Eine Zikadenwespe (Dryinidae)Dieses Monsterchen lief frei in der Darmstädter Flur herum, bis es mir am 26. Juni 1992 bei Darmstadt-Eberstadt unter die Augen kam, vermutlich während einer Exkursion für Studierende im Grundstudium Biologie.
Alle drei Bilder zeigen dasselbe Individuum, auf Millimeterpapier. Der Kopf ist links (Bild 3 habe ich horizontal gespiegelt, damit es leichter mit den anderen Bildern vergleichbar ist. Es zeigt also die rechte Körperseite, während auf Bild 1 die linke Seite sichtbar ist).
Irgendwie war ich damals anderweitig beschäftigt, habe das Tierchen in Alkohol konserviert, und dann... vergessen.
Ich fand es kürzlich wieder bei der Suche nach einem ganz anderen Sammlungsstück. Laut eingelegtem Zettel war ich bei der Bestimmung bis zu der Hymenopteren-Familie Dryinidae gekommen. Da finden sich passende Abbildungen zu einer Gattung
Gonatopus, die sich parasitisch in bzw. an Zikaden entwickeln.
Zwei Bilder dazu hier:
http://ponent.atspace.org/fauna/ins/fam ... us_dry.htmEs sind nicht nur skurril gestaltete Wesen, die Weibchen meist flügellos, mit einer „Wespentaille“ zwischen Pro- und Mesothorax und der üblichen Einschnürung hinter dem Metathorax, mit teilweise auffällig verdickten Teilen der Beine, und mit je einer „Schere“ an den Vorderbeinen. Sie haben auch eine höchst ungewöhnliche Lebensweise:
Für eine der beschriebenen Arten aus der weltweit verbreiteten Gattung,
Gonatopus clavipes, schildert die englische Wikipedia die Lebensweise (Diese Art ist jedoch mit 2.5 bis 3.5 mm deutlich kleiner als „mein“ Exemplar):
„Ein adultes Weibchen von G. clavipes jagt Zikaden im Laubwerk. Wenn es mit Hilfe der Antennen eine Beute entdeckt hat, stößt es darauf herab, ergreift deren Hinterbeine und krümmt seinen Hinterleib über den Rücken nach vorn um Gift in das Opfer zu injizieren. Das lähmt die Beute vorübergehend, und wenn es die erste Beute des Tages ist, frisst die Wespe einen Teil davon.
Bei weiteren Beutetieren schiebt es mittels seines Legestachels je ein einzelnes Ei zwischen die Tergite. Die Beute erholt sich rasch und setzt seine Nahrungsaufnahme fort (es sind Pflanzensauger). Die Wespenlarve entwickelt sich anfangs im Hinterleib des Wirtstieres, aber nach etwa fünf Tagen arbeitet sie sich zwischen zwei Segmenten nach außen. Der Kopf der Wespenlarve bleibt innerhalb des weiterhin lebenden Wirtes, während sich aus Häutungsresten außen eine sackartige, Struktur entwickelt, die den Rest der Larve birgt. Zwei oder drei Wochen später bricht die Larve aus dem Sack hervor, frisst kurz an ihrem Wirt und verlässt dessen vertrocknende Hülle.
Am Boden spinnt sie sich an der Basis eines Grashalms einen Kokon, in dem sie sich verpuppt und aus dem später die Imago schlüpft. Falls es spät im Jahr ist, überwintert die Larve auch in dem Kokon und verpuppt sich erst im folgenden Frühjahr.“
Bei etwa 450 Arten allein der Gattung
Gonatopus dürfte es entsprechend viele unterschiedliche Entwicklungsweisen geben. Doch ist darüber arg wenig bekannt. Wie so oft (auch bei den Ameisen!) wurden und werden sehr viele Arten beschrieben, aber von den meisten kennt man die Lebensweise nur bruchstückhaft, oder auch gar nicht. Die Dryinidae haben häufig Zikaden als Wirte; manche scheint mehrere Wirtsarten zu nutzen. - Ich muss noch versuchen, die Art durch einen Spezialisten bestimmen zu lassen. Und künftig werde ich mir Zikaden näher betrachten; die Larvensäcke der Dryinidae sind eigentlich recht auffällig!
MfG,
Merkur