Naturwissenschaften und wissenschaftliche Argumente

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Naturwissenschaften und wissenschaftliche Argumente

Beitragvon Merkur » Montag 7. September 2015, 16:58

Anlass für diesen Beitrag ist eine Diskussion in diesem Thread, etwa ab 6.September:
viewtopic.php?f=31&t=1068
Ein weiterer Anlass findet sich in Bemerkungen im AF: http://www.ameisenforum.de/topic54300.html (Gelfarmen),
hier: http://www.ameisenforum.de/topic54300.html wo folgendes statement zu lesen ist:
Jeder Mathematik-Student lernt im ersten Semester, dass er nur solche Aussagen in einem Beweis verwenden darf, die vorher bewiesen wurden. Was natürlich auch vollkommen logisch ist, da das Fundament der Mathematik ansonsten schon längst zusammengebrochen wäre. So profiliert sich natürlich der, der einen erfolgreichen Beweis führt, und nicht der, der massenhaft Vermutungen aufstellt, für die er keine Beweise hat. / In der Ameisenhaltung und der Myrmekologie scheint das offensichtlich anders zu sein: Hier wurden die Foren jahrelang - auch von scheinbar seriösen Myrmekologen - mit unbewiesene Vermutungen überschwemmt, die viele Halter als bewiesene Fakten ansehen und verbreiten. Wenn das der Maßstab für seriöse Wissenschaft ist, dann gute Nacht liebe Leute.

Das Thema „Wissenschaft und Ameisenhaltung“ wird in den Foren immer wieder kontrovers angesprochen. Bisher glaubte ich, dass die meisten Teilnehmer unter „Wissenschaft“ dasselbe verstehen: Biowissenschaft, insbesondere Myrmekologie. Nun wurde mir deutlich, dass dem absolut nicht so ist. - Es gibt höchst unterschiedliche Wissenschaften, je nach dem Fachgebiet, womit sie sich befassen!

Obwohl sich die Biologie und die anderen Naturwissenschaften häufig mathematischer Methoden bedienen, gilt die Mathematik nicht als „Naturwissenschaft“:

Mathematik: https://de.wikipedia.org/wiki/Mathematik
Die Mathematik (griechisch μαθηματική τέχνη mathēmatikē téchnē ‚die Kunst des Lernens‘, ‚zum Lernen gehörig‘) ist eine Wissenschaft, welche aus der Untersuchung von geometrischen Figuren und dem Rechnen mit Zahlen entstand. Für Mathematik gibt es keine allgemein anerkannte Definition; heute wird sie üblicherweise als eine Wissenschaft beschrieben, die durch logische Definitionen selbstgeschaffene abstrakte Strukturen mittels der Logik auf ihre Eigenschaften und Muster untersucht.

Im Gegensatz etwa zu den Biowissenschaften ist die Mathematik also ein reines Konstrukt des menschlichen Geistes. Ihr "Handwerkszeug" sind zuvor festgelegte Regeln und Gesetze.

Die uns hier interessierende Biologie dagegen sieht sich der „unendlichen“ Vielfalt lebender Organismen und ihrer physiologischen Leistungen gegenüber, die in Hunderten von Millionen Jahren der Evolution entstanden sind, ganz ohne menschliches Zutun!
https://de.wikipedia.org/wiki/Naturwissenschaft :
Unter dem Begriff Naturwissenschaften werden Wissenschaften zusammengefasst, die empirisch arbeiten und sich mit der Erforschung der Natur befassen. Naturwissenschaftler beobachten, messen und analysieren die Zustände und das Verhalten der Natur durch Methoden, die die Reproduzierbarkeit ihrer Ergebnisse sichern sollen, mit dem Ziel, Regelmäßigkeiten zu erkennen. Neben der Erklärung der Naturphänomene ist eine der wichtigsten Aufgaben der Naturwissenschaft die Natur nutzbar zu machen. Die Naturwissenschaften bilden so z. B. einen Teil der theoretischen Grundlagen für Technik, Medizin oder Umweltschutz…..
Teilgebiete der Naturwissenschaften sind unter anderem Astronomie, Physik, Chemie, Biologie, sowie einige Umweltwissenschaften wie Geologie.

Bereits aus diesen knappen Ausführungen wird deutlich, wie irreführend es wäre, Beurteilungs-Kriterien aus der Mathematik auf eine Naturwissenschaft zu übertragen!

