Plagiolepis vindobonensis syn. P. taurica

Plagiolepis vindobonensis syn. P. taurica

Beitragvon Boro » Montag 28. April 2014, 15:20

Die Arten aus der Gattung Plagiolepis werden nur wenige user in Haltung haben. Warum? Weil es sich um winzige Ameisen handelt, 1 - 1,5 mm, Repleten können minimal länger werden. In Mitteleuropa gibt es (selten) 3 Arten: Plagiolepis vindobonensis, Pl. pygmaea und der Sozialparasit Pl. xene. Zusätzlich zu ihren sehr verstreuten, seltenen Vorkommen muss man auch sehr gute Augen haben um sie überhaupt zu finden! Es sind in der Regel wohl die kleinsten Ameisen in Mitteleuropa, nur bei Solenopsis fugax konnte ich isolierte Nester ohne Kleptobiose (Brutdiebstahl bei fremden Nestern) finden, die ähnlich winzige Tiere im Nest hatten.
Die Arten sind nicht gut erforscht, dabei weisen sie eine spannende Biologie auf, vor allem Pl. xene mit flügellosen Weibchen und ausschließlich intranidaler Begattung. In manchen Nestern v. Pl. pygmaea leben viele Weibchen des Sozialparasiten, welche die hauseigenen Weibchen leben lassen, aber deren Fruchtbarkeit durch Fressen ihrer Eier (Oophagie) reduzieren.
Alle 3 Arten sind ausgesprochen xerothermophil u. kommen daher nur in Wärmegebieten vor, bevorzugt werden heiße Hänge mit reichlich Steinauflage.

Das 1. Bild v. Boro zeigt ein Unter-Steinnest aus Kärnten mit Pl. vindobonensis, Jungtiere sind jetzt im Frühjahr (noch?) gelblich gefärbt.
Die restlichen Bilder stammen vom Sohn Roman und sind aus Istrien, nachdem wir einige Belege bestimmt haben, handelt es sich um Pl. pygmaea. Beide Arten kann man ausschließlich unter dem Bino unterscheiden, der Betrachter in der Natur kann keine Unterschiede feststellen. Auch die bewohnten Habitate sind die gleichen, mit dem einzigen Unterschied, dass Pl. pygmaea noch thermophiler ist und im Süden häufiger auftritt.
Das Fotografieren ist schwierig, wegen der geringen Größe der Tiere, ihrer recht flinken Bewegungen und stets ohne Stativ.
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DSC02477a.jpg
Alt- und Jungtiere in einem Unter-Steinnest, das Foto stammt aus den ersten Apriltagen. Es ist unwahrscheinlich, dass alle Jungtiere bereits im März geschlüpft sind.
IMG_7701a.jpg
Pl. pygmaea aus Istrien. Mehrere Königinnen im Nest sind der Normalzustand. Für die Kriminalisten: Links unten im Eck gibt es etwas zu entdecken...
IMG_7684a.jpg
Die "hauseigenen" Königinnen sind sowohl bei Pl. vindobonensis als auch Pl. pygmaea entweder fast schwarz od. "kupferfarben" gefärbt. Die gelblichen Tiere sind Weibchen v. Pl. cf. xene
IMG_7685a.jpg
Die Weibchen des Parasiten zeigen im Gegensatz zu den hin und wieder vorkommenden gelblichen Arbeiterinnen des Wirtes einen breiten, gynomorphen Thoraxaufbau
IMG_7688a.jpg
Eine "gewagte" Vergrößerung: Wirtsameisen und Sozialparasiten mit Brut. Links oben im Eck sieht man die Nymphe eines Pseudoskorpions
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Re: Plagiolepis sp.

Beitragvon Reber » Montag 28. April 2014, 17:03

Immer wenn ich denke, ich wisse über die eropäischen Arten so ziemlich Bescheid, kommt der Boro mit einem neuen Fotobericht (ging mir schon bei Aphenogaster subterranea so). Und dann bleibt die bange Frage, bin ich den Viechern gar schon begegnet und hab nur zu wenig drauf geachtet, sie verwechselt?
Herzlichen Dank auf jeden Fall für deine Berichte Boro!
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Das worum du dich bemühst,
möge dir gelingen.“
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Re: Plagiolepis sp.

