Der Luchs und der Wilderer - In Deutschland

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Der Luchs und der Wilderer - In Deutschland

Beitragvon Icon » Mittwoch 28. Oktober 2015, 18:35

Der Eurasische Luchs (Lynx lynx) wurde im 19. Jahrhundert in Deutschland ausgerottet.
Im Harz wurden im letzten Jahrzehnt Luchse ausgewildert, die mittlerweile wieder eine gesunde und expandierende Population darstellen.
Ganz im Gegensatz dazu sind in den letzten Jahrzehnten vermehrt Tschechische "Abtrünnige" Luchse über die Deutsche Grenze nach Bayern eingewandert.
Dadurch konnte sich auch im Bayerischen Wald eine von Naturschützern und Forschern beobachtete Population aufbauen.
Was in den letzten Jahren vermehrt auffiel, ist die Stagnation der dortigen Population.
Während die Harzer Population trotz einiger geografischer Hürden (bsp. stark befahrener Autobahnen) Jahr für Jahr expandiert, stagniert die Bayerische Polulation auf einem beinahe vernachlässigbaren Niveau.

Seit 2012 sind im Bayerischen Wald alleine neun Tiere aus dem direkten Monitoring verschwunden. (GPS-Halsband, oder engmaschige Beobachtung durch Fotofallen)
Weiterhin sind mehrere Kadaver aufgetaucht, darunter vergiftete und erschossene (zeitgleich trächtige) Individuen.

Während die Population im Harz expandiert gibt es im Bayerischen Wald ein Massensterben.
Marco Heurich, Jörg Müller sowie Sybille und Manfred Wölfl (letzteren wurden überdies dieses Jahr zwei Luchskadaver quasi "vor die Haustür" drapiert) belegten, dass die unnormal hohe Mortalität der Luche im Bayerischen Wald keinesfalls natürlichen Ursprungs ist.

Besonders zu erwähnen ist der Umstand, dass es im Bayerischen Wald eine festgesetzte und seit Jahren unveränderte Abschussquote für Wild gibt.
In meinen Augen ein politisches Versagen.
Jäger warnten bereits vor Jahren, dass diese unflexiblen Abschussquoten der Wiederansiedlung von Wildtieren wie Luchs, Wolf und Bär Probleme bereiten könnten.
Nun sieht man sich mit Verhältnissen des 19. Jahrhunderts konfrontiert.
Für die Jäger dieser Region ist die Einhaltung der vom Forst vorgeschriebenen Abschussquoten von Reh & Co die finanzielle Einkommensgrundlage.
Dass sich ein Konflikt zwischen Mensch und Tier anbahnt war also bereits Jahre im Voraus festzustellen.
Während im Harz Jägerverbände gemeinsam mit Naturschutzorganisationen und Politik die Wiederansiedlung des Luchses mitfinanziert haben um dem wuchernden Wildbestand im Forst Herr zu werden, fuhr man im Bayerischen Wald die Karren verschiedener Interessensgruppen durch politisches Desinteresse und ungeschickter Handlungen gegeneinander auf.

Hier ein paar Artikel zum Thema
http://www.welt.de/vermischtes/article1 ... -Wald.html
http://www.sueddeutsche.de/bayern/bayer ... -1.2494055
https://www.tum.de/die-tum/aktuelles/pr ... cle/31749/
http://www.augsburger-allgemeine.de/bay ... 78917.html
http://www.focus.de/wissen/natur/tiere- ... 20255.html

Die Berichterstattung ist zwar sehr umfangreich, das Echo bisher jedoch sehr gering.

Es würde mich ungemein freuen wenn dieser Misstand gewichtigere Präsenz finden würde, damit dieses vermeidbare Chaos im Bayerischen Wald endlich ein Ende finden kann.
Andere Regionen zeigen wie es gehen kann.
Sei es der Luchs oder der Wolf.

Liebe Grüße
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Re: Der Luchs und der Wilderer - In Deutschland

Beitragvon Reber » Donnerstag 29. Oktober 2015, 00:31

Hallo Icon,

Danke für den Input! Leider habe ich nur wenig Zeit im Moment, trotzdem ein kurzer Hinweis aus dem Süden: Bei uns in der Schweiz gibt es eine ähnliche Situation, dennoch ist sie nicht ganz vergleichbar. Auch hier gibt es nebst einer Lobby von Naturschützern, welche sich für die Wiederansiedlung einsetzt, auch jene der "Grossraubtiergegner". Letztere wissen sich in gewissen Kantonen (ähnlich wie gewisse Bayern) mit allen Mitteln "zu helfen". Insgesamt kann man aber trotzdem eine durchaus positive Bilanz ziehen:

Der Luchs wurde vor fast 40 Jahren wieder angesiedelt. Seither konnte sich eine stabile Population etablieren.

Der Wolf ist wieder auf dem Vormarsch und es gibt erste kleine Rudel in der Süd- und Ostschweiz.

