Camponotus fellah - Haltungserfahrungen

Unterfamilie: Formicinae

Camponotus fellah - Haltungserfahrungen

Beitragvon Streaker87 » Donnerstag 17. April 2014, 23:05

Camponotus (Tanaemyrmex) fellah

Bild

Artbeschreibung - Steckbrief



Taxonomie

Familia: Formicidae (Ameisen)
Subfamilia: Formicinae (Schuppenameisen)
Tribus: Camponotini
Genus: Camponotus Mayr, 1861
Subgenus: Tanaemyrmex Ashmead, 1905
Species: Camponotus fellah Dalla Torre, 1893
Subspecies: -


Allgemeines

Heimat: Israel, Ägypten, Sudan, Eritrea.
Habitat: Steppe, Halbwüste.
Kolonie: monogyn
Koloniegröße: mehrere Tausend
Koloniealter: 26 Jahre in Gefangenschaft
Gründung: claustral
Arbeiterinnen: polymorph
Nestbau: Erdnester
Nahrung: Trophobiose, Zoophagie (Honig und Insekten in der Haltung).
Winterruhe: eventuell Ruhepause
Fortpflanzung: A few massive nuptial flights take place, usually on hot days in early spring, but also at a lower density during summer nights (Kugler, 1989; Levin et al., 2009; and the authors’ unpublished data).


Aussehen/Färbung

Minors-Media: Kopf dunkelbraun bis schwarz, Thorax/Gaster braun, kleine bis mittelgroße Köpfe, extrem schmächtig bis etwas kräftiger gebauter Körper
Majors: Kopf dunkelbraun bis schwarz, Thorax/Gaster dunkelbraun, bulliger Körper, typische Majoren-Kopfform (breite Wangen)
Königinnen: Kopf/Thorax schwarz, Gaster/Beine rot-braun, mittelgroßer Kopf, bulliger Körper
Männchen: Kopf/Thorax schwarz, Gaster/Beine rot-braun, kleiner Kopf, schmächtiger Körper


Einleitung & Vorstellung


Inhaltsverzeichnis (wichtige Ereignisse)

Der Übersicht halber wurde ein Inhaltsverzeichnis angelegt. Der Link führt direkt zum Beitrag der Haltungswoche.

    03. Haltungswoche: Umzug Nr. 1
    05. Haltungswoche: Entwicklungsprobleme (1. Schub)
    11. Haltungswoche: Entwicklungsprobleme (2. Schub)
    14. Haltungswoche: Umzug Nr.2
    20. Haltungswoche: Entwicklungsprobleme überstanden
    21. Haltungswoche: Umzug Nr.3
    26. Haltungswoche: 1. kleine Majore geschlüpft
    28. Haltungswoche: 1. Junggyne geschlüpft
    32. Haltungswoche: 1. größere Majore geschlüpft
    36. Haltungswoche: Umzug Nr.4
    52. Haltungswoche: 1 Jahr Haltung
    62. Haltungswoche: Umzug Nr.5
    67. Haltungswoche: Anstieg der Sterberate
    71. Haltungswoche: Experiment: Markierung von Arbeiterinnen
    75. Haltungswoche: Experiment: Legezyklus der Gyne in der Gründungsphase
    79. Haltungswoche: 1,5 Jahre Haltung
    83. Haltungswoche: Experiment: Markierung von Puppen (Teil 5 - Ende)
    86. Haltungswoche: Experiment: Puppen-Entwicklung in Abhängigkeit von der Temperatur
    104. Haltungswoche: 2 Jahre Haltung, Experiment: Photophilie
    105. Haltungswoche: Umzug Nr. 6
    107. Haltungswoche: 1. Männchen geschlüpft
    118. Haltungswoche: Experiment: Null-Diät
    131. Haltungswoche: Zweieinhalb Jahre Haltung
    158. Haltungswoche: 3 Jahre Haltung, Experiment: Massenverhältnisse bei Arbeiterinnen


Größe [~mm]

Pygmäen: 7-9
Minor: 9-11
Media: 11-15
Major: 15-18
Königinnen: 13-19 (~21*)
Männchen: 11-12
*physogastrisch = gedehnter Hinterleib


Entwicklungsdauer [~Tage]

Minor (insg. / Ø): 47-85 (65.5) E - L: 14-30 L - P: 12-32 P - I: 21-25
Media (insg. / Ø): 53-81 (68.5) E - L: 14-30 L - P: 17-29 P - I: 22-25
Major (insg. / Ø): 57-92 (74.5) E - L: 14-30 L - P: 17-29 P - I: 26-33
Legende: E=Ei, L=Larve, P=Puppe, I=Imago, fett=ca.30°C, dünn=RT

Bei der Entwicklungszeit muss mit starken Abweichungen gerechnet werden. Gerade bei den Larven werden häufig nur die Zuerst-Geschlüpften durchgefüttert und später die Nachzügler - daher diese weite Spanne von über zwei Wochen Entwicklung (siehe L - P). Es gilt zu beachten, dass Temperatur und andere Parameter die Entwicklungszeit zusätzlich positiv/negativ beeinflussen können. So weit es möglich war, wurde sich an den Haltungsbedingungen (s.u.) orientiert.
Der erste, dick gedruckte Wert stellt wohl den glaubwürdigsten dar und gibt die schnellste Entwicklungszeit bei etwa 30 °C wieder. Bei Raumtemperatur (ca. 22 °C) muss demnach mit längeren Entwicklungszeiten gerechnet werden. Die Zahlen belaufen sich nur auf die ersten Gründungsmonate, da das genaue Beobachten der Brut mit dem Fortschreiten der Koloniegröße immer schwieriger wird.