Beitragvon Merkur » Montag 28. April 2014, 17:18

Auch hier möchte ich hervorheben, dass das ganz excellente und bisher einmalige Bilder sind! (Sie sollten ins AWiki und ins Antwiki gestellt werden!)

Außer der recht weit verbreiteten Plagiolepis xene kommen in Südeuropa und Nordafrika sowie in der Türkei mehrere weitere Arten vor.
So hat LeMasne von der Côte d’Azur eine P. grassei beschrieben, von der wenige Arbeiterinnen mit den zahlreichen Gynen und – zeitweise – Männchen im Wirtsnest leben.
Plagiolepis ampeloni, bei P. vindobonensis, wurde von W. Faber aus Österreich beschrieben (als Aporomyrmex ampeloni, Gattung inzwischen zu Plagiolepis eingezogen).
Weitere mindestens fünf Arten, u.a. aus der Türkei und aus Algerien, harren noch der Beschreibung.
Auffallend oft gibt es bei diesen Parasiten polymorphe Gynen (geflügelt-apter-intermorph) und auch polymorphe Männchen. Das macht natürlich die Beschreibung besonders aufwändig, und wegen der hinfälligen Tiere kann man sie nicht ordentlich aufkleben und nadeln, geschweige denn genau ausmessen.
Eine noch immer aktuelle Übersicht ist hierin enthalten:
Buschinger, A. (2009): Social parasitism among ants: a review. (Hymenoptera: Formicidae).- Myrmecol. News 12: 219-235. http://www.myrmecologicalnews.org/cms/i ... ntable.pdf

MfG,
Merkur
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Re: Plagiolepis sp.

Beitragvon Boro » Montag 28. April 2014, 21:01

Dank an Merkur für die Ausführungen! Wir haben jetzt ein Nest Plagiolepis pygmaea x Pl. cf. xene (sicherheitshalber!) daheim u. versuchen es weiter aufzuziehen. Aber das Beobachten ist bei diesen winzigen Tieren enorm schwierig, man müsste dauernd ein Lupe darüber halten um die Verhaltensweisen/Aktivitäten zu erkennen.
Wenn ich mich nicht täusche, haben wir auch einen Beleg dieses Parasiten in Alkohol, da müssen wir erst einen Bestimmungsversuch wagen. Wenn ein Ergebnis vorliegt, erfolgt die Benachrichtigung!
L.G.Boro
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Re: Plagiolepis sp.

Beitragvon Merkur » Dienstag 29. April 2014, 08:39

Ich hoffe, dass es nicht unerwünscht ist, hier noch etwas mehr über die Sozialparasiten der Gattung Plagiolepis beizutragen.
So erschien in der Zeitschrift der Deutschen Ameisenschutzwarte „Ameisenschutz aktuell“ 7, S. 33, 1993, ein kurzer Beitrag über die Herkunft des Namens „Plagiolepis regis“. – Vermutlich hat kaum eine/r hier Zugang zu dieser Zeitschrift, so dass die Inhalte nicht unbedingt ein „alter Hut“ sind. Ich habe den Beitrag etwas aktualisiert.

Auf den Hund gekommen
Von Alfred Buschinger

Nicht immer ist es einfach, für die Beschreibung einer neu entdeckten Tierart einen passenden Namen zu finden. Manchmal trifft man auf recht originelle Lösungen. W. KARAWAJEW (Zool. Anz. 92, 1931, 309-317) hat 1931 über "Neue oder wenig bekannte paläarktische Ameisen" publiziert und dabei eine neu entdeckte Art, Plagiolepis regis, aus Daghestan, von der Umgebung des Kaspischen Meeres, beschrieben (heute: Kasachstan).
"regis" ist der Genitiv von lateinisch "rex" = König. Doch welchem König zu Ehren hat er seinen Neufund benannt?

Aufklärung gibt eine Fußnote in der Arbeit: "Ich benenne diese neue Art nach dem Namen des Hundes des Instituts der Daghestanischen Kultur in Machatsh-Kala, "Rex", welcher mich am Tage meiner Ankunft fürchterlich in die Wade gebissen hat".

