Formica (Raptiformica) sanguinea und Polyergus rufescens

Formica (Raptiformica) sanguinea und Polyergus rufescens

Beitragvon Boro » Donnerstag 7. August 2014, 11:24

Die Beobachtungen anlässlich einer Wanderung vor einigen Tagen hat mich auf die Idee gebracht, beide sozialparasitischen und räuberischen Arten zu vergleichen und einander gegenüberzustellen. Inwieweit gibt es Ähnlichkeiten im Verhalten und wo liegen die deutlichen Unterschiede der beiden miteinander verwandten Arten. Ja, Formica sp., im speziellen Serviformica spp. muss mit Polyergus verwandt sein, ansonsten würde eine sozialparasitische Gründung nicht möglich sein. Was die Raubzüge betrifft, kann man im SEIFERT sehr treffende Textstellen zu beiden Arten herauslesen:

"Die schlagartige Alarmierung, das geschlossene und koordinierte Ausrücken und der blitzschnelle Sturmangriff der Amazonenarmee erwecken bei dem faszinierten Beobachter den Eindruck von militärischer Präzision. Demgegenüber ähneln die Aktionen von Formica sanguinea, wie W. M. Wheeler schreibt, "den umständlichen Bemühungen eines Haufens untrainierter Milizen" (S. 54).

Entlang eines etwa 1 km langen, O-W-gerichteten Weges am Rand eines Föhrenwaldes herrschen sehr gute Besonnungsverhältnisse und das sandig-lehmige Grundmoränenmaterial neigt stark zur Austrocknung. Nebenbei hält das Nadelkleid der überhängenden Föhren einen guten Teil der Niederschlagsmenge ab. Es handelt sich um ein ausgesprochen xerothermes Biotop. Neben unzähligen Nestern von Tetramorium caespitum (alte taxonom. Bez.), in welchem ich vor ein paar Jahren 3 Nester von Strongylognathus testaceus ausmachen konnte (heuer habe ich kein Nest wiedergefunden), konnte ich hier 6 Nester v. Paptiformica, 2 Nester v. Polyergus und - erstaunlich - unzählige Nester von Formica (Serviformica) fusca beobachten, deren Nester so eng beisammen liegen, dass man in vielen Fällen nicht erkennen kann, wo ein Nestbereich aufhört und der andere beginnt. Vor etlichen Jahren konnte ich auch 2 schöne Nester v. F. rufibarbis und ein Nest v. F. cunicularia feststellen. Diese Nester sind schon seit 2, 3 Jahren verschwunden. Wie ist das möglich?
Jetzt kommen wir dem eigentlichen Thema näher: Diese Nester dürften Raptiformica zum Opfer gefallen sein.

Zuletzt konnte ich fast gleichzeitig bei einer Begehung 2 Raubzüge v. Raptiformica und einen (doppelten) Raubzug v. Polyergus beobachten. Der Unterschied im (erfolgreichen) Vorgehen beider Arten ist jedenfalls deutlich, auch das Ergebnis ist bei beiden Arten ein anderes, aber dazu später! Für Tageszeitangaben gilt die Sonnenzeit!

Raptiformica
1. temporärer Sozialparasit
2. Raubzüge geg. Serviformica: fakultativ zum Nahrungserwerb und zur Beseitigung v. Nahrungskonkurrenten
3. teilw. Rekrutierung v. Arbeiterinnen bis zur Stärke v. etwa 2000 Individuen
4. In loser, auseinandergezogener Kolonne marschierend, ständiges Hin- u. Herlaufen v. Arbeiterinnen, der Überfall
kann bis zu einer Stunde od. länger dauern.
5. Raubzüge nicht regelmäßig, aber zw. E 5 u. M 8 häufig (vgl. SEIFERT S. 321!), können bereits am Vormittag beginnen
6. Widerstand großer Serviformica-Nester kommt vor, endet dann in chaotischer Flucht (teilw. mit Brut)
7. Die gesamte Brut wird geraubt, getötete Nestbewohner werden oft als Nahrung mitgenommen
8. Die Nester werden oft gänzlich vernichtet, ein Überleben der Flüchtlinge nur mit intakter Königin möglich
9. Raubzüge bis max. über 100 m (2007 bereits im alten AF berichtet, vgl. dazu SEIFERT S. 321).
10.Neue Nestgründung junger, im Raubzug mitlaufender alater Gynen soll vorkommen (SEIFERT S. 322).


Polyergus
1. permanenter Sozialparasit
2. Raubzüge: obligat zum existenziell notwendigen Erwerb von Hilfsameisen
3. Massenrekrutierung fast aller anwesenden Amazonen je nach Nestgröße (ca. 300 bis ca. 1500)
4. Der Überfall dauert in der Regel nur wenige Minuten, der Rückmarsch erfolgt mit hohem Tempo
5. Raubzüge nur bei Temperaturen über 23°C zw. M 7 u. A 9 in der Zeit zwischen 15:00 u. 18:00, fast regelmäßig
6. Widerstand großer Serviformica-Nester kommt vor
7. Es wird fast nur "reife" Brut geraubt, Puppen, selten Larven oder frisch geschlüpfte Arbeiterinnen
8. Die Nester überleben mit wenigen Ausnahmen fast immer, oft erfolgt aber eine Nestverlagerung
9. Raubzüge reichen bis etwa max. 85 m weit (SEIFERT S. 331)
10.Neue Nestgründungungen den Raubzug begleitender, begatteter u. alater Gynen sind die Regel

Die Punkte 1-10 passen jeweils zusammen! Eine räumliche Gegenüberstellung war nicht durchführbar.
Bitte noch keine Kommentare, Bildmaterial folgt!
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Re: Formica (Raptiformica) sanguinea und Polyergus rufescens