Koloniewachstum [Wochen]

Kurze Erläuterung:

Auf die horizontalen Hilfslinien wurde verzichtet, weil die meisten Angaben nur geschätzt werden können, da Eier und Larven mit der Zeit immer schwerer zu zählen sind.
Es geht mehr um das Verhältnis und den Vergleich der Kurven untereinander. Dazu müssen die Werte nicht exakt ablesen werden.
Um die Farben nicht immer vergleichen zu müssen ("Wie? Steht Lila jetzt für Eier oder Larven?") wurden die Farben an den entsprechenden Phänotyp angepasst.
So sollte es ein leichtes sein, z.B. Weiß mit Eiern assoziieren zu können, Gelblich und der gleichen mit Larven bzw. Puppen und Schwarz steht für die Arbeiterinnen von C. fellah.

Alle drei Bruteinheiten zusammen (Eier, Larven, Puppen) wurden durch eine rote Kurve dargestellt.
Die Grafik beschreibt nur das "Vorhanden sein", nicht wie viel Eier die Königin in der Woche gelegt hat!

Sinn und Fragestellungen:

    - Zusammenhang zwischen Legeverhalten der Königin und Größe der Kolonie
    - Gegenüberstellung von Bruteinheiten und Arbeiterinnen
    - Abhängigkeit zwischen Eier-, Larven- und Puppenanzahl
    - Wiederkehrende Zyklen bestimmter Brutstadien
    - Abhängigkeit einzelner Stadien von der Jahreszeit

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Literatur

Artenliste

    - Hymenoptera Name Server (2007)
    - The Ants of Africa - Genus Camponotus subgenus Tanaemyrmex (-)
    - Formicidae (Insecta: Hymenoptera) of Saudi Arabia (Part 2) (-)

Artikel und Berichte

    - Beißverhalten und Narbenbildungen bei Camponotus fellah Larven (2011)

Wissenschaftliche Paper

    - Influence of social isolation in the ant Camponotus fellah (Hymenoptera: Formicidae) (1997)
    - Social Isolation in Ants: Evidence of its Impact Survivorhip and Behavior in Camponotus fellah (1999)
    - Camponotus fellah colony integration: worker individuality necessitates frequent hydrocarbon exchanges (2000)
    - OCTOPAMINE REVERSES THE ISOLATION-INDUCED INCREASE IN TROPHALLAXIS IN THE CARPENTER ANT Camponotus FELLAH (2000)
    - Comparative dynamics of gestalt odour formation in two ant species Camponotus fellah and Aphaenogaster senilis (Hymenoptera: Formicidae) (2001)
    - Social isolation of mature workers affects nestmate recognition in the ant Camponotus fellah (2001)
    - Effect of Octopamine Adminstration on the Behavior of the Ant Camponotus fellah (2003)
    - Colony insularity through queen control on worker social motivation in ants (2003)
    - Odour convergence and tolerance between nestmates through trophallaxis and grooming in the ant Camponotus fellah (Dalla Torre) (2004)
    - In-nest environment modulates nestmate recognition in the ant Camponotus fellah (2004)
    - Individual olfactory learning in Camponotus ants (2005)
    - Nest volatiles as modulators of nestmate recognition in the ant Camponotus fellah (2007)
    - Immune response affects ant trophallactic behaviour (2008)
    - Blochmannia endosymbionts improve colony growth and immune defence in the ant Camponotus fellah (2009)
    - A Camponotus fellah queen sets a record for Israeli ant longevity (2009)
    - Differential conditioning and long-term olfactory memory in individual Camponotus fellah ants [url=jeb.biologists.org/content/212/12/1904.full](2009)[/url]
    - Calcium imaging in the ant Camponotus fellah reveals a conserved odour-similarity space in insects and mammals (2010)
    - Alteration of cuticular hydrocarbon composition affects heterospecific nestmate recognition in the carpenter ant Camponotus fellah (2010)
    - Blochmannia endosymbionts and their host, the ant Camponotus fellah: Cuticular hydrocarbons and melanization (2011)
    - Long-term olfactory memories are stabilised via protein synthesis in Camponotus fellah ants (2011)
    - Social and temporal organization in an ant colony [Dissertation] (2012)

(Links können fehlerhaft sein. Sonst einfach den Titel bei Google eingeben.)


Herkunft

Kontinent: Nordafrika
Land: Ägypten
Gebiet: ?
Klima: Tag/Nacht Klimadiagramme, oder auch diese Quelle (Klick)

"Der wohl größte Teil Ägyptens besteht zu ca. 95 % aus Wüste. Das Klima hier unterliegt den wüstentypischen Temperaturschwankungen: tagsüber sehr heiß und nachts sehr kalt." Quelle


Haltungsbedingungen

Temperatur (Tag): 22-30 °C
Temperatur (Nacht): 18-21 °C
Luftfeuchtigkeit (normal): 30-50 %
Luftfeuchtigkeit (nach gießen): 50-70 %
Winterruhe: Nein, dafür kurze Ruhepause von Dezember bis Januar/Februar (siehe Klimadiagramme)
Kohlenhydrate: Honig pur/verdünnt
Proteine: Heimchen, Mehlwürmer, Fliegen, Spinnen, Raupen, Fisch
Sonstiges: Trinkwasserspender, 20W Nachttischlampe

