Formica (Raptiformica) sanguinea und Polyergus rufescens

Re: Formica (Raptiformica) sanguinea und Polyergus rufescens

Beitragvon Boro » Mittwoch 27. August 2014, 18:49

Apropos Wetter: Ich komme gerade von der Besichtigung v. 4 Polyergus-Nestern zurück. Der erste schöne Sommertag seit langem, 25° und vorwiegend Sonnenschein - aber es tut sich fast nichts mehr, von Raubzügen keine Spur. Ich hab zwar nicht 2 Stunden gewartet, aber der Hauch des Herbstes liegt über den Polyergus-Nestern. Vermutlich hat das wochenlange wechselhafte, kühle u. regenreiche Wetter dazu beigetragen, dass für heuer Schluss sein dürfte. Dass das Wetter in Norditalien an der Adria nicht besser war, ist ein schwacher Trost ....die unzähligen Mittelmeertiefs sind schuld, die vor allem den Süden Österreichs treffen.
Insgesamt ein schlechtes Jahr für Polyergus, nur eine geringe Zahl an schwärmenden Geschlechtstieren und eine stark verkürzte Aktivitätsphase.

Nun, deine Hilfsameisen können wir nur unter dem Bino einer Bestimmung zuführen. Den "schimmernden Glanz", die Pubeszenz, haben eigentlich alle Serviformica spp., bei der cinerea-Gruppe sehen wir das "flächendeckend" am ganzen Körper, bei F. fusca vor allem auf der Gaster. F. cunicularia u. F. rufibarbis sind oft an Einzeltieren kaum zu unterscheiden, mit Nestserien geht es ganz gut, unterm Bino ebenfalls.

Ich finde auch, dass die Angaben zu den "meist kampflosen" Plünderungen in der Literatur etwas verharmlost werden. Ich bin ziemlich sicher, dass keiner so verrückt ist wie der Boro, der deutlich über 250 (ich vermute, es sind jetzt an die 270) Raubzüge beobachtet hat und noch immer etwas "Jagdfieber" verspürt. Andererseits darf ich sagen, dass ich mittlerweile alle Nuancen des Geschehens gesehen habe. Ich kann mich da nur wiederholen: Vor allem bei Formica rufibarbis scheint es entscheidend zu sein, ob es den Angreifern in Ausnützung des Überraschungseffektes gelingt massiv in das Nest einzudringen (u. dort die Propagandasubstanz freizusetzen) od. ob etliche Amazonen schon im Vorfeld des Nestes attackiert werden und damit die "Blitzalarmierung" der Verteidiger sich mit dem Freisetzen der chem. Waffe durch die Amazonen zeitlich und räumlich überschneiden. Vor allem F. rufibarbis ist immer für Überraschungen gut!

Ganz interessant, was SEIFERT u. a. dazu bemerkt (S. 331): "Plünderung im allgemeinen kampflos, da das angegriffene Nest durch ein Propagangapheromon in Panik versetzt wird. Nur bei Widerstand schnelles Töten der Serviformica durch Biss in Kopfkapsel oder Körper....Sklaven-Arbeiterinnen können die Raubzüge begleiten, gegen Arbeiterinnen des angegriffenen Nestes Tötungskämpfe führen und den Rücktransport der Beute unterstützen."
Auch der große Bert Hölldobler hat sich mit Polyergus befasst (B. HÖLLDOBLER & E. O. WILSON: Ameisen. Die Entdeckung einer faszinierenden Welt, ab S. 151: "Wenn sie ihr Ziel, d. h. ein Nest der Formica-Ameisen ...erreichen, stürmen sie ohne zu zögern in den Eingang, packen die in Kokons versponnenen Puppen, rennen wieder heraus und kehren in ihr eigenes Nest zurück. Sie attackieren und töten jede Arbeiterin, die sich ihnen in der Weg stellt, indem sie Köpfe und Körper der Verteidigerinnen mit ihren säbelförmigen Kiefern durchbohren". (fett gedruckt d. Boro).
Von diesen Fachleuten wird auf möglichen Widerstand hingewiesen....
L.G.
  • 0

Boro
Moderator
 
Beiträge: 1734
Registriert: Mittwoch 9. April 2014, 08:13
Bewertung: 3436

Re: Formica (Raptiformica) sanguinea und Polyergus rufescens

Beitragvon Boro » Freitag 29. August 2014, 18:18

Ein mir bekannter Biologe hat freundlicherweise diesen interessanten Artikel verlinkt: http://www.entomologicafennica.org/Volu ... howski.pdf
Ich muss ihn erst später "durchkauen"!
  • 0

Boro
Moderator
 
Beiträge: 1734
Registriert: Mittwoch 9. April 2014, 08:13
Bewertung: 3436

Re: Formica (Raptiformica) sanguinea und Polyergus rufescens

Beitragvon Hoffer » Dienstag 2. September 2014, 12:55

Oje, mein Englisch ist etwas eingerostet...

