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Camponotus vagus

BeitragVerfasst: Samstag 10. Mai 2014, 21:42
von Boro
Camponotus vagus gehört nach C. aethiops zu den thermophilsten Camponotus-Arten in Mitteleuropa. Im südlichen Teil Mitteleuropas sind die Bestände noch einigermaßen zufriedenstellend, in D ist die Art bereits in manchen Bundesländern verschollen oder ausgestorben. Sie ist daher überall gefährdet, stark gefährdet od. weiter im N vom Aussterben bedroht. Der Handel mit dieser Art sollte daher vollkommen ausbleiben. In den südalpinen Bereichen Südtirols und Österreichs reicht die Vertikalverbreitung bis etwa 900 m. Aber auch im submediterranen Bereich (Friaul-Karst) ist die Art keineswegs häufig, zuletzt hatten wir im Collio bei punktuellen Untersuchungen ein einziges Nest in einer Baumruine (Castanea sativa) gefunden, im Karst ober Monfalcone gab es keinen Fund, obwohl gerade dort massenhaft Totholz vorhanden gewesen wäre.
Die Art gilt als xylobiont, nistet also fast ausschließlich in Totholz. In den vielen Jahren meiner Beobachtungen hatte ich in Kärnten nur 1 Nest unter der rissigen Asphaltdecke einer Nebenstraße gefunden, in Ungarn soll es auch Unter-Steinnester geben. Die Art gilt als besonders schnell und aggressiv und doch wird sie regional ganz vorwiegend das Opfer der Ameisen-fressenden Spinnen Callilepis spp. (http://www.ameisenforum.de/fotoberichte ... cht-4.html). viewtopic.php?f=46&t=532
Das Schwärmen findet in Kärnten im April und Mai in den ersten Nachmittagsstunden statt. Wie bei C. ligniperdus u. C. herculeanus überwintern die Geschlechtstiere zwei Mal, einmal als Larve u. einmal als Imago.
Fotos v. Roman Borovsky

Re: Camponotus vagus

BeitragVerfasst: Freitag 10. Oktober 2014, 20:00
von Boro
Noch ein paar Fotos von Geschlechtstieren der Art

Re: Camponotus vagus

BeitragVerfasst: Sonntag 2. November 2014, 08:36
von Boro
Noch einige Fotos der bevorstehenden "Hochzeit":
Die Bilder zeigen recht gut, dass die Gynen deutlich weniger Behaarung aufweisen als die Arbeiterinnen, auch eine feine Mikroskulptur auf der Cuticula scheint geringer ausgeprägt, sodass der farbliche Gesamteindruck deutlich zu reinem Schwarz tendiert.

Re: Camponotus vagus

BeitragVerfasst: Sonntag 7. Juni 2015, 10:03
von Boro
Zum Glück treffen wir bei uns immer wieder auf Camponotus vagus, für mich eine der interessantesten heimischen Arten. Deswegen habe ich mich hier schon einige Male mit dieser Art beschäftigt: viewtopic.php?f=46&t=532,http://www.ameisenportal.eu/viewtopic.php?f=46&t=945 ,http://www.ameisenportal.eu/viewtopic.php?f=46&t=980 (dieser Link funktioniert leider nicht!)
Jedenfalls eine faszinierende Art, die wir immer wieder fotografieren "müssen". In diesem Fall sind die Bilder wieder v. Sohn Roman!

Re: Camponotus vagus

BeitragVerfasst: Mittwoch 9. September 2015, 17:44
von Boro
Trophobiose wird von vielen Ameisenarten betrieben. Natürlich auch von C. vagus:

Re: Camponotus vagus

BeitragVerfasst: Donnerstag 19. April 2018, 18:29
von Boro
Gerade habe ich den "Seifert" zur Hand genommen, weil ich etwas über die Schwarmzeit v. Camponotus vagus nachlesen wollte und da ist mir folgendes aufgefallen, Zitat: "Eine Phoride und die Diptere Tamiclea globula parasitieren in S-Frankreich schwärmende Gynen" Tamiclea globula wird jetzt als Strongygaster globula geführt. Ich habe alte Fotos ausgegraben, die ich wegen der schlechten Qualität nie ins Forum gestellt habe. Da sieht man, dass Phoridae (?) (Buckelfliegen) auch Arbeiterinnen v. C. vagus attackieren, eine sehr ähnliche parasitische Art konnte ich vor vielen Jahren bei Attacken auf Formica cunicularia beobachten; da gibts auch noch irgendwo schlechte Fotos.....Bei C. vagus konnte ich auch das kurze Aufsitzen der Fliege auf der Gaster der Ameise beobachten, ob die gleich ein Ei abgelegt hat?
Ich stelle die Fotos mit C. vagus hier ins Forum, sie stammen aus dem Jahre 2010 und wurden an der Drau in Südkärnten aufgenommen!
L.G.