Auf Grundlage einiger Haltungsberichte wird das Nest dieser Art mit einer 20 Watt Lampe beheizt. Als Sichtschutz dient u.a. matt-schwarze Folie und Pappe, die sich zusätzlich etwas aufheizen. Mit dem Abstand der Lampe zur Scheibe lässt sich die Temperatur kontrollieren. Mit einem Abstand von ca. 3 cm erreicht man gerade so die 30 °C. Als "Sicherheitsabstand" werden auf der Lampe normalerweise 20 cm angegeben.
Ein Vorteil dieser Methode ist, dass man sich eine Heizmatte/-folie sparen kann. Aber eine 3 W Folie wäre wahrscheinlich ausreichend und würde nebenbei noch weniger Energie verbrauchen. Die Lampe brennt je nach Jahreszeit zwischen 6 (Winter) und 12 Stunden (Sommer) am Tag.
Die Luftfeuchtigkeit wird durch zusätzliches Heizen auf unter 50% gehalten. Anfangs sollte das Nest unter Beobachtung bewässert werden, da es zu Entwicklungseinbrüchen bei der Brut kommen kann. Ab 100 Arbeiterinnen ist dies nicht mehr unbedingt nötig, da die Arbeiterinnen ab diesem Zeitpunkt die Brutpflege unter Kontrolle haben. Ein Wassertank ist nicht verpflichtend. Es reicht, wenn das Nest seitlich bewässert wird und sich das Wasser mittels der Kapillarkräfte zwischen Ytong und Plexiglasscheibe ins Nestinnere zieht.
Eine Winterruhe ist für diese Art nicht vorgesehen. Allerdings kann die Königin im Frühjahr eine Legepause von bis zu fünf Wochen einlegen. Mit rund 20°C scheint das Zimmer im Winter zwar eher kühl gehalten, aber trifft genau die klimatischen Gegebenheiten ihrer Herkunft (siehe Herkunft-Klimadiagramm).
Die Haupt Kohlenhydratquelle stellt purer oder verdünnter Honig. Um Abwechslung zu bieten, werden gelegentlich Zuckerwasser und Früchte an sekundären Futterstellen ausgelegt. Mit der Koloniestärke steigt auch die Entfernung der Futterplätze zum Nest (so weit es das 80er Becken zulässt...). Auch die Wurzeln werden dafür eingebunden, damit die Ameisen etwas zu erkunden haben.
Als Proteinquelle dienen in erster Linie überbrühte und dann eingefrorene Heimchen. Kleine Kolonien kann man etwas unter die Arme greifen, wenn man die Futtertiere anschneidet. Im Sommer wird der Speiseplan durch Fliegen, Raupen u.ä. erweitert (auf Milben absuchen!).
Frisches Trinkwasser wird alle ein bis zwei Wochen im Spender angeboten, der zusätzlich mit Watte gesichert ist, damit die Ameisen nicht ertrinken. Die Ameisen nutzen den Spender regelmäßig, daher ist frisches Wasser absolut Pflicht!


Das Becken

Formicariengröße: 80x40x40cm
Material: 6mm Glas, durchsichtiges Silikon (Eigenbau)
Bodenbeschaffenheit: roter Wüstensand mit Lehmanteil und hellem Quarzsand vermischt, Steine, Wurzeln, Tillandsien
Nest: Ytong und mit Gips ausgestrichene Kammern
Ausbruchsschutz: Paraffin auf zweiteiligem Kunststoffrahmen
Sonstiges: keine Bohrungen für eine Erweiterung

Hier hat sich einiges getan, zumindest äußerlich. Das Material ist ja irgendwie doch das gleiche geblieben. Das Becken wurde der neuen Art und ihrer Herkunft angepasst und naturnah gestaltet.

Die Inneneinrichtung ist dieses mal frei aus dem Kopf heraus entstanden. Bilder von diversen Seiten haben nur indirkt einen Einfluss ausgeübt. Um Gewicht zu sparen, wurde ein Styrodurmodell angefertigt, dass nebenbei noch formgebend tätig war. Das Nest wurde dem Beckenstil angepasst und enthält zwei Kammern, davon eine Hauptkammer, die bis zu 20mm tief und 50mm breit ist. Bei entsprechender Koloniegröße wird das Nest ausgetauscht. Als Substrat wurde lehmiger, roter Wüstensand (Höhlensand) verwendet, der etwa 2-3 zu 1 mit weißgelbem Quarzsand vermischt wurde, um das Ganze etwas heller zu gestalten. Durch den Lehmanteil ließ sich der Untergrund gut formen und behielt auch nach dem Austrocknen seine Form. Als Klettermöglichkeit dienten Savannenwurzeln, die das Wüstenbild vervollständigen sollten. Zur Begrünung wurden, wie schon bei C. vagus, Pflanzen (Tillandsien, Sukkulente) ausgewählt, die mit möglichst wenig Wasser und Licht auskommen. Die Neuheit hierbei ist, dass sie sich in einem extra herausnehmbaren Blumentopf befinden und somit autark vom Rest des Beckens sind. Der Kunststoffrahmen wurde aus zwei Teilen gearbeitet, zusammengeklebt und vorübergehend mit Tesafilm auf dem Beckenrand fixiert. Unverdünntes Paraffin dient als Ausbruchsschutz und wird sicherheitshalber einmal im Monat erneuert. Eine Lücke zwischen Rand und Rahmen und die zwei Verbindungsstücke vom Rahmen wurden vorsichtshalber an der Beckenscheibe zusätzlich beschmiert. Da keine Bohrungen vorhanden sind, kann man nur hoffen, dass die Kolonie in den ersten zwei bis drei Jahren es sich nicht allzu breit macht.
Zur Zeit ihrer frühen Gründungsphase nahm die Kolonie noch in einer Miniarena + Mini-Ytong vorlieb.


Die Qual der Wahl (oder: Wieso diese Art?)

Camponotus gehört m.M.n. zu einer der sehenswertesten Gattungen, die die Familie der Ameisen zu bietet hat. Keine großen Verzierungen oder Schnörkeleien, die Ameise als solche ist also noch zu erkennen. Hinzu kommt eine stattliche Größe, die das Beobachten erleichtert und ein gut ausgeprägte Polymorphismus (Media-, Major-Arbeiterinnen). Des Weiteren habe ich darauf geachtet, dass die Art keinen Wehrstachel besitzt, da ich immer den Kontakt zu den Tieren suche. Die Ameisensäure ist nur als beißender Essiggeruch wahrzunehmen, Kontakt mit Schleimhäuten (z.B. Augen) sollte natürlich vermieden werden. Bisher durfte ich die Art als sehr neugierige, kletterfreudige und kampfeslustige Art kennenlernen, die ihren Nesteingang keinen Moment unbewacht lässt. Aber das würde wohl auf so ziemlich jede andere Art zutreffen Das Phänomen "Camponotus" macht den Unterschied.


