Juli 2018, 20:09
von Boro
Mantispa styriaca, den Steirischen Fanghaft, habe ich noch nie vor die Linse bekommen. Er soll ziemlich selten sein, ich habe nicht nachgeschaut, wie die Verhältnisse in D oder CH liegen. Ich habe mehrere Exemplare nebeneinander an der Unterseite eines stehenden Totholzes gefunden und zwar in unmittelbarer Nähe eines Geleges aus hunderten Eiern unbekannter Herkunft, viell. dienen diese als Nahrung. Wenn ein user etwas dazu sagen kann, bitte gleich anschließend antworten.....

Re: Mantispa styriaca

BeitragVerfasst: Samstag 14. Juli 2018, 08:49
von Phillip Alexander
Hallo Boro,

Ich bin auf folgenden Text gestoßen: https://www.zobodat.at/pdf/MittZoolBotJ ... 1-0016.pdf

Dort heißt es unter Anderem: „Im Laufe des Sommers legt das Mantispa-Weibchen eine entsprechend der parasitischen Lebensweise der Larven sehr große Zahl von Eiern (bis 8000 Stück!) an geschützen Stellen alter, brüchiger Bäume ab.“

Ich würde daher stark davon ausgehen, dass die Ansammlung der Tiere dort nicht zufällig war, sondern die Eier von den Fanghaften selbst stammen. Die große Zahl an Eiern passt dabei ebenfalls gut ins Bild. Ich meine sogar, dass auf dem zweiten Foto von dir ein Weibchen bei der Eiablage zu sehen ist (im unteren Bildabschnitt).

Dieses Video zeigt die Kopulation und am Ende auch ein Foto eines Geleges: https://youtu.be/WGuEqyvrFe4

LG, Phillip

P.S. Das sind nur Vermutungen aufgrund der Informationen, die ich auf die Schnelle finden konnte, ich kenne mich mit diesen faszinierenden Insekten nicht aus und habe durch deinen Beitrag das erste Mal von ihnen erfahren, vielen Dank dafür!

Re: Mantispa styriaca

BeitragVerfasst: Samstag 14. Juli 2018, 10:46
von Boro
Danke Phillip Alexander für die Antwort! (das Video ist übrigens toll!!). Ich hab wohl auch daran gedacht, dass es viell. ein eigenes Gelege sein könnte, aber in der Literatur gelesen, dass die Eier gestielt und grün seien. Das hat mich verunsichert. Sollten sich hier tatsächlich mehrere Individuen zusammengefunden und ein gemeinsames (?) Gelege gebildet haben? Wird es u. U. sogar bewacht? Auf dem Baum sind nämlich auffallend viele Formica cunicularia herumgelaufen, obwohl es absolut keine Läuse geben konnte. Das Gelege befindet sich auf der Unterseite eines Stammes in gut 2 m Höhe. Vielleicht bringen wir ein wenig Licht in die Sache!
L.G.

Re: Mantispa styriaca

BeitragVerfasst: Samstag 14. Juli 2018, 10:52
von Phillip Alexander
Ist es dir eventuell möglich, ein kleines Rindenstück mit einigen Eiern abzunehmen und den Schlupf der Larven abzuwarten?

Von den grünen Eiern habe ich auf Wikipedia auch gelesen, allerdings steht dort wenige Sätze zuvor, dass es weltweit über 400 Arten gibt und es ist keine Quelle angegeben für die Beschreibung grüner Eier. Vielleicht bezieht sich diese Info schlichtweg auf eine andere Art, ich glaube nicht dass die Gelege bei allen Arten gleich aussehen. Im Video sind die Eier des Steirischen Fanghafts ja ebenfalls deutlich weiß und ähneln in Form und Anordnung denen auf deinen Fotos.

Ich bin sehr gespannt, was du noch an Beobachtungen mit uns teilen wirst. :)

LG, Phillip

Re: Mantispa styriaca

BeitragVerfasst: Montag 16. Juli 2018, 10:14
von Hoffer
Wenn das kein Zufall ist...!

Samstag Ausflug auf der Hohen Wand (Niederösterreich). Nach dem Mittagessen habe ich dieses seltsame Wesen auf meinem Auto sitzen gehabt. Ich wusste nicht worum es sich handelt, aber jetzt ist es klar!

LG Hoffer.