Nur dem Bären will die Wiederansiedlung nicht so recht gelingen. Aber seit 10 Jahren ist Meister Petz im Graubünden immer wieder zu Gast.

http://www.kora.ch/

P.S.

Einst fast ausgerotteten Tieren, wie dem Bieber, kann man inzwischen mitten in der Stadt Bern wieder begegnen!
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Re: Der Luchs und der Wilderer - In Deutschland

Beitragvon Trailandstreet » Donnerstag 29. Oktober 2015, 09:27

Weil es grad zum Thema "Wiederansiedlung heimischer (natürlicher) Jäger" passt, hier noch ein Beitrag von Quarks&Co mit ein paar doch recht duetlichen Fakten, auch wenn es manchmal ganz anders gesehen wird.
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Re: Der Luchs und der Wilderer - In Deutschland

Beitragvon Merkur » Donnerstag 29. Oktober 2015, 09:50

Abschuss überzähliger Biber als Option wird in dem Beitrag http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/biber-vom-geschuetzten-nager-zum-buhmann/story/12000752 ja bereits genannt. Bei aller Problematik der Jagd, die immer wieder auf den Tisch kommt, muss ich aus eigenen Erfahrungen sagen, dass eine verantwortungsbewusste Bejagung wohl doch die effektivste und wirtschaftlichste Methode sein dürfte.

Ich bin selbst kein Jäger. Aber ich bin viel herumgekommen, in verschiedenen Ländern: Wenn man gelegentlich auf Wanderungen o. dgl. mal Wildtiere sehen möchte, hat man in Ländern mit einem guten Jagdgesetz die größten Chancen, z. B. in Deutschland (mal abgesehen von großen Nationalparks wie in Nordamerika oder in Afrika, wo man aber auch regulierend eingreifen muss!). Richtig „bewirtschaftet“ richten Wildtierpopulationen Schäden an, die toleriert werden können (bei finanziellem Ausgleich für die Geschädigten).
Gewiss gibt es Ausnahmen, etwa Revierinhaber, die zu hohe Wilddichten fördern, aber das lässt sich anders regeln als durch ein totales Freihalten der Region von potenziell „schädlichen“ Wildtieren wie dem Biber. Anzustreben ist ein gesunder Mittelweg, ohne ins eine oder andere Extrem zu verfallen. Meine Meinung. ;)
MfG,
Merkur
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Re: Der Luchs und der Wilderer - In Deutschland

Beitragvon FooFighter » Donnerstag 29. Oktober 2015, 10:28

Ich glaube nicht das unflexible Abschussquoten ein Problem für den Luchs darstellen. Die Hauptnahrung des Luchs besteht doch aus Reh. Rehe sind sehr schwer zählbar, ein Experiment von 1953 auf der Halinsel Kalø (meines Wissens heißt sie heute Djursland) hat gezeigt, dass man statt durch Zählung erwarteter 7 Stück Rehwild auf 100ha nach einem Totalabschuss auf eine tatsächliche Anzahl von 21,3 Stück Rehwild auf 100 ha kam. Laut der Aussage eines Berufsjägers mit 20 Jahren Erfahrung, den ich auf meinem Weg zur Jägerprüfung kennenlernen durfte, ist es nur mit großem Aufwand möglich den Bestand an Rehwild drastisch zu reduzieren.

Das Problem was der Luchs in Bayern hat sind wohl ein paar sehr hinterwäldlerische Jäger, die um ihre Strecke fürchten. Dieselben Personen schießen wahrscheinlich auch Habichte um den Bestand von Hasen zu steigern :crazy:. Es fehlt es einfach an Informationen bzw. dem Vermitteln der Informationen.
Hier ein Beispiel aus Rheinland-Pfalz, samt meinem Meinung nach tollem Informationsmaterial vom Landesjagdverband Rheinland-Pfalz. Lesenswert ist vor allem die Broschüre. Das Projekt umfasst die Wiederansiedlung des Luchs im Pfälzer Wald. Das Projekt startet diesen Winter, in alle Schritte sind die Jäger eingebunden und zudem ist ein "Monitoring" geplant welches die konkreten Auswirkungen auf den Schalenwildbestand aufzeigen soll. Wie ich finde ein tolles und vor allem auf Nachhaltigkeit ausgelegtes Projekt.

Ich finde es zudem sehr erfreulich, dass der Luchs sich im Harz so gut entwickelt hat. Im September gab es in Eichsfeld (Nord-Thüringen) eine außergewöhnlichen Wurf von 5 Jungtieren (normal sind 2-3), die anscheinend bis jetzt alle überlebt haben. Hier der Bericht des MDR: http://www.mdr.de/thueringen/nord-thueringen/luchs-geburt-fuenflinge100.html. Das macht Hoffnung, dass die Wiederansiedlung im Pfälzer-Wald auch erfolgreich verlaufen könnte.

liebe Grüße

FooFighter
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