Der eingangs zitierte Abschnitt ist völlig richtig, so weit er die Mathematik-Wissenschaft betrifft.
Der Fehler liegt in dem Satz, wo für biologische Erkenntnisse „Beweise“ in der für die Mathematik notwendigen Form gefordert werden!

Die Mathematik benötigt meines Wissens keine Statistik, um ihre Aussagen „abzusichern“. In der Biologie geht es fast nicht mehr ohne statistische Absicherung: Jeder weiß, dass bei Säugetieren inkl. Menschen gleich viele männliche und weibliche Nachkommen entstehen, ungefähr, nicht mit mathematischer Präzision! Zufall und diverse Einflüsse ergeben ganz unterschiedliche Verteilungen, von Ehen mit je einem Sohn und einer Tochter zu solchen mit 4 Söhnen oder vier Töchtern usw.. –Ich will das nicht weiter ausführen, jeder kennt Beispiele.

Denkt man näher darüber nach, gründen die meisten Aussagen in der Biologie auf Erfahrungswerten aus der Praxis, mit Abweichungen von einem „Regelwert“. Sind deswegen alle biologischen Aussagen und Erkenntnisse zu bezweifeln oder gar zu verwerfen, weil sie den Ansprüchen des Mathematikers an seine Wissenschaft nicht genügen?
Mitnichten: Lange bevor moderne statistische Verfahren zur Verfügung standen haben die Biowissenschaften Ungeheures geleistet, Erkenntnisse geliefert, die Grundlagen auch für die Praxis der Tier- und Pflanzenzucht, der Medizin und vieler anderer Teildisziplinen wurden. Längst nicht alle Erkenntnisse der Biologie sind so zuverlässig abzusichern, wie man das gerne hätte. (Ob eine eingeschleppte Art invasiv wird, wissen wir erst, wenn es zu spät ist, wenn sie nicht mehr zu beseitigen ist. Analogieschlüsse aus vergleichbaren Ereignissen sind sinnvoll und notwendig). Längst nicht alles, was wir über eine Art wissen, trifft für jedes Individuum zu (Niemand kann vorhersagen, ob eine bestimmte Lasius niger-Königin in der Gründung 10 oder 25 Pygmäen aufzieht. Trotzdem wissen wir, dass sich die Zahl wahrscheinlich in diesem Bereich bewegt).

Das Beste: Während die Mathematik sich schon lange quälen muss um noch neue Erkenntnisse in ihrem eng reglementierten Gedankengebäude aufzuspüren, steht die Biologie noch immer vor der Aufgabe, die erwähnte „endlose“ Vielfalt der Organismen zu entdecken, zu beschreiben, ihre Leistungen zu untersuchen, Hypothesen und Theorien über Ursachen und Wirkungen aufzustellen und möglichst experimentell zu prüfen, zu widerlegen oder zu bestätigen. Und jede neue biologische Erkenntnis wirft neue Fragen auf!

Wenn sich jemand als Mathe-Student schon auf das ihm fremde Feld der Biowissenschaften begibt, sollte er doch so fair sein, sich Grundlagen dieser Wissenschaft anzueignen, sich mit biologischen Methoden des Erkenntnisgewinns befassen, bevor er mit arroganten Äußerungen über angeblich unbewiesene „Vermutungen“ die ganze Wissenschaft zu disqualifizieren sucht!

MfG,
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Re: Naturwissenschaften und wissenschaftliche Argumente

Beitragvon LynnLectis » Montag 7. September 2015, 18:31

Merkur hat geschrieben:Das Thema „Wissenschaft und Ameisenhaltung“ wird in den Foren immer wieder kontrovers angesprochen. Bisher glaubte ich, dass die meisten Teilnehmer unter „Wissenschaft“ dasselbe verstehen: Biowissenschaft, insbesondere Myrmekologie. Nun wurde mir deutlich, dass dem absolut nicht so ist. - Es gibt höchst unterschiedliche Wissenschaften, je nach dem Fachgebiet, womit sie sich befassen!