Beitragvon Reber » Donnerstag 7. August 2014, 12:07

Vielen Dank für den hochinteressanten Vergleich!
Kurze Frage zu Punkt 6. bei Raptiformica: Wer flüchtet mit Brut? Die Angreifer bei überlegener Nerstverteidigung? Oder umgekehrt die Verteidigerinnen, sobald sie die Überlegenheit der Angreifer feststellen? Beide je nach Situation?
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Re: Formica (Raptiformica) sanguinea und Polyergus rufescens

Beitragvon Boro » Donnerstag 7. August 2014, 17:04

Trotz unzähliger Beobachtungen v. Raptiformica-Raubzügen habe ich noch keine Niederlage der angreifenden Raptiformica gesehen. Der Widerstand der Serviformica reicht von "kaum" bis "nachhaltig", aber letztlich kommt der Zeitpunkt, wo die Serviformica-Arbeiterinnen flüchten, so gut es geht unter Mitnahme von Brut. Auch die Königin(nen) flüchtet(n), sofern sie dazu Gelegenheit haben.
Im alten AF habe ich 2007 (alle Bilder sind weg) eine Schlacht beschrieben, wo ein riesiges F. fusca-Nest fast 20 Min. gegen nach und nach heranrückende Raptiformica Widerstand geleistet hat - die Verteidiger liefen diesen bis zu 1,5 m entgegen! Nach dieser Zeitspanne erfolgte ganz plötzlich die Flucht: aus allen Nesteingängen strömten hunderte Nestbewohner unter Mitnahme von Brut u. ich konnte auch 2 flüchtende Königinnen erkennen. Den im Nest verbliebenen Rest holten sich dann sukzessive die Raptis. Bei Raptiformica ist das (im Vergleich zu Polyergus) ein "langsam" vorgetragener u. über eine längere Zeit vorgetragener Angriff.
L.G.
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Re: Formica (Raptiformica) sanguinea und Polyergus rufescens

Beitragvon Boro » Donnerstag 7. August 2014, 18:07

Was die "Kampfkraft" beider Arten im Vergleich angeht, kann man keine eindeutigen Aussagen machen. Die Körpergröße der Raptiformica-Arbeiterinnen ist sehr unterschiedlich (ca. 6-9 mm), aber die Major-Arbeiterinnen sind imposante Geschöpfe: ein kräftiger Körperbau mit einem breiten Kopf, der am Hinterhaupt eine leichte Eindellung zeigt - od. anders gesagt, die Hinterhauptsecken ragen etwas vor (bei Coptoformica spp. ist das besonders prägnant ausgebildet). Diese "verstärkten" Hinterhauptsecken weisen in der Regel infolge verlängerter Mandibelmuskulatur auf erhöhte Beißkraft hin. In der direkten Auseinandersetzung mit Arbeiterinnen v. Formica s. str. sollen sie diesen überlegen sein (SEIFERT S. 321).

Die Amazonen weisen eine ganz andere Morphologie auf und wirken auf den Beobachter keineswegs als "Superkrieger", sie sind etwas kleiner (meistens 7-7,5 mm, bei starken Völkern bis knapp 8 mm). Sie verfügen aber über eine hervorragende Waffe: Die sichelartigen Mandibeln mit feiner Bezahnung können nicht nur in die Kopfkapsel, sondern auch in den Thorax etwa gleich großer Ameisen eindringen u. innere Organe verletzen, beim Kopf das Zentralnervensystem. Ich konnte beobachten, dass diese Waffe bei Majoren etwa v. Camponotus ligniperdus nicht mehr wirkt, im Gegenteil, diese Riesen können eine Amazone mit wenigen Bissen töten - und sie tun es auch hin und wieder! Da nützt den Amazonen auch ihre chemische Kriegsführung, das Versprühen von Propaganda-Substanzen, nichts, diese Substanzen werden nur beim Eindringen in ein Serviformica-Nest eingesetzt.
Eine direkte Konfrontation beider Arten konnte ich nicht im Detail sehen, obwohl die Amazonen einmal ein junges Raptiformica-Nest mit noch relativ wenigen eigenen Arbeiterinnen überfallen und ausgeraubt hatten.

Schlusswort: Die Sklavenameise F. fusca kann einem schon fast leid tun....
Die Bilder v. Raptiformica sind steinalt, noch mit einer Bridge-Kamera aufgenommen, daher die mäßige Qualität!
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Dateianhänge
PICT0021.JPG
Ich kann mich nicht erinnern, in einem Raptiformica-Nest je eine andere Hilfsameise als F. fusca gesehen zu haten
Raptif.1 (3).JPG
Perfekter Körperbau einer Majorarbeiterin v. Raptiformica, ein breiter Kopf, hoher Rotanteil in der Gesamtfärbung!
Raptif.1 (7).JPG
In Frontalsicht erkennt man den eingekerbten Unterrand des Clypeus und die leicht vortretenden Hinterhauptsecken
IMG_2368.JPG
Bei Polyergus vergleichsweise ein "zarter" Körperaufbau mit einem etwas breiteren Kopf, aber....
DSC00196.JPG
...die Beißwerkzeuge sind eine gefährliche Waffe, hier am Beispiel einer Intermorphen
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Re: Formica (Raptiformica) sanguinea und Polyergus rufescens