Bilder/Videos

Die Fotos und Videos werden mit einer Canon IXUS50 geschossen. Manche Bilder werden zusätzlich am Computer bearbeitet, geschnitten oder im Kontrast geändert um gegebenfalls die Qualität zu steigern. C. fellah ist trotz ihrer Größe ein sehr flinke Ameise und lässt sich auch bei optimaler Ausleuchte nicht immer scharf ablichten. In der Regel gehen sehr viele Fotos über den Jordan, bevor man ein brauchbares geknipst hat.

Die Bilder werden nummeriert und zum besseren Verständnis in den Wochenrückblick mit eingearbeitet.

Alle von mir veröffentlichen Daten enthalten das Prädikat © Streaker87, sofern keine andere Quelle angegeben wurde. And for our guests: There is a copyright on each picture and movie.


Schlusswort(e)

Wieder mal ein großes Dankeschön an Herrn Stefan Stenzel (WoA), für die nette Abwicklung und das Telefonat!

Diskussion: >> HIER <<

Gruß,
Streaker87
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Zuletzt geändert von Streaker87 am Freitag 18. April 2014, 13:11, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Camponotus fellah - Haltungserfahrungen

Beitragvon Streaker87 » Donnerstag 17. April 2014, 23:24

52. Haltungswoche (42. Kalenderwoche) - 1. Jahrestag

Königin: 1 Arbeiterinnen: +400 Bruteinheiten: +600
Die Ameisen (Gyne + 6 Arbeiterinnen + Brut) sind am 28.10.2010 bei mir angekommen.


Vorwort

Zum Jahrestag meiner Camponotus fellah Kolonie werde ich im vorläufig letzten Beitrag alles nochmal Revue passieren lassen und den Haltungsbericht von vorne aufkrempeln, nur eben mit all den Erfahrungen und Daten geschmückt, die ich in den letzten 365 Tagen sammeln durfte. Das bezieht sich auf die Unterpunkte der Einleitung & Vorstellung, die da wären: Größe, Entwicklungsdauer, Bevölkerungswachstum, Haltungsbedingungen und Becken. Zum einen werde ich auf eigene Beobachtungen eingehen, die man aus dem Verhalten der Kolonie ablesen konnte, zum anderen werde ich auf die damit verbundenen Auswirkungen auf die Haltung zu sprechen kommen. Letzteres wird sein, ob ich meine Wahl nach einem Jahr bedauere und was die Vorzüge und auch Nachteile von C. fellah waren/sind. Mein Haltungsbericht wird natürlich auch sein Fett wegbekommen und kritisch beleuchtet, was man eventuell hätte besser machen können usw., denn, unverkennbar hat eine Wandlung im Laufe der letzten Monate stattgefunden.

Nachfolgende Informationen basieren auf Beobachtungen und Vergleiche in Haltung (Lasius spp., Myrmica sp., Tetramorium sp. und Camponotus vagus) und Natur (diverse Lasius spp., Myrmica spp., Formica spp.). Die gesammelten Daten sind im Eingangsbeitrag nachzulesen.

Größe

Die Riesenameisen (engl. Carpenter ants) machen ihrem Name alle Ehre. Von allen oben genannten und von mir bisher gehaltenen Arten stellen die C. fellah ausnahmslos die größten Individuen, und das ist nicht allein auf die stolzen Major-Arbeiterinnen zurückzuführen. Schon die Minor-Arbeiterinnen haben eine gute Nasenlänge Vorsprung im Vergleich zu ihren Verwandten C. vagus, was im Bericht durch zwei Fotos versucht wurde zu untermauern (in #6 und #25 ).
Mit ihren annähernd 2 cm übertrifft die Gyne sogar die meisten hier heimischen Wespenarten und lässt Laien, wie ich damals einer war, die Kinnlade runter- und die Augen aufreißen – Faszination und Bewunderung zugleich.
Diese Ausmaße in der Körpergröße erlauben nicht nur das Beobachten der Kolonie im gesamten, sondern erleichtern zudem das genauere Untersuchen von Verhaltensweisen einzelner Individuen.
Mit der Größe wandelt sich auch die Lebensweise. Arbeiterinnen von C. fellah weisen bspw. kein so ausgeprägtes Rekrutierungsverhalten auf, wie deutlich kleinere Arten (Lasius sp., Pheidole sp.). Stattdessen sind sie in der Lage kleinere Beutetiere auch schon mal alleine abzuschleppen. Dies kommt aber in der Regel eher selten vor, da es unwahrscheinlich ist, dass ein Beutetier samt erster Kundschafterin lange unentdeckt bleibt.
Mit fortstreitender Koloniegröße und dem vermehrten Füttern von Proteinen nimmt auch die durchschnittliche Masse einzelner Larven immer weiter zu – die Aufzucht von Media- und Major-Arbeiterinnen beginnt (ab #18). Im Durchschnitt lässt sich sagen, dass auf 10 Minor-Arbeiterinnen etwa eine Majore kommt. Die ersten Majoren wurde nach etwas 6 Monaten aufgezogen.

Entwicklungsdauer

Wer groß werden will, braucht auch Zeit sich anständig zu entwickeln. So, oder so ähnlich, träfe es wohl auch auf die Riesenameise zu. Mit einer Zeitspanne von durchschnittlich 50 Tagen ist die Entwicklungsdauer bei Minor- und Media-Arbeiterinnen noch relativ normal bemessen und mit den kleineren heimischen Camponotus Arten zu vergleichen. Die der Major-Arbeiterinnen kann sich dagegen über zwei Monate belaufen.
Von Ei bis Larve gibt es bei allen Morphen keine erkennbaren Abweichungen, zumal man auch nicht ohne weiteres vorhersagen kann, was sich später daraus entwickelt. Erst als Larve, in einem Stadium, in welchem die Determination der späteren Ameise von den Arbeiterinnen durch z.B. das qualitative und quantitative Füttern “gelenkt“ werden kann, sind Abweichungen erkennbar. Die größten zeitlichen Unterschiede in der Entwicklung treten aber während der Metamorphose von Larve zu Image auf.
Die Entwicklungsdauer der Ameisen kann durch Temperaturen sowohl verkürzt als auch verlängert werden. Das Koloniewachstum wird dadurch erheblich beschleunigt (Heizlampe/-folie bei ~30 °C) oder etwas hinausgezögert (Zimmertemperatur bei ~20 °C). Siehe auch RGT-Regel.