Merkur, diese Problematik kenne ich aus einem IT-Forum, wo sich Einsteiger beschwerten, weil die Open-Source-Software-Entwickler nicht in der Lage waren, die Software ausreichend einfach zu erklären für Laien. Da erklärte einer der Entwickler so in etwa: "Deshalb braucht es eingearbeitete Laien, die Anleitungen für Neulinge schreiben, denn nur sie können sehen, welche Fachsprache den Einsteigern Mühe machen könnte. Denn für uns Entwickler ist die Programmiersprache selbstverständlich. Wir können mögliche Schwierigkeiten nicht erkennen und deshalb auch nicht so einfach Anleitungen für Newcomer schreiben."

So ist das mit Grundlagenwissen und der Methodik von Fachgebieten, ohne diese geht es einfach nicht. Aber wenn jemand Fachperson ist auf einem Gebiet, ist das so ins Blut übergegangen, als müsste das für jeden offensichtlich sein. Aber so ist es eben nicht. ;)

Bedenklich ist es natürlich, wenn Methoden aus jeweiligen Fachgebieten einfach so auf andere Fachbereiche übertragen werden. Da ich über die Jahre eine Menge literaturwissenschaftliche Fachliteratur las, müsste ich demnach jetzt literaturwissenschaftliche Betrachtungsweisen zur Welt der Ameisen einführen. Was da wohl rauskäme? Der Ameisenstaat als literarisches Ideenkonstrukt mit Höhe- und Wendepunkten, womöglich eine Binnengeschichte der Koloniegründung? Das Leitmotiv der Ameisenkommunikation, Kriegsformen und Sklavenhandel in modernen Ameisenstaatsgebilden hinsichtlich der linguistischen Ameisenmorphologie der Wortstämme? :P
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Re: Naturwissenschaften und wissenschaftliche Argumente

Beitragvon FooFighter » Montag 7. September 2015, 19:00

Zu dem von Merkur erwähnten Zitat am Anfang muss ich doch mal meinen Senf geben.

Jeder Mathematik-Student lernt im ersten Semester, dass er nur solche Aussagen in einem Beweis verwenden darf, die vorher bewiesen wurden. Was natürlich auch vollkommen logisch ist, da das Fundament der Mathematik ansonsten schon längst zusammengebrochen wäre. So profiliert sich natürlich der, der einen erfolgreichen Beweis führt, und nicht der, der massenhaft Vermutungen aufstellt, für die er keine Beweise hat. / In der Ameisenhaltung und der Myrmekologie scheint das offensichtlich anders zu sein: Hier wurden die Foren jahrelang - auch von scheinbar seriösen Myrmekologen - mit unbewiesene Vermutungen überschwemmt, die viele Halter als bewiesene Fakten ansehen und verbreiten. Wenn das der Maßstab für seriöse Wissenschaft ist, dann gute Nacht liebe Leute.


Die Grundlagen ("das Fundament") der Mathematik sind eben keine "Beweise,die vorher bewiesen wurden". Die Grundlage der Mathematik sind Axiome. Axiome haben die Eigenschaft sich nicht beweisen zu lassen. Das lernt man auch nicht als Student sondern in der Oberstufe. So wie der Satz formuliert ist, ist er also nicht nur nicht richtig. Bei der Arroganz, die diesem Zitat mitschwingt ist es einfach nur FALSCH. Den Maßstab seriöser Wissenschaft sollte der Verfasser sich am besten mal selbst angedeihen lassen. Wie viel von dem was man heute an "Wissen" gewinnt ist mathematisch beweisbar ? Selbst im theoretischen Maschinenbau ist das meiste Empirie.

Der Verfasser dieses Zitats wirft hier zudem Empirismus (wie schon von Merkur erwähnt) und Rationalismus komplett durcheinander.
Um das Beispiel mit der invasiven Art aufzugreifen: Die Vermutung ob eine Art invasiv ist könnte man natürlich beweisen indem man unzählige Königinnen in ein, der Art fremdes Gebiet einbringt. Die Frage ist nur ob der Biologe (im Vgl. zum Mathematiker) nicht durch Empirismus (Erfahrungen sammeln) schon vorher zu einem Schluss kommt und man sich dererlei riskante Beweise sparen kann. Die Erfahrung resultiert hier z.B. aus dem Vergleich mit anderen Arten, die schon invasiv sind. Falls das kein Beispiel von Empirie ist, dann bitte ich darum mich zu verbessern.

