Unterwegs am Schwarzwasser

Unterwegs am Schwarzwasser

Beitragvon Reber » Samstag 12. Juli 2014, 22:49

Endlich! Heute hatte eine sechs Tage anhaltende Schlechtwetterperiode ihr Ende. Also nichts wie raus in die Natur - Ameisen beobachten: Ziel war das „Schwarzwasser“, ein im Kanton Bern liegender Nebenfluss der Sense. Anbei einige Eindrücke aus der naturbelassenen Auenlandschaft:
Schwarzwasser Kiesbank.JPG
Ufer am Schwarzwasser

Mein Intresse galt zuerst den Ameisen auf den Kies- und Sandbänken: Ihr Habitat besteht aus Uferzonen und regelrechten Inseln, die - zumindest teilzeitlich - ganz von fliessedem Wasser umgeben sind. Und manchmal überflutet. Die Gegend schaut immer irgendwie anders aus, denn der Fluss nimmt nach jedem Hochwasser einen anderen Verlauf.
Typisch für die montane Flussaue ist der spärliche Bewuchs, viel Geröll und etwas Schwemmholz.
Rotes Geröll.JPG
Ob die rote Färbung der Steine vom Eisengehalt kommt?

Eins ist klar, die Ameisenarten die hier ihre Nester bauen, müssen über eine Strategie verfügen, die ihnen erlaubt, kurzzeitige Überschwemmungen unbeschadet zu überstehen.

Dazu sind offenbar recht viele Ameisen in der Lage: Als erstes fallen einem die vergleichsweise grossen und trägen Manica rubida auf, deren Nestausgänge kreisförmig von Aushubmaterial umgeben sind.
Manica0.JPG
Manica rubida.

Was ist denn da unter dem Stein los? Tatsächlich, in unmittelbarer Nähe finden sich auch ein Nest von schwarzen Formica (Serviformica) sp. Der Abstand zwischen dem Nestausgängen beträgt gerade mal 30cm. Keine Sorge, nachem sich die Formica unter die Erde zurückgezogen haben, habe ich den Stein an seinen alten Platz zurückgelegt.
Nestabstand.JPG
Links der Manica Nesteingang unter dem entfernten Stein links ein Serviformica-Nest.
Formica1.JPG
Formica (Serviformica) sp. zum teil frisch geschlüpft.

Vom Habitat her, könnten sie zur cinerea-Gruppe gehören. Die Formica verhielten sich allerdings – anders als etwa im Sodbach – überhaupt nicht aggressiv und giengen den überall fouragierenden Manica-Arbeiterinnen aus dem Weg. Das kann aber natürlich auch an der Koloniegrösse oder dem Wetter etc. liegen. Vielleicht kann ja jemand die Art bestimmen?

Beim Gang zu einer weiter unten gelegenen Sandbank, komme ich an schwärmenden Lasius fuliginosus vorbei. Da „ihr“ Baum gefällt wurde, müssen die angrenzenden Brennnesseln als Abflugrampe herhalten.
Lasis fuliginosus Baumstrunk.JPG
Abgesägter Baum.
Lasius fuliginosus Abflug.JPG
Die Brennnessel muss als Ersatz dienen.

Eine Sandbank weiter unten scheint M. rubida ganz zu fehlen, dafür ist Lasius cf. niger mit einigen grossen Nestern präsent. L. cf. niger furagfiert aber momentan deutlich weniger im Gelände als z.B. die Formica (Serviformica) sp.
Hügel Lasius cf. niger.JPG
Nesthügel Lasius cf. niger.

Auch hier kann ich mir bei den Formica einen kurzen Blick ins Nest nicht verkneifen. Massig Geschechtstiere mit rötlichen Beinen kommen zum Vorschein. Die Ameisen nehmen mir die Störung übel und verhalten sich aggressiv. Mir fällt auf, dass sie sich „grösser machen“ in dem sie ihre Gaster anheben und sich auf ihren Beinen aufbäumen. Die Lage beruhigt sich aber bald wieder und der zur Entschuldigung angebotene Honig wird gerne angenommen.
Formica Nest geöffnet1.JPG
Unter dem Stein...
Formica Nest geöffnet2.JPG
...gibt es viele alate Geschlechtstiere
Formica hebt Gaster0.JPG
Die Formica heben die Gaster nach oben und gehen wie auf Stelzen...
Formica hebt Gaster.JPG
...als wollten sie sich grösser machen...
Formica hebt Gaster2.JPG
...als sie sind.
Formica am Honig1.JPG
Formica am Honig...
Formica am Honig2.JPG
...scheint ihnen zu schmecken.

Myrmica sp. darf in der Gegend natürlich auch nicht fehlen. Ich enteckte eine grosse, ca. 1,5 m lange Kolonne. Offenbar war gerade ein Nestumzug angesagt. Einige wenige Formica sp. beobachten das Treiben aus sicherer Entfernung.
Myrmica cf. rubra Umzug.JPG
Myrmica cf. rubra ziehen in ein neues Nest.
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Re: Unterwegs am Schwarzwasser

Beitragvon Boro » Sonntag 13. Juli 2014, 09:34

Sehr schöner Bericht! Die durchwegs grauen Serviformica spp. mit rot-braunen Beinen und teilw. diffus eingestreuten rötlichen Pigmenten am Mesosoma sind sicher zur cinerea-Gruppe gehörig. In diesen Fällen sind F. cinerea oder F. fuscocinerea sehr wahrscheinlich. Ich weiß nicht, ob Letztere bei euch noch vorkommt, SEIFERT schreibt dazu: "Im Gebiet nur in den Ost- u. Zentralalpen und deren unmittelbarem Vorland."(S. 181). Ganz typisch für das Habitat und syntop mit Manica rubida vorkommend. Populationen mit rötlichen Anteil am Mesosoma kommen auch bei F. cinerea vor (SEIFERT S. 303).
Bei uns trifft man F. fuscocinerea mit deutlich rötlichen Farbanteilen, die jene von F. cunicularia und in manchen Fällen sogar v. F. rufibarbis übertreffen (viewtopic.php?f=48&t=237).
L.G.
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Re: Unterwegs am Schwarzwasser

Beitragvon Reber » Sonntag 13. Juli 2014, 10:44

Vielen Dank für den Hinweis! Die geographische Trennung der Alpen verläuft östlich des Bodensees bis zum Splügenpass, der allergrösste Teil der Schweizer Alpen gehört also zu den Westalpen. Damit - und mit der westlichen Längengradangabe (6.63°E) im Seifert (S. 303) dürfte ein Vorkommen von Formica (Serviformica) fuscocinerea im Kanton Bern ausgeschlossen sein. Zudem ist der Rotanteil der Ameisen sehr gering, aschgrau passt hier für einmal...

EDIT: Wobei ich gerade gelesen habe, dass die Tiere sogar in den Vogesen vorkommen und mit 6.63°E eben auch westlich von Bern bzw. im Kanton vorkommen könnten. Also doch nicht so einfach.

EDIT 2: In dieser kommentierten Liste der frei lebenden Ameisen in der Schweiz wird Formica fuscocinerea für die Schweiz aufgeführt, Formica cinerea jedoch nicht!
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