Wetterextreme und ihre Folgen

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Wetterextreme und ihre Folgen

Beitragvon Boro » Samstag 11. November 2023, 11:18

Wetterextreme und ihre Folgen

Das Jahr 2023 ist ein Jahr der Katastrophen, vor allem südlich des Alpenhauptkammes (Kärnten): Spätfröste im Frühling, wechselhafte Periode im Voll- und Spätfrühling, massive Niederschläge Ende Juli bis in die erste Augustwoche mit Hagel, verbreiteten Überschwemmungen, Hangrutschungen, Sturmschäden an Häusern, Wäldern. Diese Witterungsphase ist hier ungewöhnlich, weil wir im Sommer in der Regel auch am Rand des Azorenhochs vom Mittelmeerraum teilhaben. Schöne Wochen gab es im September bis Mitte Oktober. Dann begann die zweite wochenlange Niederschlagsphase; diese ist an sich nicht ungewöhnlich, weil wir diesmal vom herbstlichen Niederschlag des Mittelmeerbereichs betroffen sind, dort gibt es ein Herbst-/Wintermaximum des Niederschlages. Wieder Überschwemmungen, der Boden kann keine Feuchtigkeit mehr aufnehmen, das Wasser steht auf vielen Wiesen, der hohe Versiegelungsgrad hat sich ausgewirkt; sogar im Wald kann man keinen Weg ohne Stiefel bewältigen. Vorige Woche waren wir von 3 Mittelmeertiefs betroffen, die auch in Norditalien (Toskana, Friaul) sowie Slowenien teilweise verheerende Auswirkungen zeigten. Für dieses Wochenende war das nächste Italientief angesagt.
Nun, welche Folgen hat das bisher in der Natur und Wirtschaft (vor allem in Kärnten)?
So gut wie kein Blütenhonig in Kärnten, nicht nur für die Honigbiene, auch für andere Blütenbesucher ist das Frühjahr schlecht ausgegangen.
2. Trockenresistente Pflanzen kamen teilweise nicht zur Blüte, die Knospen und Blütenstände sind oft verschimmelt (z. B. Sedum-Arten im Garten).
2. Starke Einbußen beim Obstbau: Kein Steinobst, sehr wenig Kernobst, 80% weniger Weinernte, Einbußen beim Getreideanbau.
3. Defizite im Sommer-Fremdenverkehr.
4. Insekten: Wespen (Vespula spp.) blieben eine Seltenheit, ebenso Hornissen. Ich vermute, dass alle Erdnester der sonst häufigen V. vulgaris u. V. germanica vernichtet wurden, ebenso Freilandnester von V. media. Für die Hornisse blieb zu wenig Zeit für den Flugbetrieb und Nahrungserwerb. Die Nester der Feldwespen (Polistes spp.), die im Freien angelegt werden (z. B. Polistes nimpha, P., biglumis etc.) wurden weitgehend vernichtet (eigene Beob.).
Es stellt sich generell die Frage, welche Folgen stets nasse Böden bzw. Überschwemmungen für bodenbewohnende Insekten bzw. deren Entwicklungsstadien haben? Es gibt wenige überflutungstolerante Ameisenarten, die nachweislich kurzfristige Überflutungen in Luftblasen überleben können, aber bei tagelangen Überschwemmungen? Im Sommer sind mir bereits verschimmelte Puppen bei zwei Serviformica-Arten aufgefallen. Wie sind die Folgen bei anderen bodenbewohnenden Insekten, wie kommen etwa Käfer im nassen Boden zurecht? Ich rechne mit hohen Verlusten, die sich aber erst im kommenden Jahr zeigen werden. Bei Diskussionen im Naturwiss. Verein waren alle der Meinung, dass vor allem thermophile Insektenpopulationen sicher stark gelitten haben.
Wer hat profitiert:
1. Der Zuwachs an Phytomasse liegt heuer deutlich über den langjährigen Normalwerten.
2. Stechmücken erlebten eine extreme Vermehrung, so viele heimische Gelsen habe ich noch nie erlebt, Buschmücken und Tigermücken mischen bereits mit.
3. Extreme Vermehrung der Kirschessigfliege, meine Feigen wurden erstmals zu etwa 90% vernichtet.