Wenn sich jemand als Mathe-Student schon auf das ihm fremde Feld der Biowissenschaften begibt, sollte er doch so fair sein, sich Grundlagen dieser Wissenschaft anzueignen, sich mit biologischen Methoden des Erkenntnisgewinns befassen, bevor er mit arroganten Äußerungen über angeblich unbewiesene „Vermutungen“ die ganze Wissenschaft zu disqualifizieren sucht!


Leider, leider kann ich hier nur voll zustimmen und das obwohl ich kein Biologe bin. Das Zitat degradiert die komplette Physik, Chemie, Biologie und auch viele Geisteswissenschaften wie BWL und VWL zu so etwas wie Esoterik. Auch bezweifele ich, dass dieses Zitat von einem Mathestudenten stammt. Ich stelle jetzt einfach mal die Theorie auf, dass das jemand gesagt/geschrieben hat der Mathematik allerhöchstens bis zur Oberstufe beherrscht. Ich bin offen gegnüber jeglicher Art von Beweis :)

LG

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Re: Naturwissenschaften und wissenschaftliche Argumente

Beitragvon Anon » Montag 7. September 2015, 19:46

FooFighter hat geschrieben:Auch bezweifele ich, dass dieses Zitat von einem Mathestudenten stammt. Ich stelle jetzt einfach mal die Theorie auf, dass das jemand gesagt/geschrieben hat der Mathematik allerhöchstens bis zur Oberstufe beherrscht. Ich bin offen gegnüber jeglicher Art von Beweis :)


Hier: http://eusozial.de/viewtopic.php?f=80&t=3597

und dann noch hier: http://www.ameisenforum.de/gelfarmen-ei ... ml#p383069

Bin gespannt auf die (hoffentlich) weiter erfolgende Diskussion in diesem Thread!
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Zuletzt geändert von Anon am Montag 7. September 2015, 20:43, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Naturwissenschaften und wissenschaftliche Argumente

Beitragvon LynnLectis » Montag 7. September 2015, 20:31

Ich würde ja eher behaupten, dass die Königin der Wissenschaften (wenn es denn eine solche überhaupt gibt) immer noch die Gehirnforschung darstellt. Dort steht und fällt jede Mathematik und auch jede empirische Erkenntnis. Denn wenn das Gehirn sich ständig selbst erfindet und in Konstrukten projiziert, kommt es sehr darauf an, wie es das tut, auch in den Köpfen von Wissenschaftlern. Die Matrix des Gehirns, ein spannendes Thema, übrigens auch in der Rechtsphilosophie, wenn es z. B. um die Willensfreiheit des Menschen geht. ;)
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Re: Naturwissenschaften und wissenschaftliche Argumente

Beitragvon LynnLectis » Montag 7. September 2015, 21:23

FooFighter hat geschrieben: Die Grundlage der Mathematik sind Axiome. Axiome haben die Eigenschaft sich nicht beweisen zu lassen.


Ich kann mich noch gut erinnern, wie unser Mathe-Lehrer uns die Axiome erklärte (ich war etwa 12-jährig). Dabei geriet er selbst ins Staunen, warum viele diese Axiome einfach so akzeptieren, obwohl sie nicht bewiesen sind, und erzählte uns auf einmal etwas über die Definition des Lebens, dass sogar das nicht klar abgegrenzt sei. Diese Stunde war wirklich spannend. Das würde meiner Ansicht nach gut hierher passen. Schließlich sind wir in einem biologisch orientierten Forum. :)
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Re: Naturwissenschaften und wissenschaftliche Argumente

Beitragvon Merkur » Dienstag 8. September 2015, 17:17

Als Echo auf diesen Thread wurde im eusozial ein Thread „Philosophie, Mathematik und die Naturwissenschaften“ gestartet:
http://eusozial.de/viewtopic.php?f=80&t=3597
Ich habe nicht die Absicht, auf die Ausführungen in jenem Thread näher einzugehen.
Doch in einem OT-Beitrag stehen Behauptungen, als "FAKTEN" bezeichnet, die nicht haltbar sind:
http://eusozial.de/viewtopic.php?f=80&t ... 886#p35878
Zu diesem-Beitrag von "Barristan" halte ich eine Klarstellung für unabdingbar.
Sein Text:
Ich will daher gezielt auf unser seit Jahren so lieb gewonnenes Thema Exotenhaltung/-handel kommen (Was ja letztlich mal wieder der Auslöser für das ganze war
Was sind denn also die Fakten?
• Es gibt invasive Ameisenarten
• Es gibt Parasiten und Krankheitserreger, die Ameisen befallen können
• Es besteht also die Möglichkeit, dass eine Ameisenart invasiv wird, die noch nicht invasiv ist
• Es besteht auch die Möglichkeit, dass eine Ameisenart Parasiten und Krankheiten auf eine einheimische Art überträgt und so möglicherweise einen neue Krankheitserreger hierher verschleppt.