Beitragvon Boro » Freitag 8. August 2014, 08:14

Bilder vom Raubzug v. Raptiformica kann ich nicht liefern: Auf einem Meter Laufstrecke bewegten sich oft nur 2 bis viell. 5 Angreifer, bei der entsprechenden Abbildungsdistanz erkennt man so gut wie nichts. Ein Bild aus der näheren Umgebung des Nesteinganges zeigt aber die große Zahl von Leichen, die waren dort über mehr als einen m² verteilt; dazwischen immer noch ein- u. auslaufende Räuber und flüchtende F. fusca.
Dagegen geben die Abb. des Polyergus-Überfalls im Nestbereich weit mehr her - schnell-effizient-kompakt sind Worte, die zum Ablauf der Aktion passen!
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Dateianhänge
DSC03044.JPG
Obwohl sich etliche fusca-Arbeiterinnen zur Wehr setzten - es gab nur wenig Tote! In der rechten Bildhälfte erkennt man einen Kampf zw. Angreifer u. Verteidiger!
DSC03009.JPG
Deutlich mehr als 1 m² Fläche sah so aus: Leichen überall, auch einige Angreifer waren darunter. Zwischendurch liefen Raptiformia-Arbeiterinnen in das Nest um die Reste der Beute zu holen.
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Re: Formica (Raptiformica) sanguinea und Polyergus rufescens

Beitragvon Hoffer » Montag 11. August 2014, 12:54

Hallo Boro!
Ich glaube ich habe ein Raptinest in meiner näheren Umgebung, wo die Sklaven keine F. fusca sind...

Mal sehen, ob ich ein brauchbares Foto zusammenbringe, um es hier zu posten.

LG Andreas.
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Re: Formica (Raptiformica) sanguinea und Polyergus rufescens

Beitragvon Boro » Dienstag 12. August 2014, 18:32

Hallo Hoffer!
Das glaube ich dir gerne, schon deshalb, weil F. fusca im (rand)pannonischen Bereich seltener vorkommt als bei uns. Ich gehe davon aus, dass auch bei uns andere Serviformica spp. als Wirte in Frage kommen, aber sicher selten! Formica fusca teilt (bei uns) den Lebensraum eindeutig mit Raptiformica. Aber gerade das angesprochene Problem mit dem Verschwinden der wenigen im Untersuchungsraum vorkommenden anderen Serviformica-Arten (F. rufibarbis/F. cunicularia) lässt vermuten, dass die in den Raptiformica-Nestern etablierten fusca-Hilfsameisen möglicherweise die aus eingebrachtem Raubgut schlüpfenden anderen Serviformica-Arten abtöten.
Inwiefern verschiedene Serviformica spp. bei Raptiformica oder speziell bei Polyergus kompatibel sind, ist meiner Meinung nach nicht geklärt.
Als Beispiele mögen hier dienen:

1. Meine Polyergus-Nester mit gemischten Hilfsameisen aus F. fusca u. F. cunicularia, deren Zusammenleben ich mehrfach bildlich dokumentiert habe (dzt. nur mehr 2 Nester)
2. Sehr auffallend ist gerade bei diesen Misch-Nestern, dass ich in den vielen Jahren nie F. rufibarbis sehen konnte, obwohl zahllose Beobachtungen erfolgreiche Beutezüge gegen F. rubibarbis belegen und grob gerechnet etwa 1/3 aller ausgebeuteten Nester ausmachen. Dabei bestimme ich nicht über Daumen x pi, sondern nicht eindeutige Belege werden wiederholt daheim unterm Bino bestimmt.
Wo sind die geschlüpften Individuen hingekommen???
3. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass bei wenigen Nestern Poyergus X F. cunicularia doch immer wieder F. rufibarbis Arbeiterinnen vorhanden sind.
4. Aber auch das angebliche Zusammenpassen v. F. cunicularia u. F. rufibarbis ist für mich nicht eindeutig. Ich erinnere mich gut an das Scheitern einer Polyergus-Nest-Gründung mit F. cunicularia vor etwa 2, 3 Jahren: Ich hatte mit F. cunicularia gegr. und später partout keine Puppen der Art mehr finden können. Ich hab dann - im Vertrauen auf die Meinung v. Experten, dass beide Arten harmonieren - eine größere Menge an rufibarbis-Puppen beigegeben, die auch in das Nest mit viell. 200 cunicularia-Arbeiterinnen getragen wurden. In der Folge wurden aber alle schlüpfenden rufibarbis-Individuen zwar nicht getötet, aber aus dem Nest geworfen! Die armseligen, blassen Geschöpfe versammelten sich außerhalb des Nestes in kleinen Gruppen. Ich war damals einigermaßen ratlos! Die rufibarbis-Arbeiterinnen haben sich dann doch außerhalb des Ytong-Nestes(!) etabliert. Etwa 1 Woche später lag die Polyergus-Königin tot vor dem Nest. Ich weiß nicht genau was passiert ist, viell. kam es zu Rivalitäten, möglicherweise war nur der Zeitpunkt der Zusammenführung beider Species falsch - keine Ahnung. Seither gründe ich nicht mehr mit F. rufibarbis!
5. Ich hatte vor etlichen Jahren (ich glaube es war 2009) die seltene Gelegenheit, ein Polyergus X F. fuscocinerea-Nest beobachten können. Obwohl ich selbst einen Überfall auf ein nahes F. fusca-Nest beobachten konnte (das Polyergus-Nest wurde leider schon nach 1,5 Monaten intraspezifisch vernichtet), konnte ich damals keine einzige F. fusca-Arbeiterin im Nest erkennen. Dieser Fall dürfte klar sein, die beiden Spezies vertragen sich nicht.
6. Sehr interessant wäre für mich jetzt der bildliche Nachweis etwa von 2 verschiedenen Serviformica-Arten in einem Raptiformica-Nest. Vielleicht gibt es das???
L.G.
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Re: Formica (Raptiformica) sanguinea und Polyergus rufescens

Beitragvon Hoffer » Montag 25. August 2014, 10:49

Hallo Zusammen!
Am Freitag nach der Arbeit wollte ich noch kurz bei einem erst vor kurzem entdeckten Polyergus- Nest vorbeischauen, da war aber wenig Aktivität. Daher bin ich auch noch zu einem in der Nähe befindlichen Raptiformica- Nest gegangen...
Was tummelt sich da im Gras? - Eine Armee von Amazonenameisen (dieses Nest konnte ich bis heute nicht finden, das Gras ist zu hoch...) auf direktem Weg zum Nest der "Blutroten Raubameisen"!!! Ich dachte nur "verdammt, die Kamera liegt im Auto, das geht sich nicht mehr aus, um das Ankommen der Amazonen am Raptinest zu beobachten", das wollte ich auf keinen Fall versäumen, daher entschloss ich mich den Anfang des Überfalls zu beobachten und die Kamera erst im Anschluss zu holen...