Positive Anwerkungen: Meine 30 Rhododendren musste ich 2023 kein einziges Mal bewässern, das hat es sicher seit 20 Jahren nicht mehr gegeben.
Ein Nest der Steinhummel konnte ich im Sommer retten: Vor jedem (!) Gewitter wurde der Nestbereich abgedeckt.
Meine Osmia-Bestände im Insektenhotel haben sich im März/April noch gut entwickelt.
Scolia hirta ist im Juni noch fleißig geflogen, inwiefern Larvennahrung (z. B. von Rosenkäfern) im Boden überlebt hat, bleibt abzuwarten.
Megachile sculpturalis hat sich im Insektenhotel mäßig entwickelt, ein Teil der wichtigen Pollennahrung für die Larven ist Dauerregen und Hagel zum Opfer gefallen. Es waren aber immerhin zuerst 5 und später 3 Weibchen aktiv.
Einige Nester von Polyergus rufescens wurden kontrolliert, die Außenaktivität war eingeschränkt, die Art scheint aber mit einem „blauen Auge“ davonzukommen.
Meine Camponotus piceus im Steingarten haben überlebt, teilweise wurde die Nestregion aber bei Gewittern abgedeckt.

Schlussbemerkung: Im nächsten Jahr wird man die Folgen des Sommers 2023 erst abschätzen können!
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Boro
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Re: Wetterextreme und ihre Folgen

Beitragvon Merkur » Dienstag 14. November 2023, 17:44

Hallo Boro,

Einigermaßen habe ich den Witterungsverlauf südlich der Alpen in den Medien mitverfolgt. Ich kann nicht für ganz Deutschland sprechen, aber auch bei uns in Südhessen war die Vegetationsperiode recht ungewöhnlich.
Dem noch in etwa normalen Frühjahr folgte ein sehr heißer und trockener Sommer, gefolgt von sehr reichlichen Niederschlägen. Auch bei uns gab es ein ungewöhnlich starkes Pflanzenwachstum mit z. B. am Pflaumenbaum Austrieb von bis zu 2,4 m Länge! Mit dem Schneiden der Hecken bin ich nicht mehr nachgekommen, so dass ich erstmals ein Unternehmen beauftragen musste. Das Schnittgut hätte nicht mehr über die Biotonne entsorgt werden können.
Möglicherweise ist unsere nette Population von Weinbergschnecken (Helix pomatia) im Garten erloschen. Die Art ist seit ca. 40 Jahren ziemlich stabil, so dass ich bei passender Witterung gegen 10 fressende Adulte zählen konnte. Der über Jahre immer wieder sichtbare Tigerschnegel (Limax maximus) ist verschwunden. Nur sehr wenige Berg- und Teichmolche kamen in den Teich zum Ablaichen. Sehr schwierig war das Frühjahr wohl für Erdkröten und Grasfrösche: Einige Laichgewässer in der Umgebung, die ich immer mal wieder besuche, waren ausgetrocknet, bevor die Kaulquappen sich entwickeln konnten.
Dolichoderus quadripunctatus war nur ganz selten in wenigen Exemplaren zu beobachten (ich habe hier ja mehrfach davon berichtet, dass sie an NW-Ecke des Hauses und an der Südseite vom Dachstuhl kommend in den Garten gelaufen sind). Lasius brunneus, früher im Garten lebend, sah ich heuer überhaupt nicht. - Es sind Einzelbeobachtungen, die nicht verallgemeinert werden sollen, aber in der Gesamtheit verlief das Jahr doch nicht „normal“.
Ich denke allerdings, dass die Schäden in der Natur in den kommenden Jahren ausgeglichen werden können. Die Vermehrungsraten dieser Arten sind so hoch, dass auch ein geringer Restbestand sich erholen kann, wenn die Jungtiere dann einer geringeren Konkurrenz durch die Adulten ausgesetzt sind, vorausgesetzt dass die Witterung wieder günstiger wird. Wirklich problematisch sind die Waldschäden auch bei uns, wobei besonders die Fichten durch Borkenkäfer weithin abgestorben sind. Doch die haben hier ohnehin nicht die besten Standorte, und die Laubhölzer stehen weit besser da. - Hoffen wir das Beste!

MfG,
Merkur
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