Bevölkerungswachstum

Speziell für diesen Punkt wurde eigens eine Statistik angefertigt, die sich durchaus sehen lassen kann (im Sinne von keine größeren Datenlöcher o.ä.) – wenn auch nicht immer auf die letzte Ameise genau berechnet, was bei einer fortgeschrittenen Kolonie, das heißt ab etwa 100 Arbeiterinnen, auch kaum mehr möglich ist. Mit der Zeit ebenfalls untergegangen sind die Lege-Zyklen der Gyne in den ersten fünf Monaten der Haltung. Danach verkürzten sich die Zyklen so drastisch, dass regelmäßige Schübe an Eiern folgten, und die Intervalle nicht mehr auseinander zu halten waren. Damit ließe sich der “Zusammenhang zwischen Legeverhalten der Königin und Größe der Kolonie“ beantworten. Bis auf zwei Wochen, aufgrund eines Haltungsfehlers, lag die Anzahl an Bruteinheiten immer über der der Arbeiterinnen. Je größer die Kolonie desto mehr Eier werden also gelegt, da mehr Pflegendes Personal vorhanden ist. Dank dieser oder ähnlicher Statistiken kann bei einer guten Haltung mit konstanten Bedingungen schon Wochen im Voraus vorhergesagt werden, mit wie vielen Arbeiterinnen und Brut zu rechnen ist – und die Trefferwahrscheinlichkeit liegt gar nicht so weit daneben.
Ähnlich der Entwicklungsdauer einer einzelnen Arbeiterin, ist auch das Bevölkerungswachstum an Temperatur und Nahrungsaufnahme gekoppelt, durch welche das Wachstum der Kolonie beschleunigt oder gebremst werden kann.
Bei einer geschätzten Nest-Temperatur (punktuell) von etwa 28 °C und moderater Fütterung, das heißt nie mehr als 3 mittlere Heimchen in der Woche, anfangs allerhöchstens eins pro Woche, hat es die Kolonie im ersten Jahr auf 400 Arbeiterinnen und über 600 Bruteinheiten gebracht. Ende des zweiten Jahres wird man wohl mit 2000-3000 Arbeiterinnen rechnen können. Allein die Brutzahl spricht Bände. In zwei Monaten wird sich die Kolonie mehr als verdoppelt haben (Entwicklungszeit einer Arbeiterin von Ei bis Imago beträgt etwa zwei Monate).

Haltungsbedingungen

Zu Beginn der Haltung trat ein entscheidendes Problem auf, das man nicht klein reden sollte. Im Haltungsbericht (5. Woche bis 12. Woche) und Diskussionsthread (Ab Beitrag #22) kann man das Bangen um die Brut (Eier) nochmal Revue passieren lassen. Das erste Gelege, aus acht Eiern bestehend, ist mir komplett eingegangen. Vom zweiten Gelege mit 20 Eiern sind nur ganze fünf Larven durchgekommen, der Rest ist eingeschrumpelt. Die Ursache wurde auf ein zu trockenes Nestklima zurückgeführt, welches für die Entwicklung der Eier und auch der Larven schädlich sein kann. Da die Kolonie zu dem Zeitpunkt noch sehr klein war, waren die sechs Arbeiterinnen von sich aus nicht in der Lage es durch eigene Bewässerung zu regeln. Durch die Wahl eines neuen Nestes, mit einem durchweg nassen Bereich, konnte das Problem behoben werden. Danach kamen augenscheinlich alle Eier durch und mit der Kolonie ging es wieder aufwärts.
Die Frage, welche man sich nun stellen sollte ist, ob man das Problem nicht auch schon hätte früher bekämpfen oder gar von Vornherein verhindern können. Da es meine ersten richtigen Exoten waren, bin ich bei der aus Afrika stammenden Art von sehr trockenen Haltungsbedingungen ausgegangen. Ich habe demnach extrem selten das Nest bewässert, Trinkwasser stand aber jederzeit zur Verfügung. Hinzu kommt, dass der Shop-Betreiber sie trocken hielt und sich andere Halter ebenfalls an einer eher ariden Haltung orientierten. Durch eine Doktorandin, die sich mit dieser Art beschäftigt, habe ich näheres über die Haltungsbedingungen unter Laborbedingung in Erfahrung bringen können, und musste leider einsehen, dass mein Zimmer keine Brutstätte darstellt, in der ich eine Temperatur von 30 °C und konstanten 60 % Luftfeuchtigkeit einhalten kann. Die punktuelle Erwärmung mit der Lampe hat die Arbeiterinnen dazu veranlasst die Brut umzulagern, allerdings war die Verdunstung viel zu hoch. Erst mit der neuen Nestkonstruktion und Kondenswasser an der Scheibe war ich wieder auf der sicheren Seite (in #13).
Danach war die Haltung ein Kinderspiel. Ab einer Koloniegröße von 100 Arbeiterinnen habe ich die Bewässerung wieder eingestellt. Zum einen legt die Kolonie ein beachtliches Tempo vor, so dass die wenigen Verluste gut verkraftet werden können, zum anderen scheinen die Arbeiterinnen das Klima nun selbst im Griff zu haben, und das obwohl regelmäßig in der Wärme gebadet wird. Über Nacht erhält die Kolonie eine Sonnenpause, in der die Brut wieder ins Nestinnere transportiert wird - bis zum nächsten Morgen. Im ersten Winter konnte keine Ruhepause beobachtet werden, die Gyne legte munter Eier, obwohl ich sie anfangs noch bei kühler Zimmertemperatur hielt (< 20 °C). Der Winter 2011 wird seinen Teil – ob Pause oder nicht - beitragen.
Während der gesamten Haltung haben mich Heimchen und Honig als Nahrungsquelle überzeugt. Anfangs blieben die Sprungbeine der Heimchen noch unangetastet, aber wenn die Kolonie etwas größer ist, werden auch sie komplett ausgehöhlt. Bei Mehlwürmern trat immer häufiger das Problem auf, dass sie vor der Verwertung vergammelten. Man konnte sie daher nicht einfach im Becken liegen lassen sondern musste sie meist direkt vor den Eingang legen. Da die C. fellah keine aktiven Jäger sind bzw. sich sehr ungeschickt anstellen, wurden die Futtertiere immer gefroren angeboten. Honig habe ich dem Zuckerwasser vorgezogen, da er länger offen liegen bleiben kann und nicht eintrocknet. Hat man ihnen zu viel angeboten, bedecken die Arbeiterinnen die Zuckerquelle mit Substrat. Nach und nach räumen sie es wieder beiseite bis auch der letzte Tropfen weg ist. Danach kann wieder frischer Honig angeboten werden.