Beim Raptiformica- Nest handelt es sich um eine "gestandene" Kolonie mit recht impossanten "Majoren" und zumindest 2 dazugehörigen kleinen Zweignestern.

Die Amazonen erreichen das Nest:
Der Überraschungseffekt mißlingt, die Amazonen wurden kurz vor Ankunft am Zielnest entdeckt und es wird Alarm gegeben! Es geht Alles so schnell...
Zuerst war die Strategie der Raptis, die Eingänge zu verschließen - Nur wenigen Amazonen gelang es in das Innere des Nestes vorzudringen. Beißender Geruch liegt in der Luft, Ameisensäure - es war eine regelrechte Wolke über dem Nest.

Erste Kampfhandlungen:
Zu Beginn hatte die eintreffende Amazonenarmee die Oberhand an der Nestoberfläche. Das eingestzte Propagandapheromon zeigte anfangs bei den Verteidigern Wirkung - Das Chaos war groß und die Raptiformicas attakierten und verbissen sich gegenseitig. Aber ich hatte das Gefühl, als würden die Amazonen ihren "Fehler" langsam erkennen - diesesmal haben sie sich das "falsche" Nest ausgesucht...

Die Kräfteverhältnisse kippen:
Aus den zuvor hastig verschlossenen Eingängen strömen Massen!!! von Raptis heraus - sie attakieren Alles und jeden, der ihnen zwischen die Mandibeln kommt. Mittlerweile scheint auch das Propagandapheromon an Wirkung zu verlieren. Die Raptis greifen immer gezielter die Amazonen an und nicht mehr ihre eigenen Schwestern. Das Gemetzel nimmt seinen Lauf. Die Amazonen sind von nun an nicht mehr bedacht in das Nest einzudringen, sondern kämpfen um ihr Leben...

Rette sich wer kann...:
Die Amazonen haben erkannt, dass es hier nichts zu "Ernten" gibt. Wer kann tritt den Rückzug an - doch in dem Chaos ist das nicht so einfach, überall zornige Raptis, die anscheinend nur eines im Sinn haben - Rache! Ich habe soetwas zuvor noch nicht beobachtet... Die Amazonen flüchten sich auf Grashalme und man hat das Gefühl, als würden sie sich denken "verdammt, wie komme ich von hier bloß wieder heil nach Hause"...

Seit Beginn des Überfalls sind keine 5 Minuten vergangen, so schnell ging Alles.
Nun bin ich schnell zum Auto gelaufen um meine Kamera zu holen, damit ich wenigstens ein paar Eindrücke in Bild festhalten kann...

Bilder folgen...

LG Andreas.
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Re: Formica (Raptiformica) sanguinea und Polyergus rufescens

Beitragvon Boro » Montag 25. August 2014, 13:16

Danke für die Schilderung des tollen Erlebnisses! Ich kann gut nachempfinden, wie spannend das ist! Da krieg ich die Gänsehaut.....

Ich vermute den Fehler der Amazonen in der Botschaft, welche die scouts nach Hause bringen: Alarm, mir nach, wir haben ein Wirtsnest entdeckt! Dabei kann es durchaus vorkommen, dass die scouts bei einem Raptiformica-Nest vorerst dort auf ein paar Serviformica-Sklaven treffen u. sozusagen in der "irrigen Annahme", dass es sich um ein Serviformica-Nest handelt, Alarm schlagen. Wenn sie die "Zielkoordinaten" einmal fixiert haben, kann da kommen was wolle, sie marschieren......
Ich kann mir kaum vorstellen, dass Raptiformica generell zu poteniellen Wirtsameisen zählt, obwohl ich vor etlichen Jahren einmal einen erfolgreichen Überfall der Amazonen auf ein kleines Raptiformica X F. fusca-Nest beobachten konnte (Bericht damals im alten AF) und mit Erstaunen feststellen konnte, dass ein paar Wochen später einige Raptiformica-Arbeiterinnen im Polyergus X F. cunicularia Nest (!!) herumliefen, sogar in der folgenden Saison waren noch ein paar Raptiformica im Nest nachweisbar, obwohl sie von den Hilfsameisen des öfteren rüde behandelt u. aus dem Nest gezerrt wurden.
SEIFERT schreibt auf S. 331: "Raubzüge gegen andere Polyergus-Nester oder Formica sanguinea können auftreten." Nun, den Satz müsste man jetzt anders formulieren: Raubzüge gegen Formica sanguinea können auftreten, jene gegen andere Polyergus-Nester kommen immer wieder vor und dienen der Vernichtung der Konkurrenz. So weit ich mich erinnern kann, hat damals ein Kollege anlässlich einer Exkursion in Zentralasien sehr glaubhaft von einem Überfall auf ein Nest von Cataglyhis berichtet (Diskussion im alten AF)
Nebenbei habe ich noch im alten AF über sehr seltene, völlig fehlgeschlagene Angriffe der Amazonen gegen große Nester v. F. rufibarbis berichtet: 1 Angriff wurde bereits im Vorfeld (Schotterweg) v. alarmierten Serviformica durch massives Auftreten zurückgeschlagen, 2 andere Angriffe wurden v. einem anderen Amaszonenheer in zwei aufeinanderfolgenden Jahren jeweils einmal gegen das gleiche Nest in eine totale Niederlage durch Flucht u. Verfolgung durch F. rufibarbis einschließlich der Besetzung deren Nestoberfläche durch fast 20 Min. gewandelt. Auch damals war die Ameisensäure der Serviformica deutlich wahrzunehmen!
Dieses Erlebnis motivierte mich an F. clara zu denken, weil in der Literatur derartige Angaben fehlen; die Bestimmung v. eingesandten Belegen ergab aber F. rufibarbis.

