Duftende Ameisen

Duftende Ameisen

Beitragvon Merkur » Freitag 22. Mai 2015, 17:20

Es handelt sich um Megaponera foetens (älteres Synonym Pachycondyla analis)
(Nach einem Beitrag in Ameisenschutz aktuell 4/2002, aktualisiert)

Die lateinischen Namen sagen es bereits: Megaponera foetens, wie diese Ameise jetzt seit 2014 wieder heißt, ist wörtlich übersetzt die “Stinkende Riesen-Urameise”. Sie ist nun die einzige Art dieser Gattung.
Zwischenzeitlich wurde sie als Pachycondyla analis bezeichnet (BOLTON 1995), aber auch der Artname “analis” leitet sich bezeichnenderweise vom lateinischen “anus” = After ab. Und in der Tat, der Duft dieser großen schwarzen Tiere ist umwerfend aasig-fäkalisch.

Ameisen nehmen wir mit allen unseren Sinnen wahr, mit dem Auge natürlich, auch mit dem Ohr können wir viele Arten zirpen hören (Stridulation), oder das Rascheln, wenn Waldameisen über Falllaub krabbeln. Fasst man Ameisen an, können sie meist beißen oder stechen, was manchmal recht ungute Gefühle hervorruft.
Wie aber steht es mit Geruch und / oder Geschmack? Die ätzend riechende Ameisensäure der Schuppenameisen (Formicinae) fällt uns direkt ein. Viele Arten haben Alarm- oder Wehrsekrete, die ebenfalls deutlich wahrnehmbar sind, wenn man ein paar Tiere zwischen die Finger nimmt. Manche gelben Lasius-Arten, aus der Untergattung Chthonolasius, deren Weibchen sozialparasitisch ihre Kolonien gründen, riechen ausgesprochen aromatisch, nach Fruchtestern, wie z.B. eine Zitrone. Die seltene Lasius carniolicus etwa kann man im Freiland daran besser erkennen als nach allen morphologischen Merkmalen.

Der “Holzessig”- Geruch der Lasius fuliginosus ist ein weiteres bekanntes Beispiel. Aber auch viel kleinere Arten kann man riechen bzw. schmecken: Insbesondere wenn man die Tiere mittels Saugrohr (Exhaustor) aufnimmt, der durch Ansaugen von Luft mit dem Mund betrieben wird, schmeckt man ihre Sekrete. Sie stammen bei Leptothorax aus den Mandibeldrüsen und erscheinen auch bei diesen Arten für uns angenehm fruchtig.
Schließlich gibt es Leute, die bestimmte Ameisen als Nahrungsmittel schmackhaft finden (z.B. HOPKINS & FREEMAN 1999; MASCHWITZ & MASCHWITZ 2001; WISNIEWSKI 1992).

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Abb. 1: Gut zwei cm lang sind die Arbeiterinnen der afrikanischen Ponerine Megaponera foetens, der “Stinkenden Riesen-Urameise”. Ihre Größe wird deutlich im Vergleich zu einem Mehlwurm bzw. einer Mehlkäferpuppe. Beide werden als Nahrung akzeptiert.
Zurück aber zu den “duften Ameisen” aus dem Süden Afrikas, der Megaponera foetens. Angetroffen habe ich sie auf einer Urlaubsreise im März 2002 in Botswana und im Norden Namibias. Die sehr großen, tief schwarzen Tiere (Abb. 1) sind nicht zu übersehen, zumal sie ebenso wie einige verwandte Arten auch richtige organisierte Raubzüge machen. Mit einem Heuschreckenbein kann man so eine Ameise rasch ködern. Brav trägt sie es zum Nest, einem einfachen Loch im Boden. Das lässt sich einigermaßen leicht aufgraben. Aber schon dabei fällt es auf: Nest und Ameisen riechen gar nicht gut!
Wegen des kräftigen Wehrstachels habe ich es vermieden, die Tiere mit der Hand einzufangen, habe lieber eine Pinzette benutzt. Zum Glück (für mich) sind sie nicht in der Lage, an glatten Plastikflächen hoch zu klettern, blieben einfach vor sich hin stinkend unten in der PVC-Flasche.

Immer wieder sahen wir einzelne dieser Duftbomben mit Beute. Bevorzugt sind Termiten, die sie Richtung Nest tragen. Aber im Chobe-Nationalpark (Botswana) konnten wir auch geordnete Raubzüge von Megaponera sehen. Zuerst dachte ich, es handle sich um einen Zug der berühmten Heeres- oder Wanderameisen (Dorylinae): In raschem Lauf überquerte die Truppe die Sandpiste vor dem Auto (Abb.2).