Auch Fakten sind aber:
a Lediglich 0,29 % aller bekannten Ameisenarten sind invasiv (100 von 10211)
b Keine einzige der derzeit invasiven Ameisenarten wurden durch den Ameisenhandel eingeschleppt
c Es gibt keine einzige Krankheit oder Parasit, der Ameisen befällt, welcher gebietsfremd aktiv ist.
d Alle oben genannten Fakten betreffen auch andere Tiere und vor allem Pflanzen.

Die erste Liste ist zutreffend. Die zweite Liste von angeblichen „Fakten“ ist leider falsch.

a) Kein „Fakt“! -. Herr Weggel hätte Recht, wenn alle diese Arten in gleicher Häufigkeit an alle für ihre Ansiedlung geeigneten Orte mit Handelswaren gelangen würden. Dies ist offenkundig nicht der Fall, ja faktisch unmöglich, und somit ist das Argument IRREFÜHREND! Von den vielleicht 300 Arten weltweit, die regelmäßig mit Fracht tatsächlich verschleppt werden, ist der Anteil der invasiv gewordenen dann doch erheblich größer. Der Ameisenhandel verteilt zudem Arten, die von Natur aus niemals in Sendungen von Handelswaren gelangen können. Nebenbei: Es sind inzwischen über 12.500 Ameisenarten beschrieben.

b) Kein „Fakt“! - Es ist aus der Literatur zu entnehmen, dass viele der invasiv gewordenen Arten (nicht nur Ameisen) erst nach mehreren Jahren bis Jahrzehnten „auffällig“ wurden. Niemand kann beurteilen, welche weiteren Arten noch in der „Anlaufphase“ stecken: Massiver Ameisenhandel zu Haltungszwecken, mit steig wachsender Tendenz, ist noch sehr jung im Vergleich zu den Zeiträumen (Jahrhunderte!), über die unerwünschte Organismen mit Handelswaren verschleppt wurden.

c) Kein Fakt! - Ist eine Behauptung, für die Herr Weggel keinerlei Beweise oder auch nur Hinweise vorlegen kann. Wir haben bewiesen, dass exotische Parasiten auf europäische Ameisenarten übertragen werden können. Eine flächendeckende Überwachung auch nur der in D heimischen Ameisenarten auf neuartige Erreger und Parasiten ist nicht möglich; dafür fehlt es an Fachleuten und an finanzkräftigen Interessenten. Noch nicht einmal alle in D heimischen Erreger sind bisher entdeckt. Wie kann man da von „Fakt“ reden?

d) Kein Fakt! – Eine Behauptung, die jeder Grundlage entbehrt. Zahlreiche Neozoen und Neophyten sind bekannt. Die Neophyten und Neozoen wurden durch den Handel mit diesen Organismen eingeschleppt, selten als zufällige Beiladung. „Neue“ Krankheitserreger und Schädlinge auch an althergebrachten Nutzpflanzen gibt es leider viel zu viele, und jährlich kommen neue hinzu! Leider werden solche früher entdeckt als etwa kranke Ameisen, da Schäden an Pflanzen einfach auffälliger sind.

Wie es dazu kommt, dass Herr Weggel seine vier Behauptungen als „Fakten“ bezeichnet, ist mir nicht erklärlich.

Die Folgerungen des Herrn Weggel aus seinen behaupteten "Fakten" und die weitere Diskussion dazu möge jeder selbst nachlesen.

MfG,
Merkur
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Re: Naturwissenschaften und wissenschaftliche Argumente

Beitragvon Teleutotje » Dienstag 8. September 2015, 21:44

Professor,

They react again on the other forum on your reaction. But I only give a small reaction on two (three) of the points they make.

According to your "friend" there are not 100 but only 30 invasive species... Wrong. The world is divided in two hemispheres and in seven bioregions. The last review of invasive species I saw is from 2015 and lists the invasive species that not only got settled in another bioregion but in a bioregion in the other hemisphere. That list alone incorporates 62 species... Now they are going to review invasive species that stay in their own hemisphere... Here is the link: http://www.antdiversityindia.com/yahoo_ ... 213657.pdf

(No introduction by ant-commerce: Part of the Fire ant introductions are by ant-traffic...)