Aus so einem Erlebnis muss man eine Lehre ziehen: Der Jäger geht nie ohne sein Büchserl auf die Jagd, der Naturforscher nie ohne seine Kamera!
Keine Bange, mir ist das in anderer Form passiert: Kamera dabei (leider ohne Speicherkarte!!). Gute Fotos wären natürlich sensationell gewesen......
L.G.
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Re: Formica (Raptiformica) sanguinea und Polyergus rufescens

Beitragvon Hoffer » Montag 25. August 2014, 13:37

Ja, so ist es, aus Fehlern soll man lernen...
Und auf deine tollen Berichte im alten AF kann ich mich nur zu gut erinnern - super!

Habe hier noch gerade einen recht interessanten Bericht auf "eusozial" gefunden. Da experimentiert ein Halter mit Polyergus und diversen Formica- Arten (bis zu 4 verschiedene!) als Sklaven, unter anderem hat er auch Raptiformica integriert...

http://eusozial.de/viewtopic.php?f=26&t=2931&p=30331&hilit=polyergus#p30331

LG
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Re: Formica (Raptiformica) sanguinea und Polyergus rufescens

Beitragvon Boro » Montag 25. August 2014, 18:27

Ja, interessant, ich kenne den Autor auch persönlich und weiß, dass er sich schon sehr lange mit Polyergus beschäftigt. Gespannt bin ich nur, wie es aussieht, wenn die ersten Polyergus Arbeiterinnen schlüpfen; ich vermute, da wird es gröbere Probleme geben......
Ich mache solche Versuche nicht, weil es mir ausschließlich um die möglichst erfolgreiche Aufzucht von Nestern und deren Freisetzung geht. Mein junges Polyergus X F. cunicularia-Nest ist seit einer Woche im Freien und wurde bisher 3 Mal kontrolliert und gefüttert. Alles paletti!
Die Tatsache, dass die erste dominante Serviformica-Art in einem jungen Polyergus-Nest (Gründungsnest) den "Ton angibt" und später eingetragene Serviformica-Arbeiterinnen einer anderen Art durchaus beseitigen kann, ist für mich schlüssig. Hier nähern wir uns Forschungsergebnissen aus Amerika (Publikation müsste ich erst länger suchen) die besagen, dass Amazonen nur (od. fast nur) Zielnester jener Hilfsameisen-Art angreifen, bei denen ihre Königin einst gegründet hatte, d. h., dass die eingetragenen neuen Arbeiterinnen-Puppen zur gleichen Art wie die vorhandenen Hilfsameisen gehören. So weit sind wir in Europa mit P. rufescens noch nicht!

Für die Problemstellung an sich lassen sich durch Freilandforschung zahlreiche Fakten anführen:
1. Nest Polyergus X F. fuscocinerea 2009: Obwohl ich selbst 2 Plünderungen dieser Amazonen bei F. fusca beobachten konnte, befand sich im Nest keine einzige Arbeiterin dieser Art.

2. Nur in einem Revier 2 bis 3 Nester Polyergus X F. cunicularia X F. fusca zu etwa gleichen Teilen, Hilfsameisenarten, die sich lt. Fachliteratur nicht vertragen. Hier könnte der v. Mattheis angesprochene "Überrollungseffekt" durch das Schlüpfen einer zweiten Hilfsameisenart in größerer Zahl eingetreten sein. Für das Zusammenleben dieser Arten gibt es bereits mehrere Bilddokumente.
In diesen dreifach gemischen Nestern überleben interessanter Weise keine der oft eingetragenen F. rufibarbis-Puppen. In diesen Nestern konnte ich bisher keine einzige F. rufibarbis entdecken, möglicherweise ist hier F. fusca schuld (!)

3. Das oben angesprochene Überleben einiger Raptiformica-Arbeiterinnen, die in ein Polyergus X F. cunicularia eingetragen wurden.

4. In Polyergus X F. cunicularia-Nestern sind F. rufibarbis-Arbeiterinnen bei uns selten anzutreffen, obwohl in dieser Gegend oft F. rufibarbis-Nester geplündert werden.

Für die genannten Beispiele können durchaus regionale Faktoren eine Rolle spielen. Die Verhaltensweisen v. Polyergus sind für Mitteleuropa keinesfalls in allen Verhaltensäußerungen ident (siehe z. B. Schwarmtätigkeit bzw. Fortpflanzungsstrategien in Norditalien/Kärnten). Der kaum flächendeckende Genfluss einer so seltenen und sehr zerstreut vorkommenden Art dürfte minimale Verselbständigungen im Verhalten zulassen.

Ein Faktum bleibt bestehen: Obwohl Brut verschiedener Arten in einem Nest mit einem vereinheitlichten Nestduft aufgezogen wird, müssen schlüpfende Jungtiere noch eine Spur artspezifischen Duftprofils aufweisen!
L.G.
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Re: Formica (Raptiformica) sanguinea und Polyergus rufescens

Beitragvon Hoffer » Dienstag 26. August 2014, 13:56

Hallo Zusammen!
Hier nun die versprochenen Bilder. Leider muss ich zugeben, dass sie nicht die beste Qualität haben - sorry! Ich bin selber enttäuscht, habe mir mehr erwartet...