Noch ein kleiner Nachtrag zu meinem Bericht bezüglich der Serviformicas - ein paar Bilder, vielleicht kann man ja anhand dieser feststellen um welche es sich handelt. Diese Bilder wurden auf dem Nest von P.r. aufgenommen, dürften aber ident mit den Sklaven von Rapti sein...
  • 3

Dateianhänge
IMG_9896 (FILEminimizer).JPG
IMG_9897 (FILEminimizer).JPG
IMG_9898 (FILEminimizer).JPG
IMG_9899 (FILEminimizer).JPG
IMG_9900 (FILEminimizer).JPG
IMG_9901 (FILEminimizer).JPG
Hoffer
Mitglied
 
Beiträge: 60
Registriert: Freitag 13. Juni 2014, 12:12
Wohnort: Wien
Bewertung: 80

Re: Formica (Raptiformica) sanguinea und Polyergus rufescens

Beitragvon Hoffer » Dienstag 2. September 2014, 13:08

Boro, wie machst du das, dass deine Bilder immer in so guter Qualität hochgeladen sind? Ich muss sie immer mit "Fileminimizer" downgraden, damit ich sie hochladen kann...
  • 0

Hoffer
Mitglied
 
Beiträge: 60
Registriert: Freitag 13. Juni 2014, 12:12
Wohnort: Wien
Bewertung: 80

Re: Formica (Raptiformica) sanguinea und Polyergus rufescens

Beitragvon Boro » Dienstag 2. September 2014, 14:55

Hallo Hoffer!
Nun, mit wenigen Sätzen zusammengefasst, beschäftigt sich der Artikel mit dem Verhältnis v. Polyergus zu F. pratensis. F. pratensis legt als eine der wenigen Waldameisen dicht belaufene Straßen zu Dauernahrungsplätzen an, die auch v. Hindernissen wie Gräsern, Steinchen etc. befreit, eingeebnet u. damit oft etwas tiefer gelegt werden. Wenn jetzt beide Arten in Nachbarschaft leben, wird Polyergus im Zuge der Raubzüge diese "Straßen" des öfteren überqueren müssen (das hab ich übrigens auch schon beobachtet!). Dabei scheint es kaum zu ernsthaften Auseinandersetzungen zu kommen. Des weiteren wird berichtet, dass Polyergus einige Male Nester dieser Waldameisen überfallen hat, wobei sie bei kleinen Kolonien auch erfolgreich waren, bei großen Nestern aber - wie zu erwarten war - vollkommen gescheitert sind und etliche Tote zu beklagen hatten.
Parallel zu diesen geschilderten Erfahrungen sind eben auch die selten vorkommenden Überfälle auf Nester v. Raptiformica zu sehen. Sowohl Raptiformica (sonnige Waldränder) als auch F. pratensis (sonniger Halbtrockenrasen) kommen oft syntop mit Polyergus vor.
Ich konnte vor etwa 15 Jahren einen erfolgreichen Überfall der an anderer Stelle geschilderten Polyergus-Superarmee von über 2000 Soldaten auf ein Formica-Nest beobachten, wobei die mit Brut beladenen Heimkehrer von wütenden Nestverteidigern auf einer Distanz von gut 15 m verfolgt und teilw. auch attackiert wurden. Ich kann heute nicht mehr eindeutig sagen, ob das ein F. pratensis-Nest war (so die Erinnerung!), im Nachhinein könnte ich auf Grund meiner inzwischen angehäuften Erfahrungen auch v. einem großen F. rufibarbis-Nest ausgehen.

Zu den Bildern: Bei den Serviformica-Arbeiterinnen dürfte es sich um F. rufibarbis handeln, die ganz grauen Tiere könnten auch F. cunicularia sein, eine Verträglichkeit beider Arten wird in der Literatur einige Male erwähnt.
Bilder hochladen; ich mach das so: Bild öffnen, rechts klicken >---Öffnen mit.>.....Microsoft Office 2010 >------Bilder bearbeiten: Da kannst du die Helligkeit regulieren, die Bilder zurechtschneiden, verkleinern (ich mach das immer auf etwa 1 MB).
L.G.