Re: Camponotus vagus

BeitragVerfasst: Sonntag 29. Mai 2022, 09:07
von Boro
Gerade wird wieder über Camponotus vagus (mit roten Köpfen) diskutiert, eine sehr interessante Ameisenart. Mit ihr habe ich mich schon mehrfach auch im Forum beschäftigt.
Vor wenigen Tagen war ich in einem Hochmoor auf der Suche nach der in Kärnten sehr seltenen oder verschollen geglaubten Moorameise Formica (Serviformica) picea. Das erschien notwendig, weil derzeit eine neue Rote Liste der Tiere für Kärnten erstellt wird und bei den Ameisen bin ich Mitarbeiter. Nach genau 41 Jahren gelang es mir und einem Kollegen vom Naturwiss. Verein die Moorameise in einem schon damals angegebenen Habitat wieder zu finden [darüber will ich an anderer Stelle berichten].
Bei dieser Gelegenheit wurden zahlreiche Nester von Camponotus vagus entdeckt, in einem Habitat, das nicht gerade für xerotherme Insekten typisch erscheint. Am Rand des Moores gab es eine Reihe von Totholzstellen und zwar Reste von mächtigen Bäumen (vermutlich Fichten od. Föhren), die dort vor etlichen Jahren bodennahe abgesägt wurden. Von Holzstrünken kann man da nicht sprechen. In diesen Totholzstellen befanden sich zahlreiche Nester von Camponotus vagus, an die 11 Nester konnten festgestellt werden, aber es gibt sicher noch mehr. Das Habitat gehört zu einer riesigen Weidefläche im Rahmen eines Natura 2000-Gebietes.
In Kärnten ist C. vagus verstreut in den Niederungen (bis etwa 1000 m Höhe) anzutreffen, in einigen Regionen gibt es dichte Populationen.

Re: Camponotus vagus

BeitragVerfasst: Sonntag 23. April 2023, 16:11
von Boro
Das Schwärmen von C. vagus und die Witterung

Gestern waren wir zu einem Familienausflug an der Drau (Hauptfluss v. Kärnten/Österr.). Dort gibt es zahlreiche Nester v. C. vagus. In jahrzehntelanger Beobachtung der Art konnten wir feststellen, dass das früheste Schwärmen etwa in der letzten Aprilwoche beginnt und sich bis Mitte Mai hinzieht (je nach Habitat u. Höhenlage). Zum Glück ist die Art bei uns nicht selten, man findet sie verstreut im Süden des Bundeslandes, an einigen Stellen gibt es auch dichtere Bestände. Zwischen 10:00 und 12:00 hatte es etwa 17° bis 18°, es war fast wolkenlos. Unter diesen Umständen kann man mit Vorbereitungen zum Schwärmen rechnen. Die Geschlechtstiere sind längst reif, sie haben als Larven bzw. Imagines zwei Jahre Zeit gehabt. Es war tatsächlich eine erhöhte Nervosität der Nestpopulationen festzustellen. Gegen das Schwärmen sprach aber ein zu kühler April als "Vorlaufzeit" und die Temperatur war zu niedrig. Nach unseren Beobachtungen schwärmen die Alaten zeitlich nach dem Sonnenhöchststand (der Sonnenzeit entsprechend nach 13:00) bei einer Lufttemperatur von mindestens 20°C. Diese Voraussetzungen waren nicht ganz erfüllt. Dieses Jahr wird es etwas später werden, ich rechne mit der 2. Woche im Mai. Phänologisch gesehen hat der April die Entwicklung von Pflanzen und Tieren deutlich verzögert, diesbezüglich sind wir sogar etwas hinter der Entwicklung im Rahmen des 30-jährigen Normaljahres 1990-2020.
Interessantes Detail am Rande: Wir waren in den letzten Jahrzehnten oft um diese Zeit in Istrien u. im Triestiner Karst. Die Häufigkeit v. C. vagus ist stark von vorhandenem liegenden Totholz oder Holzstrüncken abhängig. Istrien kann als Paradebeispiel für weitflächig intakte Natur (im Hinterland) gelten und sollte hohe Nestdichten der Art aufweisen. Unsere Beobachtungen sind andere: Die Art kommt dort sehr verstreut vor, höhere Nestdichten haben wir auch bei vorhandenem Totholz kaum feststellen können. Warum das so ist, weiß ich nicht. Unserer (nicht nur subjektiven) Beobachtung nach ist C. vagus in Südkärnten und im Osten Österreichs (Niederösterreich, Burgenland) häufiger. Das ist eine der seltenen positiven Meldungen aus der Welt der Insekten. Wie lange das so bleibt, weiß man nicht..........................

Re: Camponotus vagus

BeitragVerfasst: Sonntag 18. Juni 2023, 19:48
von Radiergummi
Hallo,

alternative Nistlösungen für C. vagus wenn kein Totholz zur Verfügung steht. Die Nester liegen jeweils im Zwischenraum zwischen Betonwänden. Insgesamt konnte ich so mehrere Nester finden die zu mindesten 4 Kolonien gehören. Eventuell gibt es noch weitere solche Nester in der Gegend - 11. Bezirk Wien.

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Re: Camponotus vagus

BeitragVerfasst: Montag 19. Juni 2023, 08:13
von Boro
Hallo Radiergummi!

Danke für den Bericht. Ja, in wenigen Fällen ist der Nestbau auch alternativ. In Ungarn soll es infolge des Mangels an Totholz auch zu reinen Erdnestern kommen. Ich habe vor vielen Jahren im Spalt der Asphaltbahn einer Landstraße ein Nest entdeckt, obwohl in der Nähe Holzpfosten eines Weidezaunes zur Verfügung standen. Ganz selten kommt es auch zu Nestern an/in Hausmauern, da ist mir ein Fall bekannt. Dein gezeigter Neststandort sieht nach einer Abflussrinne für Regenwasser aus; da könnte es mitunter zu Überschwemmungen kommen.
L.G.