Hier mal eine Übersicht vom "Schlachtfeld":
Schlachtfeld (FILEminimizer).JPG


Das Chaos unter den Verteidigern ist zu Beginn groß, häufig verbeißen und bekämpfen sich die Schwestern gegenseitig:
Wirkung_Pheromon (FILEminimizer).JPG


Aber bereits nach kurzer Zeit läßt die Wirkung des Propagandapheromons von P.r. nach und die Raptis gewinnen schnell die Oberhand. Die P.r. ergreifen die Flucht und es sind nur noch vereinzelt welche zu sehen:
RS_überlegen (FILEminimizer).JPG


Viele Amazonen versuchen verzweifelt auf umliegende Grashalme zu flüchten:
PR_auf_Gras (FILEminimizer).JPG


Die Schlacht ist zu Ende und der eindeutige Sieger ist die "Blutrote Raubameise"! Aber bei so impossanten Kriegerinnen wie auf dem nächsten Bild zu sehen (Größenvergleich zu einer Serviformica, ich vermute F. cunicularia oder aus der cinerea- Gruppe - Boro?), war das keine Überraschung:
RS_Majore (FILEminimizer).JPG


Einigen wenigen Amazonen ist es zwar gelungen Puppen zu rauben, allerdings war der Preis dafür an diesem Tag sehr hoch...

LG Andreas.
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Re: Formica (Raptiformica) sanguinea und Polyergus rufescens

Beitragvon Reber » Dienstag 26. August 2014, 15:41

Hallo Hoffer,
vielen Dank für den Bericht und die Bilder, die den Verlauf doch eindrücklich genug schildern! Ich hoffe, du hast das nötige Glück, das Nest dieser Polyergus rufescens Kolonie zu finden. Mich würde nämlich interessieren, wie es dort mit der Zusammensetzung der Hilfsameisen ausschaut.

Btw. noch eine Frage/These: Falls es einem starken Polyergus rufescens Volk gelänge, durch glücklichen Zufall (kleine) Formica sanguinea Kolonien über einen längeren Zeitraum auszubeuten, wie würden sich wohl die geschlüpften F. sanguinea bei Raubzügen verhalten? Ihrer Natur nach, wäre es ja nicht auszuschliessen, dass sie ihre Amazonen-"Schwestern" bei einem Raubzug ebenfalls begleiten...?

Oder ist es gar denkbar, dass die Nestverteidigerinnen von Formica sanguinea ihre Schwestern nicht der Verwirrung wegen angreifen, sondern berechtigterweise, weil es sich bei ihnen um Hilfs(Raub)ameisen von Polyergus rufescens handelt?
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Re: Formica (Raptiformica) sanguinea und Polyergus rufescens

Beitragvon Boro » Dienstag 26. August 2014, 16:42

Hallo Hoffer!
Trotzdem Super-Bericht, die Bilder sind in Ordnung: Es ist schwer in so einer Situation Fotos zu schießen. Will man eine Großaufnahme, kann es passieren, dass man wegen des turbulenten Geschehens unscharfe Bilder bekommt [hast du hier den Blitz verwendet?], geht man weiter weg, bekommt man das Geschehen zwar in den Griff, aber die Tierchen sind zu klein abgebildet.

Hier treffen zwei gegensätzliche Strategien aufeinander:
Die Amazonen sind gut "bewaffnet" und verfügen über "chemische Waffen", diese kommen aber nur im Nestinneren zum Tragen. Die Amazonen sind nur gegenüber den Majoren der Formica etwas kleiner, aber jedenfalls Einzelkämpfer; sie beherrschen nicht die Taktik der Teamarbeit wie Formica spp. Sind sie noch zahlenmäßig in der Unterzahl, haben sie keine Chance gegen diesen Gegner. Starke Amazonennester verfügen über bis zu 1500 Krieger, ein größeres Raptiformica-Nest kann viele tausend Bewohner beherbergen. Eine Ausnahme konnte ich vor vielen Jahren beobachten, da gab es in einem riesigen Nest (grob) gezählte 2000 Amazonen, die einige Male gleichzeitig Raubzüge gegen 2 völlig verschiedene Nester durchführten.

Hallo Reber: Einen wiederholten Überfall auf ein Raptiformica-Nest würde ich ausschließen; wie hier beschrieben kann das einmal vorkommen, aber es ist sicher ein seltenes Ereignis. Die Frage einer Beteiligung von Hilfsameisen an Raubzügen (u. U. auch Raptiformica) ist nicht klar zu beantworten: Aus D gibt es mehrere Berichte wonach Hilfsameisen (in erster Linie F. rufibarbis) Raubzüge begleiten und sich sogar an der Plünderung des fremden Nestes beteiligen. In meinem Beobachtungsradius ist dieser Vorgang absolut unbekannt, aus Ostösterreich sind mir diesbezügliche Berichte nicht bekannt, auch die italienischen Forscher, die sich etliche Jahre mit dieser Art beschäftigt haben, berichten dazu nichts.
Das ist es, was ich oben angesprochen habe, in verschiedenen Großregionen gibt es ganz offensichtlich unterschiedliche Verhaltensweisen v. Polyergus und deren Sklaven. Was besonders zu hinterfragen wäre, welcher Impuls das Mitlaufen der Hilfsameisen auslöst - ist es das chemische Signal zum Aufbruch, das die Hilfsameisen verstehen? Diese Frage zu klären, wäre hochinteressant!