Diseases and parasites: Simply: Let them look up the recent literature on parasites and diseases of Fire ants...
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Re: Naturwissenschaften und wissenschaftliche Argumente

Beitragvon LynnLectis » Samstag 12. September 2015, 13:31

Da ich das Thema an sich sehr interessant finde, hier noch ein paar Gedanken meinerseits dazu:

Ich finde es zu einseitig, wenn sich Mathematiker und Naturwissenschaftler in die Haare kriegen aufgrund der unterschiedlichen Methodik, Rationalismus versus Empirie. Jede Wissenschaft hat ihre Berechtigung, solange sie in ihrem eigenen Bereich bleibt und nicht fremdbestimmt auf andere wissenschaftliche Fächer mit anderem methodischem Ansatz fehlinterpretiert wird.

Ich hatte auch schon Kontakt zu ausgebildeten Philosophen, kann also durchaus abstraktere Herangehensweisen nachvollziehen und liebe solche philosophischen Fragestellungen, durchaus verknüpft mit mathematischen Bezügen und Strukturanalysen, doch der naturwissenschaftliche Zugang ist nun mal empirisch, was ich gut trennen kann, ebenso wie ich z. B. Religion auch nicht mit Naturwissenschaft vermische. Für mich gehört neben der materialistischen Manifestation des Lebens ebenso die spirituelle Seite dazu, damit es für mich vollständig ist. Das wäre jedoch meine philosophische Sichtweise dazu, die ich nicht mit der naturwissenschaftlichen Betrachtung vermische.

Philosophisch betrachtet sehe ich es so: Ich würde sagen, dass viele Menschen womöglich intuitiv spüren, dass da mehr ist hinter der materiellen Welt bzw. es eine metaphysische Welt geben könnte, wo die materielle Welt nur ein Aspekt davon ist. Was wissen wir eigentlich? Was können wir ausschließen? Der Mensch nimmt letztlich subjektiv wahr, ist ebenso neurologischen Prozessen unterworfen. Und doch lässt er sich nicht wirklich auf Hirnmasse reduzieren, spürt da einfach mehr, Intuition, etwas, was darüber hinaus zu bestehen scheint, Seele, wie er es auch benennen mag. Und genau diese offenen Fragen machen das Leben für mich so multidimensional und spannend.

Deshalb interessiere ich mich auch sehr für Astrophysik und Astronomie, ebenso für Gehirnforschung, Psychologie und Philosophie, wo genau diese Grenzen des menschlichen Seins ausgelotet und erweitert werden nach den letzten Fragen der Menschheit. Ohne empirische Forschung bleibt es jedoch unvollständig, denn in der Theorie lässt sich noch vieles einzirkeln, was in der Empirie dann nicht so einfach nachweisbar und schlüssig wird. Da öffnet sich ein immenser Graben, deshalb finde ich den Dialog zwischen den einzelnen Wissenschaftsbereichen sehr fruchtbar, doch kann das nur auf einer metawissenschaftlichen Ebene stattfinden und nicht durch den Eingriff in den jeweils anderen Wissenschaftsbereich, gerade wegen der unterschiedlichen Methodologie. Dialog ja, Vermischung nein.
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Re: Naturwissenschaften und wissenschaftliche Argumente

Beitragvon FooFighter » Samstag 12. September 2015, 16:47

Jede Wissenschaft hat ihre Berechtigung, solange sie in ihrem eigenen Bereich bleibt und nicht fremdbestimmt auf andere wissenschaftliche Fächer mit anderem methodischem Ansatz fehlinterpretiert wird.