Die Ameise selbst ist eine sozialparasitisch lebende Art. Sie trug von 1969 bis 1985 den Namen "Aporomyrmex" regis. Inzwischen wurde dieser, ebenso wie ein für andere parasitische Plagiolepis-Arten (einschließlich P. xene) vorgeschlagener Gattungsname „Paraplagiolepis“, aufgegeben; alle parasitischen Arten der Gruppe sind jetzt in die Gattung ihrer Wirte integriert.


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Re: Plagiolepis sp.

Beitragvon Boro » Dienstag 29. April 2014, 09:07

Ich bin dankbar für jede (qualifizierte) Stellungnahme auf dieser Seite, meine Info soll ja keine Einbahnstraße sein! Erläuterungen und Kommentare tragen dazu bei, das Niveau dieses Forums etwas anzuheben und das war ja einer der Grundgedanken anlässlich der Gründung. Danke für die Erklärung d. Artnamens, auch Schmunzeln ist erlaubt......
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Re: Plagiolepis sp.

Beitragvon Merkur » Dienstag 29. April 2014, 09:49

Eigentlich gibt es ja einen eigenen Bereich "Diskussionen zu den Fotos und Videos" viewforum.php?f=53. Dorthin könnten die Anmerkungen in diesem Thread verschoben werden. - Ich ließ mich von der bereits angelaufenen Diskussion verleiten, da weiter zu schreiben. :D
Es ist andererseits etwas unglücklich, wenn evtl. wichtige/interessante Zusatzinformationen weit weg vom ursprünglichen Beitrag platziert werden.
Vielleicht gibt's eine gute Lösung? - Zumindest ein Hinweis auf die Diskussion sollte in einem Beitrag gegeben werden!

(Anscheinend geht es nicht nur mir so: Wie man sich in einer neuen Wohnung oder einem neu bezogenen Haus im Anfang gerne etwas verirrt, so kann ich mich hier im AP auch noch nicht ganz "blind" bewegen! ;)
Zum Schmunzeln: Als wir vor vielen Jahren unser neues Haus bezogen hatten, fand ich mich nachts, hatte kein Licht angeschaltet um niemanden zu stören (oder den Lichtschalter nicht gefunden?), vor dem Bett eines meiner Kinder. .... Als ich den Deckel heben wollte, bemerkte ich zum Glück gerade noch rechtzeitig, dass ich die falsche Tür erwischt hatte!
Merkur :fettgrins:
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Re: Plagiolepis sp.

Beitragvon Boro » Mittwoch 22. Juli 2015, 13:40

Noch schnell Bilder von Plagiolepis vindobonensis (in diesem Fall determiniert). Gute Fotos sind schwierig, die Arbeiterinnen sind 1,5 mm lang! von Sohn Roman
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IMG_5152.JPG
Arbeiterin mit jungen Geschlechtstieren
IMG_5158.JPG
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Re: Plagiolepis sp.

Beitragvon Boro » Mittwoch 24. Februar 2016, 16:32

Wir (der Sohn und ich) haben gestern eine Publikation aus dem "Review" zurückbekommen und mussten feststellen, dass Plagiolepis vindobonens jetzt (wieder) Plagiolepis taurica benannt wird. Das Nomenklatur-Karussell dreht sich also weiter. Ich ändere derzeit noch nichts, weil ich zuvor dem Problem auf den Grund gehen muss.
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Re: Plagiolepis sp.

Beitragvon Boro » Dienstag 8. März 2016, 09:35

Nach einigen Recherchen konnte ich feststellen, dass wir es hier mit einer unübersichtlichen Nomenklatur zu tun haben: In den deutschsprachigen Bereichen wird P. vindobonensis bevorzugt, in den osteuropäisch-slawischen Bereichen P. taurica. Letztere Bezeichnung bezieht sich offenbar auf Fundorte im nördlichen Schwarzmeerbereich/HI Krim.
Laut Ant Web findet man unter Plagiolepis vindobonensis bei Taxonomic History (provided by Barry Bolton, 2016): Status of this name with respect to P. taurica remains unresolved, both are retained at species-rank here. Ich schließe daraus, dass sowohl Plagiolepis vindobonensis Lomnicki, 1925 als auch Plagiolepis taurica Santschi, 1920 gültig sind. Der Trend geht aber dahin, dem älteren Synonym in Zukunft den Vorzug zu geben.
L.G.
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Re: Plagiolepis vindobonensis syn. P. taurica