2-Megaponfoet-Raubzg.jpg
Abb. 2: Raubzugskolonne von Megaponera foetens im Chobe-Nationalpark, Botswana.
Ziel war ein Haufen Elefantenmist am Wegrand. Die Ameisen stürzten sich geradezu hinein. Anscheinend war der Klumpen von Termiten durch unterirdische Gänge erschlossen worden; die unverdauten Nahrungsreste der Elefanten sind ja auch nichts wesentlich anderes als das für Termiten als Nahrung sonst übliche Pflanzenmaterial. Sekunden später wurden jedenfalls tote oder gelähmte Termiten in großer Zahl aus dem Elefantenmist hinaus geworfen (Abb. 3). Bald darauf erfolgte der Abtransport Richtung Megaponera-Nest, das irgendwo im dornigen Gestrüpp gelegen war. Leider war es schon Abend, kurz bevor der Park für die Nacht geschlossen wurde, so dass keine Zeit für die weitere Suche verblieb.

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Abb. 3: Das Ziel des Raubzuges: Ein Elefanten-Dunghaufen, aus dem gestochene und gelähmte Termiten als Beute hinaus geworfen werden.
Von dem andernorts ausgegrabenen Nest habe ich einige Dutzend Tiere lebend mitgenommen. Sie mussten immer im Auto übernachten, und für die Heimreise konnte ich sie dank des aufdringlichen Dufts auch nicht mit in die Kabine nehmen, musste sie im Gepäck aufgeben. Im Frachtraum wurden sie wohl doch ziemlich gekühlt, was zu Hause einige Opfer forderte. Immerhin blieben genügend Tiere am Leben, so dass noch ein paar Beobachtungen und Fotos möglich waren, und vor allem, dass ich meine Studenten mit dem olfaktorischen Erlebnis beeindrucken konnte.

Über Megaponera / Pachycondyla ist bereits sehr viel geforscht worden, über ihr Jagdverhalten (z.B. LONGHURST & HOWSE 1977), über Spursekrete u.a. (z.B. JANSSEN et al. 1995; HÖLLDOBLER et al. 1994), aber Hinweise auf Ursprung und chemische Zusammensetzung ihres Stinksekrets sind schwer zu finden. Skatol soll es enthalten, eine der Verbindungen, die menschlichen Exkrementen die Duftnote verleihen.

Aber auch andere Ameisenarten schmücken sich mit Fäkaldüften, und da ist zum Teil mehr bekannt. So schreiben LAW et al. (1965) über eine Pheidole fallax aus Trinidad, dass deren Soldaten, nicht aber die Arbeiterinnen, einen Fäkalgeruch erzeugen. In ihrer vergrößerten Giftblase fand man eine stark riechende Indol-Verbindung, wahrscheinlich ebenfalls Skatol.
Aus der Arbeit geht weiterhin hervor, dass Männchen von ganz gewöhnlichen Lasius-Arten (L. neoniger, L. alienus, Acanthomyops claviger) mittels ihrer Mandibeldrüsen im Kopf einen Fäkalgeruch erzeugen, der hier jedoch eine Rolle als Sexuallockstoff zu spielen scheint. Man soll über den Geschmack der Lasius-Damen nicht die Nase rümpfen: Indol und Skatol werden auch in der Parfüm-Industrie genutzt, zum Stabilisieren und Modifizieren der “erwünschten” Düfte. Hinreichend verdünnt entwickeln sie sogar selbst einen Blumenduft. :)

Literatur
BOLTON, B. (1995): A New General Catalogue of theAnts of the World. Harvard Univ. Press, Cambridge, Mass., 504 S.
HÖLLDOBLER, B., C. PEETERS & M. OBERMAYER (1994): Exocrine glands and the attractiveness of the ergatoid queen in the ponerine ant Megaponera foetens. Insectes soc. 41, 63-72.
HOPKINS, J. & M. FREEMAN (1999): Strange Food - Skurrile Spezialitäten. Insekten, Quallen und andere Köstlichkeiten. Komet MA-Service und Verl.-Ges. Frechen, 232 S.
JANSSEN, E., H.J. BESTMANN, B. HÖLLDOBLER & F. KERN (1995): N,N-dimethyluracil and actinidine, two pheromones of the ponerine ant Megaponera foetens (FAB.) (Hymenoptera: Formicidae). J. Chem. Ecol. 21,1947-1955.
LAW, H.L., E.O. WILSON & J.A. MC CLOSKEY (1965): Biochemical polymorphism in ants. Science 149,544-546.
LONGHURST, C. & P.E. HOWSE (1977): Predatory behaviour of Megaponera foetens on termites in Nigeria. Proc. 8th Int Congress of the IUSSI, Wageningen, p. 121-122.
MASCHWTTZ, U. & E. MASCHWITZ (200l): Eine seltsame Begegnung: Ameisenernte in Thailand. Ameisenschutz aktuell 15 (4), 110-113.
WISNIEWSKI, J. (1992): Ameisen als Nahrungs- und Genussmittel. Ameisenschutz aktuell 6 (3), 66-68.

MfG,
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