Polyergus rufescens

Polyergus rufescens

Beitragvon Boro » Dienstag 10. Juni 2014, 20:39

Melde den Aktivitätsbeginn von Polyergus rufescens, der Amazonenameise.
Die Art beginnt jetzt mit ihrem Aktivitätsprogramm, welches in Überfällen auf Nester von Serviformica spp. besteht um Arbeiterinnen-Brut zu rauben, die im eigenen Polyergus-Serviformica-Nest zu Hilfsameisen (Sklaven) herangezogen werden. Ich habe heute 5 Nester inspiziert, bei einem war ein wenig Aktivität und bei einem weiteren sah es stark nach der Vorbereitung für einen (ersten) Raubzug aus. Bei den restlichen Nestern war keine Amazone zu sehen. Ich hatte leider nicht die Zeit noch länger zu warten. Fotos v. Roman Borovsky
Fundort: Hügelland nördl. von Klagenfurt/Kärnten
Tag u. Zeit: 10. 06. 2014, 17:45 bis 18:00 MESZ
Habitat: Südgeneigte Ruderalfläche am Rand einer Wiese
Wetter: 33°C, heiter
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IMG_2364.JPG
Eine einzelne Kriegerin macht sich zum Einsatz bereit!
IMG_2376.JPG
Die Truppe hat den (Pheromon-)Befehl zum geordneten Abmarsch Richtung Wirtsnest erhalten!
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Re: Polyergus rufescens

Beitragvon A_E_I_O_U » Mittwoch 11. Juni 2014, 20:05

Hallo Boro,
gibt es eigentlich auch Angriffe von anderen Ameisen (zb. Lasius niger, Formica rufa oder Camponotus ligniperdus usw.) auf Nester von Polyergus rufescens?!

Oder vielleicht sogar einen Raubzug von Raptiformica sanguinea gegen ein Nest von Polyergus rufescens, falls diese auf die Sklaven in dem Polyergusnest treffen?

Mfg A_E_I_O_U
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Re: Polyergus rufescens

Beitragvon Boro » Donnerstag 12. Juni 2014, 06:03

Das ist eine berechtigte Frage! Bisher konnte ich nur ein relativ hohes Aggressionspotential von Camponotus ligniperdus-Arbeiterinnen gegen ausschwärmende Amazonen feststellen. In einem Fall wurde vor etlichen Jahren ein großes Polyergus-Nest von Camponotus ligniperdus "übernommen". Ich konnte aber leider nur den Endzustand feststellen, ich gehe aber davon aus, dass es auch Kämpfe gegeben haben muss, das konnte man an zahlreichen Leichen erkennen. Polyergus u. die Hilfsameisen waren eindeutig unterlegen.
Intereressant finde ich das Verhältnis zu Raptiformica sanguinea. Ich konnte einmal einen erfolgreichen Überfall der Amazonen auf ein junges Raptiformica-Nest direkt beobachten. Erstaunlich, dass von den verschleppten Arbeiterinnen-Puppen später auch zahlreiche Raptiformica-Arbeiterinnen geschlüpft waren und nicht nur die laufende Saison im Polyergus X Formica cunicularia-Nest überlebten, sondern noch im folgenden Jahr im Nest nachgewiesen werden konnten. Sie wurden aber von den Hilfsameisen oft rüde behandelt, aus dem Nest gezerrt und dann aber freigelassen. Sie sind aber sofort wieder ins Nest zurückgekehrt. Von den Amazonen müssen sie aber zumindest toleriert worden sein, einen direkten Kontakt beider Arten im Nestbereich konnte ich nicht beobachten.
Im umgekehrten Fall halte ich einen Überfall von Raptiformica auf ein gemischtes Nest von Polyergus für durchaus möglich, konnte so einen Vorfall bisher aber nicht feststellen. Auch in diesem Fall ist es möglich, dass Kundschafter von Raptiformica im Zielnest nur auf Hilfsameisen treffen und vorerst von der Anwesenheit der Amazonen "keine Kenntnis" haben. In einer direkten Konfrontation dürfte Raptiformica bessere Chancen haben, sie sind weitaus kräftiger als Serviformica-Arbeiterinnen und meine Erfahrungen haben gezeigt, dass auch volksstarke Populationen von Serviformica rufibarbis einen Angriff von Polyergus unter gewissen Umständen bereits abwehren können.
L.G
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Re: Polyergus rufescens

Beitragvon A_E_I_O_U » Sonntag 15. Juni 2014, 20:38

Danke für die lehrreiche Information,
Polyergus rufescens ist sehr beeindruckend und Interessant!!!