Ich habe so viele Raubzüge beobachtet, dass ich garnicht mehr sagen kann, wie viele es in den vergangenen 16 Jahren waren; dabei habe ich - in Unkenntnis des gerade angesprochenen Problems - auch das Verhalten verschiedener Hilfsameisen zum Zeitpunkt des Abmarsches der Amazonen immer genau beobachtet: Ausnahmslos herrschte Aufregung unter den ebenfalls vor dem Nesteingang versammelten Hilfsameisen, subjektiv betrachtet musste ich immer wieder feststellen, dass sich absolute "Ratlosigkeit" während des Abmarsches der Truppe breit gemacht hat. Keine Hilfsameise ist auch nur 10 cm mitgelaufen. Ich muss davon ausgehen, dass die Hilfsameisen die Botschaft zum Aufbruch keineswegs "verstanden" haben.
Da müsste man jetzt mit der Forschung ansetzen: Wann setzen sich wie viele Hilfsameisen in welcher Formation und in welchem möglicherweise artspezifischen Verhalten zur Begleitung der Amazonen in Bewegung? Wie verhalten sich die Hilfsameisen vor dem Zielnest, attackieren sie z. B. auch artgleiche Ameisen? Man darf hier eines nicht vergessen: Serviformica u. speziell F. rufibarbis führt generell keine Raubzüge durch, gegen niemanden! Was mag sie veranlassen, es ihren "Herren" gleich zu tun??
Bei "meinem" Überfall auf Raptiformica war es so, dass in diesem Nest noch mehr F. fusca vorhanden waren als Raptiformica. Es wurden daher sowohl massenweise Hilfsameisen-Puppen (wohl bereits als Ergebnis der ersten Raubzüge v. Raptiformica!) als auch Puppen von Raptiformica weggetragen. Soweit ich mich erinnern kann, waren dann später im Nest viell. ein bis drei Dutzend Raptiformica vorhanden, die sich nicht an Raubzügen der Amazonen beteiligten, es waren sicher ganz einfach zu wenige! Sollten etwa ein paar hundert Raptiformica-Arbeiterinnen in einem Polyergusnest vorhanden sein - woran ich in der freien Natur nicht glauben kann - wäre das Problem viell. neu zu bewerten - oder das Kräfteverhältnis kippt und Raptiformica übernimmt das "Kommando". Das sind aber nur Spekulationen.....
L.G.

Edit: Hab ganz vergessen auf die sichtbare Hilfsameise bei Raptiformica einzugehen: Aus der Abb. kann man sie nicht identifizieren, aber von der Farbgebung her würde ich F. fusca ausschließen, F. cunicularia z. B. wäre möglich!
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Boro
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Re: Formica (Raptiformica) sanguinea und Polyergus rufescens

Beitragvon Hoffer » Mittwoch 27. August 2014, 09:58

Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass Serviformicas gezielt an einem Raubzug teilnehmen, denn sie "wissen" ja nicht einmal was das ist! Bei den Meldungen aus D könnte ich mir vorstellen, dass es sich hierbei um mit Brut flüchtende Arbeiterinnen aus dem überfallenen Nest handelt - aber was weiß man schon, diese kleinen Krabbler haben mich schon so oft überrascht...

@ Boro: F. fusca und F. fuscocinerea kann ich ausschließen...

Auf dem Gelände (ein schon seit längerem stillgelegter Frachtenbahnhof mitten in Wien, 2. Bezirk - super!) wo sich das alles zugetragen hat, bin ich mir ziemlich sicher, dass es zumindest 3 P.r.- Nester gibt. Eines davon habe ich gefunden und ist auch schön einsehbar, da es am Wegrand liegt. Das zweite ist eben jenes, welche die Raptis überfallen haben - hier kann ich den Neststandort auf ca. 20 m² eingrenzen, aber das Gras ist hier so hoch, dass es nicht einfach ist es zu finden und ich will ja nicht unabsichtlich draufsteigen. Und dann habe ich schon ein paar mal einzelne Scouts von P.r. auf einem Weg herumlaufen sehen, die nicht zu den beiden bekannten Nestern gehören können, da die Entfernung zu diesen zu groß ist (> 200 m). Also eine "gesunde" Amazonenpopulation...

Zu dem Bericht gibt es auch noch eine kleine Vorgeschichte, die Grund zu Spekulationen gibt...:
Das Raptinest ist mir schon länger bekannt und ich besuche es bestimmt 1x die Woche. Vor ein paar Wochen habe ich schon einmal eine tote P.r. am Nestrand gefunden... War das nur ein erlegter Scout, oder hat P.r. dieses Nest schon öfter angegriffen? Gehen wir mal davon aus, dass es sich um einen Angriff gehandelt hat, warum begeht P.r. diesen "Fehler" zumindest schon das 2te mal, haben sie daraus nicht "gelernt"? Oder handelt es sich hierbei etwa um "Verzweiflungstaten" da es an Alternativen Sklavennestern mangelt? Die beiden Nester der Amazonen und Raptis liegen sehr dicht nebeneinander (max. 20 m) und die Raptis sind sehr aktiv, was das Ausbeuten und Vernichten der umliegenden Sklavennester betrifft. Den ganzen Sommer über kann ich schon beobachten, wie sie diese Nester erfolgreich abernten. Haben die Raptis ihrerseids vielleicht schon mal einen Angriff auf das Amazonennest gestartet (gibt es solche Angriffe überhaupt, oder erkennen die Raptis das Vorhandensein von P.r. und meiden diese Nester), wenn ja, wie ist die Reaktion der beheimateten Amazonen? Verteidigen sie ihr Nest mit der selben, guten Organisation und Konsequenz, wie sie ihre eigenen Angriffe durchführen...? Fragen über Fragen, ich muss dieses Nest von P.r. finden!

LG Andreas.
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Hoffer
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Re: Formica (Raptiformica) sanguinea und Polyergus rufescens

Beitragvon Boro » Mittwoch 27. August 2014, 11:04

Die Begleitung der Raubzüge v. P.r. zumindest durch F. rufibarbis ist durch einige Stellen in der Literatur belegt (wäre mühsam das jetzt zu suchen....) und ich weiß es durch Infos "aus berufenem Munde" v. einem Biologen, der sich u. a. schon sehr lange mit Polyergus beschäftigt. Du hast vollkommen recht, die Begleitung durch Hilfsameisen klingt widersinnig, da Serviformica keine selbst initiierten Raubzüge kennt, wohl aber Raptiformica und auch Formica s. str. neigt nach meinen Beobachtungen durchaus dazu andere Arten zu belästigen, deren Nesteingänge zu belagern und mitunter leicht erreichbare Beute zu machen.