Das Becken

Ich denke, zum Becken lässt sich nicht allzu viel sagen. Ich habe versucht es artgerecht und naturnah einzurichten. Das heißt, viele Kletter- und ein paar Versteckmöglichkeiten. Zudem ist mir unabsichtlich der Fehler unterlaufen, ihnen am Beckenrand Platz für Grabungen zu lassen, was sich nach etwas Frust, doch als hoch interessant herausgestellt hat. Mittlerweile muss ich auch meine Aussagen zur Scheibenaktivität und Beschädigung am Styrodur-Modell revidieren. Die Grundfläche ist einfach zu klein geworden, so dass die Ameisen immer häufiger den Himmel zu erkunden versuchen – es hält sich aber in Grenzen. An einer kleinen Stelle, nicht weiter tragisch, haben sie auch einen Gang in den Kunststoff geknabbert. Es war nur eine Frage der Zeit.
Sieht man mal davon ab, dass das Becken mit dem Deckelrahmen nicht genau stimmig ist und die Ameisen öfters durch die Ritzen antennieren, scheint der mit Paraffin bestrichene Rahmen sie gut von einem Ausbruch abzuhalten. Jedenfalls konnte ich mit dieser Schutzmaßnahme bisher noch keinen Ausbruch beobachten. Pulver-artige Ausbruchssicherungen kämen für mich nicht in Betracht, da sie m.M.n. zu oft erneuert werden müssten und mit der Zeit von selbst abbröckeln. Das Paraffin habe ich seit bestimmt einem halben Jahr nicht erneuert. Da es unter dem Rahmen aufgetragen wurde, wird es auch weniger schnell mit Staub verunreinigt. Versuche seitens der Ameisen, das Paraffin mit Substrat zu verunreinigen, gab es bisher nie. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sich das ändern. Aber besser nicht den Teufel an die Wand malen.
Da das Becken keine Bohrung für eine Erweiterung besitzt, habe ich bisher immer interne Ytong-Nester genutzt. Damit bin ich auch sehr gut gefahren. Die Größe der Kammern kann vorgegeben werden. Feuchtigkeit, sowohl Wasser als auch Ausscheidungsprodukte, werden gut aufgesaugt. Ein auftretender Schimmelherd kann dadurch ebenfalls besser kontrolliert werden (in #26). Mir bereitet nur die Vorstellung einer 5.000 Frauen starken Kolonie Kopf zerbrechen. Ob ein Nestwechsel dann noch so einfach möglich ist? Wir werden es sehen. Ein neues Nest und eine veränderte Einrichtung sind auf jeden Fall schon in Planung.

Die Qual (nach) der Wahl

Ich bin mit meinen Camponotus fellah vollends zufrieden und bin auch der Meinung dass ich bei dieser Gattung alles bekomme, was ich mit Ameisen irgendwie in Verbindung bringe. Den wiederkehrenden Hype um australische Bulldoggen-Ameisen oder blattschneidende Superkolonien habe ich nie nachvollziehen können.
In erster Linie kommt für mich eine bestimmte Verträglichkeit in Frage, da ich gerne den Kontakt zu den Tieren suche. Da sind Arten, die wespen-ähnlich stechen oder mir den halben Finger abschneiden, fehl am Platz. Natürlich werden die meisten Camponotus Arten von Myrmecia sp. in der Größe überboten, aber mit annähernd 2 cm kann man da nicht meckern. Die Größe erleichtert einfach das Beobachten einzelner Individuen, im Gegenzug muss man eben auf ausgeklügelte Rekrutierungsverhalten verzichten, die kleinere Arten aufweisen. Der Verzicht der Winterruhe war ein weiterer Punkt, da ich das 80er Becken nicht wegschleppen wollte und mein Zimmer somit für 5 Monate leer stünde.
Die Ameisen an sich sind schön anzusehen, da sie eine Farbvarianz von dunkelbraun bis schwarz aufweisen und nicht eintönig sind. Dadurch wird das Erkennen von Konturen erleichtert. Eine weitere Besonderheit dieser Gattung ist der gut ausgeprägte Polymorphismus, der den Hauptanlass meiner Wahl darstellte.