Edit: Habe vergessen zu erwähnen, dass du eine Serviformica aus der cinerea-Gruppe (graue Tiere) ausschließen kannst....
  • 2

Boro
Moderator
 
Beiträge: 1734
Registriert: Mittwoch 9. April 2014, 08:13
Bewertung: 3436

Re: Formica (Raptiformica) sanguinea und Polyergus rufescens

Beitragvon Hoffer » Mittwoch 3. September 2014, 08:07

Hallo Boro!
Danke für die "Übersetzung" und die Anleitung zum Bilder hochladen werde ich beim nächsten Mal ausprobieren ;-)
Der Artikel ist sehr interessant, dabei fällt mir ein, dass ich einmal beobachten konnte, wie eine P.r. Armee eine dicht belaufene Strasse von Lasius foliginosus gequert hat und es ist ebenfalls zu keinerlei Auseinandersetzungen gekommen. Die Amazonen sind einfach durchgelaufen, einige Lasius sind leicht verdutzt stehengeblieben, haben aber nicht angegriffen oder Alarm gegeben - wie wenn ein Feuerwehrauto mit Blaulicht über eine stark befahrenen Kreuzung fährt :D
Wie verhalten sich dann die geraubten Waldameisen im gemischten Nest von P.r. mit den anderen Hilsameisen, gibt es da auch Beobachtungen?

Habe mir gestern den Bericht in "Kärnten heute" angesehen, ich habe nicht damit gerechnet, dass Herr Wagner noch so jung ist, super Sache - Hollywood läßt grüßen!

Wegen der Serviformicas können wir mit ziemlicher Sicherheit festhalten, dass es sich um F. cunicularia und F. rufibarbis handelt - danke für deine Hilfe.

LG Andreas.
  • 0

Hoffer
Mitglied
 
Beiträge: 60
Registriert: Freitag 13. Juni 2014, 12:12
Wohnort: Wien
Bewertung: 80

Re: Formica (Raptiformica) sanguinea und Polyergus rufescens

Beitragvon Boro » Mittwoch 3. September 2014, 16:56

Das Verhalten der Hilfsameisen gegenüber geschlüpften Formica spp., in diesem Fall Raptiformica, kann ich nur aus der Erkenntnis in einem Fall berichten (das habe ich oben weiter schon "gestreift"!):
1. Es handelte sich um ein Poyergus X F. cunicularia-Nest!
2. Immerhin erstaunlich, dass die Hilfsameisen die Raptiformica überhaupt schlüpfen ließen u. nicht vorher gefressen haben!
3. Die (primär vorhandenen) Hilfsameisen neigen dazu "Fremdlinge" aus dem Nest zu zerren u. ihrem Schicksal zu überlassen (siehe oben!). Die - wie ich es bezeichne - "rüde" Behandlung der Raptiformica konnte ich einige Male beobachten: Die "angestammten" Hilfsameisen zerrten die Raptiformica aus dem Nest und setzten sie in viell. 10-15 cm Entf. "vor die Tür!" Die Raptif. leisteten keinen Widerstand, ließen es "über sich ergehen" und liefen anschließend schnurstracks wieder in das Nest. F. sanguinea Arbeiterinnen sind eben deutlich robuster als Serviformica-Arbeiterinnen, mit dieser Hartnäckigkeit wussten die Serviformicas vermutlich nicht konsequent umzugehen!
4. Nach dieser Episode (2 - 3 Wochen nach dem Raubzug) konnte ich mit Erstaunen feststellen, dass im folgenden Jahr noch immer einige Raptiformica-Arbeiterinnen im Nest waren.
5. Irgendeine Funktion dieser "Gäste" konnte ich nicht erkennen, subjektiv gesehen hatte ich den Eindruck, dass sie im Nest eher dem dolce far niente huldigten, ein wenig Zeit bei den Nesteingängen zubrachten, bis sie zwischendurch wieder an einem Fuß gezogen wurden.
Auf Grund dieser - wenn auch fragmenthaften - Beobachtung musste ich aber den Eindruck gewinnen, dass eine echte Integration in den gemischten Staatsverband nicht zustande kam.
L.G.
  • 0

Boro
Moderator
 
Beiträge: 1734
Registriert: Mittwoch 9. April 2014, 08:13
Bewertung: 3436

Vorherige

Zurück zu Naturbeobachtungen und Reiseberichte

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 11 Gäste

Reputation System ©'