Das wäre genau der Punkt - wie bereits oben festgestellt - der zu erforschen wäre: Welcher Impuls ist notwendig um Hilfsameisen zu einem artspezifisch fremden Verhalten zu veranlassen. Auch eine Beteiligung der eher noch aggressiveren F. clara (die zur Zeit einiger Schilderungen noch nicht taxonomisch erfasst u. meist F. rufibarbis zugeordnet war) erschiene nicht erklärbar.
Übrigens: Im Wiener Raum soll F. clara nicht selten sein; wäre interessant, wenn du einmal so ein Nest lokalisieren u. viell. ein Zusammentreffen mit Polyergus schildern könntest. Die Art ist aber schwer zu bestimmen....

Bisher konnte ich leider noch nie einen Überfall v. Raptiformica auf ein sehr starkes Nest v. F. rufibarbis sehen, dazu war auch nirgends ein Bericht zu finden. Vor etwa 3 Wochen konnte ich beobachten, wie das Auftauchen einiger Raptiformica-Arbeiterinnen schlagartig zu heller Aufregung bei den Bewohnern eines F. rufibarbis-Nestes geführt hat: Bestimmt über 100 Arbeiterinnen sind wie wild über das Nest u. dessen nahe Umgebung gelaufen, ein Angriff v. Raptiformica blieb dann aber - aus welchen Gründen auch immer - aus.

Die bei Raptiformica sichtbare "graue" Hilfsameise könnte dem Habitat entsprechend auch F. fuscocinerea sein, so viel ich weiß, ist das die einzige Art aus der "cinerea-Gruppe", die in Wien u. NÖ vorkommt. Du kannst aber nächstes Mal auch einige Exemplare einfangen; wenn du sie nicht bestimmen kannst, könntest du sie mir zur Bestimmung zusenden! Die Ausrottung von Serviformica spp. durch Raptiformica ist vorstellbar u. wäre ein (spekulatives) Argument für den Angriff v. Polyergus auf Raptiformica!
L.G.
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Re: Formica (Raptiformica) sanguinea und Polyergus rufescens

Beitragvon Trailandstreet » Mittwoch 27. August 2014, 11:07

Ich könnte mir gut vorstellen, dass es zum einen tatsächlich an Alternativen mangelt, da anscheinend keine oder nur wenige serviformica vorhanden sind. Andererseits könnte es auch einfach die Bekämpfung eines Konkurrenznestes sein.
Da müsste man wohl auch mal die vorhandenen Nester der serviformica zählen.
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Re: Formica (Raptiformica) sanguinea und Polyergus rufescens

Beitragvon Xeras » Mittwoch 27. August 2014, 11:17

Hallo Ihr lieben ,

Schöne Berichte !

Leider verstehe ich die Abkürzungen bei der Beschreibung zu den Raubzügen bei Punkt 5 . nicht wirklich. Zwischen E 5 und M 8 ? und M 7 und A 9 ?

Wäre nett wenn mich da jemand etwas aufklären könnte :)

Ich suche immer noch das Ursprungsnest der Blutroten Raubameise die letzes Jahr bei mir im Garten über die Gehwegplatten spaziert war. Im umkreis von 500 Metern konnte ich weder ein Servi noch Raptiformica Nest finden :( .

MfG Xeras
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Re: Formica (Raptiformica) sanguinea und Polyergus rufescens

Beitragvon Reber » Mittwoch 27. August 2014, 12:35

Xeras hat geschrieben:Leider verstehe ich die Abkürzungen bei der Beschreibung zu den Raubzügen bei Punkt 5 . nicht wirklich. Zwischen E 5 und M 8 ? und M 7 und A 9. Wäre nett wenn mich da jemand etwas aufklären könnte


Die Zahlen bezeichen die Monate: 5 = Mai, 8 = August.

Die Buchstaben stehen für:
Anfang = A
Mitte = M
Ende =E

E5 bis M8 bedeutet also Ende Mai bis Mitte August.
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Re: Formica (Raptiformica) sanguinea und Polyergus rufescens

Beitragvon Hoffer » Mittwoch 27. August 2014, 15:29

Hallo Zusammen!
Gefällt mir, dass hier so schön spekuliert und diskutiert wird! Leider ist die Saison schon bald zu Ende und der Sommer war ja generell (zumindest in Wien) nicht der schönste...

F. fuscocinerea kann ich als Hilfsameisen ziemlich sicher ausschließen - in Wien auf der Donauinsel gibt es eine Superkolonie von ihnen und auch auf dem besagten Gelände gibt es zumindest eine große Kolonie mit dutzenden Nestern. Sie sehen von der Farbe etwas anders aus (ich finde sie haben nicht so einen hohen braun/rot- Anteil, wie die zu sehende Hilfsameise...) und haben im Sonnenlicht einen leicht silber schimmernden Glanz. Außerdem sind sie SEHR agressiv. Wenn man in der Nähe eines Nestes steht, wird man sofort attakiert.

Auch würde ich gerne auf die von Boro angesprochenen regionalen Verhaltensunterschiede bei Polyergus rufescens näher eingehen, denn was mir bei den Berichten und Bildern von Boro schon öfter aufgefallen ist, sind die hohen Verluste bei den überfallenen Nestern. Wo nach einem Überfall etliche Leichen der Serviformicas an der Nestoberfläche zurückbleiben. Solch ein Verhalten konnte ich noch NIE beobachten! Es kam vielleicht mal vor, dass ich 2- 3 Tote Hilfsameisen entdecken konnte, aber so viele niemals.

LG Andreas.
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