Beitragvon Boro » Donnerstag 6. April 2017, 14:02

Sohn Roman war im März auf der Insel Krk in Kroatien und hat u. a. auch ein Foto von Plagiolepis sp. mit einer P. xene-Gyne mitgebracht; diese besitzt noch einen Flügel.
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IMG_0640rawpsweb.jpg
Gyne der arbeiterlosen sozialparasitischen Art P. xene inmitten ihrer Wirtsameisen (vermutlich P. pygmaea)
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Re: Plagiolepis vindobonensis syn. P. taurica

Beitragvon Merkur » Donnerstag 6. April 2017, 15:07

Die Taxonomie der Gattung Plagiolepis ist tatsächlich sehr verworren!

Plagiolepis taurica:
http://www.antwiki.org/wiki/Plagiolepis_taurica
This species is the host of the social parasite Plagiolepis delaugerrei. In Russia it occurs in steppe habitats on rocky slopes with nests in soil (Zryanin & Zryanina, 2007).
Distribution based on Regional Taxon Lists: Palaearctic Region: Albania, Armenia, Austria, Belgium, Bulgaria, Channel Islands, China, Democratic Peoples Republic of Korea, France, Germany, Greece, Hungary, Iran, Kyrgyzstan, Mongolia, Montenegro, Republic of Korea, Romania, Russian Federation, Spain, Switzerland, Turkey, Ukraine (type locality), United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland.
(Da habe ich erhebliche Zweifel! –Merkur)

(Neu seit 2014: Eine sozialparasitische P. delaugerrei, von einer Korsika vorgelagerten Insel, ganze 2 Gynen gefunden)
http://www.antwiki.org/wiki/Plagiolepis_delaugerrei
This species is a social parasite of Plagiolepis taurica and is endemic to Corsica, France.
http://www.antwiki.org/wiki/images/7/7b ... gerrei.pdf
(Von dieser parasitischen Plagiolepis hatte ich bisher noch nichts gewusst! Bin erstaunt, dass Mme. Casevitz-Weulersse mich nicht kontaktiert hat; wir hatten viel über meine korsischen Ameisenfunde korrespondiert. - Merkur)

Plagiolepis vindobonensis:
http://www.antwiki.org/wiki/Plagiolepis_vindobonensis
Palaearctic Region: Austria (type locality), Belgium, Channel Islands, Croatia, Czech Republic, Montenegro, Romania, Slovenia.

Antweb: http://www.antweb.org/description.do?na ... nk=species
Junior synonym of Plagiolepis taurica: Radchenko, 1989c PDF: 155; Radchenko, 1996D: 185.
Revived from synonymy: Seifert, 2007: 259.
resynonymised with Plagiolepis taurica: Lapeva-Gjonova, et al. 2010: 34.

[Status of this name with respect to Plagiolepis taurica remains unresolved; both are retained at species-rank here.]. (Es werden also aufgrund der Unklarheiten sowohl P. taurica als auch P. vindobonensis als Arten geführt. - Merkur)

Plagiolepis pygmaea gibt’s auch noch:
http://www.antwiki.org/wiki/Plagiolepis_pygmaea
A widespread south-European species, with some related forms occurring in the Mediterranean region (Rigato & Toni, 2011).
Palaearctic Region: Afghanistan, Andorra, Armenia, Austria, Balearic Islands, Belgium, Bulgaria, Canary Islands, China, Croatia, Czech Republic, France (type locality), Georgia, Germany, Gibraltar, Greece, Hungary, Iberian Peninsula, Israel, Italy, Malta, Montenegro, Portugal, Republic of Macedonia, Romania, Slovakia, Slovenia, Spain, Switzerland, Turkey.

Und die “species checklist” im AntWiki enthält 80 Arten.

Oh Hilfe! :?: :( :roll:
Merkur
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