Die Mathematik kann wohl schlecht nur in ihrem eigenen Bereich bleiben, dass würde sie vollkommen nutzlos machen. Sie ist eher ein sehr nützliches Werkzeug für andere Geistes- und Naturwissenschaften. Mathematik ist unverzichtbar wenn es darum geht empirische Daten zu beschreiben und zu analysieren. Rationalismus vs. Empirie gibt es daher für mich nicht. Der Apfel interessiert sich nicht für Mathematik, er fällt trotzdem zu Boden. Allerdings wäre die Relativitätstheorie ohne die Hilfestellung der Mathematik wohl nie so beschrieben worden. Denn wo können wir auf der Erde schon Objekte beobachten die sich auch nur annähernd mit Lichtgeschwindigkeit bewegen und woher sollen dann empirische Erkenntisse stammen ?
Die Quantenmechanik ist das Teilgebiet der Physik was jetzt schon am besten die Realität abbildet (Zitat Physik-Prof) und das indem man die wenigsten empirischen Erkenntnisse hat. Ein Randgebiet ist die Quantenmechanik auch nicht, beschreibt sie doch das aus dem wir alle bestehen: Materie.

Von daher würde ich allgemein vom Ausdruck
Dialog ja. Vermischung nein
Abstand nehmen.


LG

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Re: Naturwissenschaften und wissenschaftliche Argumente

Beitragvon LynnLectis » Samstag 12. September 2015, 17:13

FooFighter hat geschrieben:Die Mathematik kann wohl schlecht nur in ihrem eigenen Bereich bleiben, dass würde sie vollkommen nutzlos machen. Sie ist eher ein sehr nützliches Werkzeug für andere Geistes- und Naturwissenschaften. Mathematik ist unverzichtbar wenn es darum geht empirische Daten zu beschreiben und zu analysieren.


Ja, als Werkzeug für andere Wissenschaften ist die Mathematik sicherlich nützlich (wie z. B. auch IT-Programme), aber sie muss sich in den Kontext der jeweiligen Wissenschaft importieren lassen, um empirische Daten zu sammeln und auszuwerten. Keinesfalls kann sie fremdbestimmte Methoden in die jeweils geltende Methodologie der jeweiligen Naturwissenschaft einführen. Diese ist deshalb aus meiner Sicht zu trennen. Ein Mathematiker kann unmöglich ein Naturwissenschaftler sein und umgekehrt. Beide Wissenschaftszweige bedienen sich lediglich der Werkzeuge des jeweils anderen. Das ist ja auch der Sinn aller Wissenschaften: Sich gegenseitig zu stützen, so ähnlich wie z. B. ein Rechtsmediziner behilflich ist im Rechtswesen, ohne deshalb Jurist zu sein. Ebenso wenig wird ein Staatsanwalt je ein psychiatrischer Gutachter sein, auch wenn seine Verhandlungen oftmals auf solchen Gutachten abgestützt sind vor Gericht. Das nur so als Beispiele. Getrennt heißt nicht, dass es keine Zusammenarbeit gibt, aber jeder kann nur für denjenigen Bereich sprechen, den er gelernt hat.
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Re: Naturwissenschaften und wissenschaftliche Argumente

Beitragvon NIPIAN » Sonntag 13. September 2015, 10:10

Hoi,

Mathematik steckt grundsätzlich in allem, ja, denn man kann die verschiedenen Werkzeuge der Mathematik entsprechend der Grundvoraussetzungen der Fragestellung heraussuchen - der Erkenntnisgewinn erfolgt allerdings je nach Komplexität des Systems. So wird beispielsweise in der Biologie, wie auch in der Medizin, grundsätzlich davon ausgegangen, dass die betrachteten Fragestellungen von sehr vielen Unbekannten beeinflusst werden, demnach die zu untersuchenden, oder bisher bekannten Variablen nicht (zwingend) alleinbestimmend sind -> "Datensammelwut". Man kann also auf diese nicht generell mit dem Finger deuten und sagen "Du bist... schuld/der Auslöser/der heilige Gral/der Darwin". Deshalb rechnet man mit einer Wahrscheinlichkeit, dass die Fragestellung korrekt beantwortet ist. Die Mathematik ist somit Mittel zum Zweck, um eine Hypothese zu stärken und irgendwann in die Theorie überzuführen (Stichwörter: Deduktion, Induktion). Dass die Mathematik hierfür herangezogen werden kann, ist durch ihre Basis, ihre Axiome, gewährleistet.

Jetzt sollten wir wieder beim Ausgangsbeitrag sein^^.

Thanks to Teleutotje for the paper!
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Wissen ist Macht und Macht ist Kraft und Kraft ist Energie und Energie ist Materie und Materie ist Masse und deshalb krümmen große Ansammlungen von Wissen Raum und Zeit (Die Gelehrten der Scheibenwelt - Pratchett/Stewart/Cohen)
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