Intention zum Schreiben (Haltungsbericht)

Ich möchte hier kurz nur erläutern, was mir über die letzten Monate selbst kritisch aufgefallen ist. Anfangs fand ich die Stickpunkt-artige Schreibweise noch interessant, zumal ich versucht habe sie durch Schlagworte wie “Arttypische Beobachtung“ o.ä. etwas übersichtlicher zu gestalten. Zu Beginn der Haltung passiert erfahrungsgemäß am meisten, dennoch empfand ich eine wöchentliche Berichterstattung in Form eines Rückblicks mehr als ausreichend. Da sich im Laufe der Haltung einiges wiederholt, macht es Sinn die wöchentlichen Berichte auf einen Monat auszuweiten und nur bestimmte Aktionen oder Beobachtungen zu Papier zu bringen. Dies lässt sich am besten durch aussagekräftige Überschriften, in Form von Appetit-Häppchen, und mittellangen Texten realisieren, was ich ab der 33. Haltungswoche auch versucht habe umzusetzen. Im Grunde tut sich da nicht so viel, man muss halt seinen eigenen Stil finden und da fand ich den letzten einfach ansehnlicher. Fotos sind natürlich Pflicht, und Videos runden das ganze nochmals ab. Zuvor habe ich mich z.B. nie mit dem Schneiden von Videos beschäftigt oder mir einen Account bei Youtube erstellt.
Ich bin mir durchaus im Klaren, dass nur eine Handvoll interessierter User die Berichte auch wirklich (bis zum bitteren Ende) liest bzw. gar studiert, aber das sollte es wert sein. Ich selbst habe Mainmans Haltungsbericht viele Male wiederholt durchgelesen. Das könnte aber auch auf mein schlechtes Erinnerungsvermögen zurückgeführt werden…

Danke!

... möchte ich am Ende noch allen fleißigen Lesern sagen, die den Haltungsbericht mitverfolgt und ihn zum Anlass für Diskussionen genommen haben.

Demnächst werde ich noch ein paar Videos reinstellen und über den nächsten Umzug berichten, da das Becken komplett umgebaut werden soll.

Diskussion: >> HIER <<
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Re: Camponotus fellah - Haltungserfahrungen

Beitragvon Streaker87 » Donnerstag 17. April 2014, 23:33

104. Haltungswoche (42. Kalenderwoche) - 2. Jahrestag

Wahnsinn wie schnell die Zeit vergeht. Der "Geburtstag" steht noch aus, aber die 104. Haltungswoche, und somit 2 Jahre, wurden erreicht. Die Kolonie sollte über 3.000 Individuen zählen. Die vorhandene Brut lässt auf mehr hoffen, aber verhaltenes Füttern und eingeschränkte Wärmezufuhr während der Sommerzeit trugen in den letzten Monaten zum langsamen Wachstum der Kolonie bei.

Brutanteil in der Kolonie - Mögliche Ursachen (Teil 2)

Nach ca. 2 Wochen Wärmezufuhr durch die Lampe, befanden sich in der oberen Brutkammer anfangs wieder einige Puppen (~ 10 Stück). Danach kamen pro Woche etwa 50 Stück dazu, so dass jetzt wieder weit über 100 Puppen im Nest vorhanden sind. Bisher wurden keine Majore aufgezogen. In der oberen warmen Kammer werden immer ein Teil kleinerer und größerer Larven und 99% der Puppen gelagert (1). Es erweckt den Eindruck, dass die Arbeiterinnen die Entwicklung schubweise von Statten gehen lassen.

Da die Proteinmenge die letzten Monate über nicht verändert wurde, muss die Wärme die einzige Variabel sein. Hier zeigt sich sehr schön, dass zur Aufzucht von Arbeiterinnen eine Mindesttemperatur vorhanden sein muss, da die Kolonie ansonsten die Diapause einläuten kann. Obwohl es Sommer war, war die Beckentemperaturen von 20 °C nicht ausreichend. Unter 18 °C hat die Kolonie die Aufzucht komplett eingestellt.

Es stellt sich nun zusätzlich die Frage, ob dieses Phänomen für alle Arbeiterinnen gilt, oder nur für Minore, da bisher keine Major-Puppen zu verzeichnen sind. Es könnte theoretisch sein, dass Majore eine leicht erhöhte Temperatur benötigen, da sie auch größer sind. Entweder wurde die Temperatur erreicht, oder es fehlen noch ein paar Grad. Das wird sich in den kommenden Monaten zeigen...

Photophilie (Lichtliebe)

Als weiteren Beleg für die Photophilie meiner Kolonie habe ich dieses Mal alle meine technischen Möglichkeiten ausgeschöpft und ein Zeitraffer Video gedreht. Zuerst beobachtet man ein heilloses Durcheinander. Die Ameisen belaufen das Ytongnest und die Scheiben willkürlich. Aber sobald die Lampe eingeschaltet wird, bewegt sich ein Großteil der Arbeiterinnen auf die Lichtquelle zu und versammelt sich unter dieser. Von allen Seiten scheinen nun Ameisen von der Lampe angelockt zu werden. Nach etwa 20 Minuten hat sich die Meute wieder beruhigt, der Platz wird wärmer, so dass sich die Ameisen im leichten Abstand zur Lampe niederlassen. Weiterhin ist zu beobachten, dass bis auf wenige Media-Arbeiterinnen und die Intermorphe keine Majoren im Licht baden.

Wiederum muss man sich fragen, was denn nun der Auslöser für dieses Verhalten ist. Das Licht oder die Wärme? Mit dem Hintergrundwissen der Lichtscheu von Camponotus fellah, die durch einen sehr großen Teil von Halter- und wissenschaftlichen Quellen belegt wird, müsste man sofort auf die Wärme schließen. Die Ameisen scheinen also Wärme ihrer Scheu vorzuziehen, da es für die Brut einen entwicklungstechnischen Vorteil hat. Außerdem herrschen in meinem Zimmer keine wüsten-ähnlichen Temperaturen, die das Leben einzelner Arbeiterinnen oder gar der ganzen Kolonie bedrohen würden.
Allerdings durfte ich immer wieder beobachten, dass in der Nacht, wenn die Nestlampe aus ist, Arbeiterinnen diejenige Beckenscheibe belaufen, die durch Licht aus mehreren Metern Entfernung angestrahlt wird, also vom Schreibtisch oder Bett aus. Demnach hat also auch das Licht, und nicht die Wärme allein, einen Einfluss.
Ich denke, dass beides ein Rolle spielt. Da Licht als "Indikator für Wärme" verstanden werden kann, würde ich dem (Mittel zum Zweck) am ehesten Bedeutung zusprechen, da Ameisen i.d.R. kein Licht zum Sehen/Orientieren benötigen.