Ich hätte da noch ein paar Fragen:

Wirkt das "Propagandapheromon" nur bei Serviformica Arten ?!
Da Camponotus ligniperdus auch Nester von Polyergus angreift dürfte es bei dieser Art nicht wirken bzw. eine andere (aggressive) Reaktion hervorrufen.

Und wenn auch (Servi) Formica rufibardis Angriffe abwehren kann, können es vielleicht auch andere Sklavenameisen oder?

Wird Polyergus rufescens deiner Meinung nach Aussterben?

Sollen wir vielleicht einen Diskussionsthread aufmachen, ich möchte deine Beobachtungen nicht durch meinen Fragen unterbrechen :-) !!!

Mfg A_E_I_O_U
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Re: Polyergus rufescens

Beitragvon Boro » Montag 16. Juni 2014, 05:40

Hallo A-E-I-O-U!

Schön, dass du Interesse hast! Gleich zu den Antworten:
1. Das Propagandapheromon dürfte generell wirksam sein, es handelt sich um ein flüchtiges Pheromon, das nur wirkt, wenn es bei der Invasion im Nestinneren abgegeben wird. Und da sind wir schon bei den Grenzen: Polyergus beschränkt sich fast ausschließlich auf Serviformica spp., hin und wieder gibt es einen Ausreißer, wie die Schilderung v. Raptiformica (die in diesem jungen Nest damals noch die Minderheit stellten). Dort hat es offenbar gewirkt, es gibt aus Zentralasien noch eine glaubhafte Schilderung (im alten AF), dass ein erfolgreicher Überfall auf eine Cataglyphis-Art funktioniert hat. Wenn es Polyergus wegen der Abwehrmaßnahmen der Überfällen nicht gelingt, das Pheromon im Nestinnerein des Wirtsnestes freizusetzen, sieht es für einen Erfolg weniger gut aus.....
2. Bei der Beobachtung von über 250 Raubzügen in den letzten 15 Jahren konnte ich 3 (!) Niederlagen gegen F. rufibarbis (nur gegen diese Art) beobachten; das Zahlenverhältnis sagt eigentlich alles! Aber ja, Formica clara sollte zur Abwehr fähig sein und viell. F. gagates. Die cinerea-Arten sind im Rahmen ihrer Superkolonien sicher für keinen Aggressor angreifbar, aber das hat nichts mit dem Propagandapheromon zu tun, sondern mit rascher Rekrutierung von tausenden Verteidigern! Das gleiche gilt für Formica s. str.
3. Polyergus rufescens ist bereits in Teilen Mitteleuropas verschollen od. ausgestorben, nur im Pannonischen Raum dürften sich die Bestände halten. In einigen Bundesländern Österreichs wurde die Art bisher gar nicht gefunden. Ich gehe davon aus, dass alle permanenten Sozialparasiten in ihren Beständen stark bedroht sind. Das ist einer der Gründe, warum mich die Art seit langem besonders interessiert. In einer noch nicht gedruckten Publikation beschäftigen wir uns (Sohn+Vater) mit dem Schwarmverhalten (u. den Vermehrungsaussichten) der Art. Vorweg: Zur Ausdünnung bestehender Nestdichten trägt die Art selbst massiv bei, das intraspezifische Konkurrenzverhalten ist mörderisch, bei 5 bzw. 6 durch 2 Jahre beobachteten Nestern hatte ich einen Ausfall (Vernichtung od. keine Geschlechtstierprodkuktion wegen starker Schädigung) von 40% (bei 5 Nestern 2012) und 50% (bei 6 Nestern 2013).
4. Die eigentliche Vorstellung der Art kommt noch, leider sind meine unzähligen Berichte dazu im AF mittlerweile ohne Bebilderung und damit weitgehend wertlos. Ich muss alles neu aufbauen...und dann können wir diskutieren....
L.G.
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