Strongylognathus testaceus

Strongylognathus testaceus

Beitragvon Boro » Montag 28. Juli 2014, 13:46

Strongylognathus testaceus ist eine hochinteressante heimische Art: Die begattete Gyne gründet sozialparasitisch bei Tetramorium caespitum und T. impurum (beide nach der bisherigen Nomenklatur!). Im Gegensatz zu anderen Sozialparasiten wird die "hauseigene" Königin nicht getötet, im Gegenteil, sie wird für die weitere Produktion von eigenen Arbeiterinnen benötigt, die dann als Hilfsameisen dem Strongylognathus-Volk dienen. Die Produktion eigener Tetramorium-Geschlechtstiere wird pheromonal durch die Strongylognathus-Königin unterbunden. Da dürfte ein evolutionäres "Tauschgeschäft" vorliegen: So viel bekannt ist, gehen die Strongylognathus-Arbeiterinnen nicht mehr auf Raubzüge, obwohl sie dafür mit ähnlich guten Waffen ausgestattet sind wie etwa Polyergus: Die Mandibeln sind ebenfalls zu säbelartigen Waffen umgebildet und die sehr deutlich ausgebildeten Hinterhauptsecken stehen mit einer verstärkten Mandibelmuskulatur in Zusammenhang. Die Wirtsameisen-Königin produziert die "Sklaven" im eigenen Nest, die Zahl der produzierten Strongylognathus-Krieger hat sich im Laufe der Zeit stark reduziert. Ihre Zahl macht meistens weniger als 2% an der Gesamtpopulation des Nestes aus (siehe SEIFERT S. 252), der Energieauwand für die Produktion einer großen Zahl an Arbeiterinnen kann damit eingespart werden.
Die geringe Zahl an Strongylognathus-Arbeiterinnen ist auch der Grund, warum man die Nester der Art sehr schwer findet. Bei einem Unter-Steinnest mit zahllosen Tetramorium-Arbeiterinnen sieht man meist nur wenige sozialparasitische Ameisen - und da muss man schon sehr genau schauen, dass man sie nicht übersieht.
Zur Haltung ist die Art wohl kaum geeignet, weil man nichts beobachten kann, was man nicht auch bei einem Tetramorium-Nest sehen könnte (außer die direkte Nestübernahme).
Ich habe ein paar ältere Bilder, noch mit einer Bridge-Kamera aufgenommen. Das letzte Bild hat der Sohn gemacht, es wurde im Mai 2014 in Friaul aufgenommen:
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PICT0026pi.jpg
Jungkönigin mit Arbeiterinnen. Die Strongylognathus-Arbeiterinnen sind rötlich gefärbt.
PICT0041.JPG
Eine Gyne vor dem Abflug, darüber eine Tetramorium-Bewacherin. Das Schwärmen findet Mitte Juli am Nachmittag statt
Strongyl. Apse (16).JPG
Gyne und Arbeiterin in der Beobachtungsbox
IMG_8070a.jpg
Blick in ein Unter-Steinnest mit einer Strongylognathus-Arbeiterin
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Re: Strongylognathus testaceus

Beitragvon Boro » Montag 26. Oktober 2015, 16:20

Obwohl der Beleg von diesem Sommer stammt, finde ich den Zustand nicht gerade optimal. Trotzdem stelle ich 2 Fotos einer Gyne der seltenen Art ein (Fotos: Roman Borovsky)
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IMG_8177.JPG
Einigermaßen laterale Sicht
IMG_8192.JPG
In dorsaler Sicht erkennt man die stark hervortretenden Occipitalecken, die mit einer verlängerten Kaumuskulatur zusammenhängen dürften. Die Mandibeln sind säbelartig ausgebildet.
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Re: Strongylognathus testaceus