Re: Mantispa styriaca

BeitragVerfasst: Montag 16. Juli 2018, 11:16
von Moriquendi
Phillip Alexander hat geschrieben:Von den grünen Eiern habe ich auf Wikipedia auch gelesen, allerdings steht dort wenige Sätze zuvor, dass es weltweit über 400 Arten gibt und es ist keine Quelle angegeben für die Beschreibung grüner Eier. Vielleicht bezieht sich diese Info schlichtweg auf eine andere Art, ich glaube nicht dass die Gelege bei allen Arten gleich aussehen. Im Video sind die Eier des Steirischen Fanghafts ja ebenfalls deutlich weiß und ähneln in Form und Anordnung denen auf deinen Fotos.


Bei den Neuroptera, wozu die Mantispa styricaca gehört, werden bei einigen Arten die Eier auf Sekretstielen abgelegt, wie zum Beispiel bei der Florfliege, Chrysopa spp. Ich nehme allerdings nicht an, dass dies bei der gesamten Ordnung der Fall ist, vor allem bei den verschiedenen Lebensweisen, die innerhalb dieser Ordnung vorkommen, vgl. Ameisenlöwe/-jungfer, Schmetterlingshafte, Florfliege usw.

Re: Mantispa styriaca

BeitragVerfasst: Freitag 20. Juli 2018, 13:50
von Boro
Danke für die Meldungen! Gestern war ich wieder vor Ort und konnte nur noch 2 "Bewacher" entdecken. Ob die Tiere ihr Gelege tatsächlich bewachen, wird in der Literatur nicht behandelt - aber die urspüngliche Anwesenheit mehrerer Individuen lässt diese Vermutung zu. Heute vormittag war das Gelege verwaist. Ich bin jetzt sicher, dass es sich um das Gelege der Art handelt, da ein Weibchen bis zu 8000 Eier legen kann. Die Biologie der Art ist ungewöhnlich: Aus den Eiern schlüpfen Larven, die im Freien überwintern und bis zum kommenden Frühjahr (ca. 8 Monate) keine Nahrung zu sich nehmen. Erst dann suchen sie Nester von Wolfsspinnen auf und bohren sich durch deren Eiersack und ernähren sich schließlich von den Jungspinnen. Literatur: https://www.zobodat.at/pdf/MittZoolBotJ ... 1-0016.pdf
Ich hänge noch Fotos vom Gelege an, aber die Qualität ist nicht jene v. Sohn Roman (der leider im Außendienst ist). Die Eier sind winzig, ich finde aber, man erkennt doch, dass sie tatsächlich hängend "gestielt" sind. "Grün" sind sie noch immer nicht, aber sie werden etwas dunkler.

Re: Mantispa styriaca

BeitragVerfasst: Freitag 15. Dezember 2023, 15:27
von Boro
Update zu M. styriaca

„Mantispa styriaca zählt gewiss zu den merkwürdigsten, auffälligsten, allerdings auch seltensten Insekten Österreichs“ (Univ. Prof. Horst Aspöck, 1999).

Nun, so selten ist dieses Insekt nicht mehr! 1964 gab es in Kärnten drei Fundpunkte. 20 Jahre später waren es sechs. Die Art wurde damals nur in Niederösterreich, Burgenland, Steiermark und Kärnten nachgewiesen, also im Osten und Süden Österreichs.
2023 gab es 56 Fundorte, dabei waren einige mit mehrjährigen Sichtungen. Wir arbeiten gerade an einer aktuellen Darstellung dieser Insekten. Die "wundersame" Vermehrung hängt zweifellos mit dem Klimawandel zusammen, aber auch mit besseren Kommunikationsmöglichkeiten betreffend die Meldung von Funden und mit der Tatsache, dass früher Mantispa styriaca nicht selten mit Mantis religiosa verwechselt wurde, da tatsächlich die äußere Ähnlichkeit der beiden nicht verwandten Insekten auffallend ist. Die Art ist thermophil und hat eigentlich eine ponto-mediterrane Verbreitung. Inzwischen gibt es auch Funde im übrigen Mitteleuropa. Hier gibt es offenbar Hotspots, wo an nächtlichen Lichtfallen mehrere Exemplare zufliegen. Die Art ist streng geschützt!
Interessant ist vor allem die Entwicklung des Insekts, es gibt drei Larvenstadien, man spricht von Hypermetamorphose. Im Anhang gibts ein Foto von frisch geschlüpften Erstlarven, die mit Beinen und Fühlern ausgerüstet gut beweglich sind. Sie nehmen durch etwa 8 Monate keine Nahrung zu sich und gehen nach der Überwinterung auf die Suche nach Spinnenkokons.