Beitragvon Boro » Samstag 6. August 2016, 09:45

Hier gibts bessere Fotos einer Gyne v. Strongylognathus testaceus. Von einem Mitglied d. Naturwiss. Vereins f. Kärnten vor kurzem in Villach/Kärnten in einer Regenwassertonne gefunden (leg. C. Holzschuh). Fotos: Roman Borovsky
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IMG_8748.JPG
lateral
IMG_8750.JPG
dorsal, vor allem die Morphologie des Kopfes ist interessant und an die sozialparasitische Lebensweise optimal angepasst.
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Re: Strongylognathus testaceus

Beitragvon Boro » Sonntag 21. August 2016, 08:58

Diesmal gibt`s Fotos lebender Exemplare. Auch wenn die Qualität nicht unbedingt an die Fotos präparierter Belege unter "Studiobedingungen" heranreicht, gefallen sie mir deutlich besser: Meist ist eine gewisse Dynamik erkennbar, einfach "Leben" und Sohn Roman ist bestrebt, wenn es irgendwie geht, an lebende Insekten zu kommen. Die Fotoobjekte gehen auf einen Fund vor wenigen Tagen zurück: Unzählige Tetramorium-Nester waren Anlass etwas genauer hinzuschauen. Diesmal wurde das Nest am Vorhandensein einer großen Zahl von Geschlechtstieren erkannt: Die Schwärmzeit von Tetramorium sp. ist längst vorüber, jene von Strongylognathus ist schon seit 1, 2 Wochen im Gange. Von vornherein war eigentlich klar, dass die vielen geflügelten Geschlechtstiere mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu Tetramorium sp. gehören können. Nach dem derzeitigen Stand der Bestimmbarkeit würde ich die Wirtsart als Tetramorium cf. caespitum bezeichnen.
Strongylognathus kann man mit den Wirtsameisen nicht verwechseln, da gibt es auffallende morphologische Kennzeichen, wie die Kopfform mit den vorstehenden Hinterhauptsecken und die zangenartigen Mandibeln. Beide Merkmale deuten auf eine "kriegerische" Vergangenheit hin, weil S. testaceus keine Raubzüge gegen Wirtsarten mehr unternimmt. Anders als bei Polyergus besitzen die Mandibeln hier keine Zähnchen, die zum "Sägen" durch die Cuticula etwa der Kopfkapsel bei Tetramorium ausreichen würden. Strongylognathus versucht(e) mit den Mandibeln zwischen jene der Wirtsart in den Kopf einzudringen und letztlich das Zentralnervensystem zu schädigen [ DIETRICH, C. O.(1995): Funktionsmorphologische Betrachtung der Mandibeln von Polyergus rufescens (LATREILLE, 1798) und Strongylognathus MAYR, 1853. - Myrmecologische Nachrichten Bd. 1:33-37]. Die ausgeprägten Hinterhauptsecken hängen wohl mit einer verstärkten Mandibularmuskulatur bzw. einem verlängerten "Hebelarm" beim Zubeißen zusammen.
Größe: Arbeiterinnen v. Tetramorium messen 3-4 mm, beide Geschlechtstiere sind etwa gleich groß (6 mm)
bei Strongylognathus: Die Arbeiterinnen sind kleiner als jene der Wirtsameisen und fast immer heller gefärbt, gemessene Länge etwa 2,5 mm, Männchen und Gynen sind etwas über 3,5 mm lang, wobei Männchen nicht selten etwas größer als die Weibchen sind. Männchen sind schwarz gefärbt, die Weibchen braun-rot bis dunkelbraun. [Fotos v. Roman Borovsky]
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IMG_8869a.jpg
Arbeiterin frontal
IMG_8895a.jpg
in Seitenansicht
IMG_8905a.jpg
Blick v. oben: Die Kopfform ist gut zu erkennen
IMG_8903a.jpg
Sehr ähnlich ist die Kopfform der Gyne
IMG_8874a.jpg
Form der Mandibeln bei der Gyne
IMG_8877a.jpg
Gyne in Seitenansicht
IMG_8912a.jpg
Bei den Männchen sind nur sehr kleine Hinterhauptsecken vorstehend
IMG_8914a.jpg
Die schwächeren Mandibeln der Männchen
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