Das zweite Video zeigt das Verhalten der Kolonie im Nestinneren. Sobald die Lampe eingeschaltet wird und die Wärme ins Nest eingedrungen ist, beginnen die Arbeiterinnen alle Puppen in der oberen Kammer zu horten. In der Nacht, wenn die Wärme fehlt, wird die gesamte Brut wieder auf alle Kammern verteilt. Da kommt keine Langeweile auf!



Für alle Neugierigen habe ich meine improvisierten Aufbauten noch mal mit dem Fotoapparat festgehalten (2), (3). Die Aufnahmen von oben sind leider noch nichts geworden (4). Die Idee war Ameisenstraßen während der Fütterung zu erkennen, aber es kam keine zustande. Camponotus gelten sowieso nicht als die großen Straßen-Former, aber vermutlich ist das Becken einfach zu klein.

Missbildung bei einer Arbeiterin

Lange Zeit habe ich die Majore nicht vernünftig vor die Linse bekommen. Da sie schon länger in der Kolonie lebt, scheint ihre Missbildung sie nicht weiter zu beeinträchtigen. Der Kopf ist deformiert und ihre rechte Mandibel verkümmert (5). Der Grund bleibt offen, aber eine Vermutung wäre, dass sie in ihrer Zeit als Puppe, wo der Panzer noch sehr weich ist, zu grob behandelt wurde, evtl. auch durch den Einsatz mit der Pinzette. Zum Vergleich sieht man auf Bild 6 nochmal eine gesunde Majore (6).

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Re: Camponotus fellah - Haltungserfahrungen

Beitragvon Streaker87 » Donnerstag 17. April 2014, 23:47

158. Haltungswoche (44. Kalenderwoche) - 3. Jahrestag

Projekt

Hier für: Physikalischen Eigenschaften einer Ameise

Zur Erläuterung:

Die Daten (hier nicht weiter aufgeführt) wurden anhand von fünf trockenen Arbeiterinnen erhoben.

Nach der Bestimmung des Gesamtgewichtes wurden Kopf, Thorax und Hinterleib separat gewogen (jeweils fünf), ohne Extremitäten am Thorax.
Die Extremitäten wurden zuerst intakt gewogen (je zehn) und danach in Coxa, Femur (+Trochanter), Tibia und Tarsen zerteilt (ebenfalls je zehn).

Die Bilder geben die Verhältnisse an. Der “Brocken” war also 97 mal so schwer wie eine Arbeiterin. Oder eine Vorderextremität 22 mal so schwer wie eine Tarse (einer Vorderextremität).

Camponotus fellah Brocken klein.png
Camponotus fellah Brocken klein.png (281.28 KiB) 32438-mal betrachtet


IMG_2983 Zahlen.jpg
Aufgrund der eh schon hohen Ungenauigkeit und der Übersicht halber, wurden in den Bildern jeweils nur ganze Zahlen verwendet.


IMG_2992 klein.jpg
Anbei noch ein Foto vom Arbeitsplatz. Im Vordergrund, in der Petrischale fünf zerlegte Beine.


Zusammenfassung & kleiner Rückblick

Winterruhe

Die Kolonie hat die Winterruhe bereits eingeleitet. Es sind nur noch wenige Puppen im Nest vorhanden. An Larven, welche überwintern, befinden sich dagegen wieder über 1.000 in den Kammern. Auch die Gyne hat im Vergleich zu den vergangenen Wochen stark an Umfang abgenommen.
Die Winterruhe wird wie folgt aussehen. Keine separate Erwärmung des Nestes bis Ende Januar. Die Zimmertemperatur wird zwecks Raumheizung bei 18-21 °C liegen. Proteingabe wird von 5-6 auf 1-2 mittlere Heimchen pro Woche reduziert. Wasser und Honig werden wöchentlich unverändert verabreicht. Das Ende der Winterruhe wird voraussichtlich Anfang Februar 2014 sein, damit nicht wieder eine Verspätung von zwei Monaten auftritt (siehe nächsten Abschnitt).

IMG_2725 zusammen.jpg
Achtung! Das Bild ist 2 GB groß.


Geschlechtstiere

Die ersten Jungköniginnen schlüpften mit einer zweimonatigen Verspätung im Juli. Als Grund wird der kalte Frühling vermutet. Das letzte von dreizehn Tieren schlüpfte im Folgemonat. Die Geschlechtstiere aus 2013 wurden von der Kolonie getrennt, damit neuer, königlicher Zuwachs schneller auffällt und den Geschlechtstieren von 2012 zugeführt. Die Ameisen vertragen sich ohne Probleme, verhalten sich ruhig und nehmen selbstständig Honig auf.

IMG_3069 klein.jpg


Ausbruch und Sicherheit

Zu einem Ausbruch kam es die ganzen drei Jahre über nicht. Der 5 cm breite Plexiglasrahmen wird von unten mit flüssigem Paraffin eingestrichen, dieses wurde aber seit fast einem Jahr nicht mehr erneuert. Für die Art Camponotus fellah reicht dieser Schutz also aus. Anfang August gelang es den Ameisen allerdings die Barriere zwischen Arena und Nest zu durchbrechen. Die Lücken wurden daraufhin wieder mit Kleber verschlossen. Die ca. 40 eingeschlossenen Arbeiterinnen mussten geopfert werden und gingen ein.

IMG_2723 klein.jpg


Aktueller Zustand der Kolonie

Wie unschwer zu erkennen ist, findet gerade eine Fütterung statt. Zu sehen ist das gerahmte Becken mit integriertem Nestbereich aus Ytong und der oben aufliegenden Arena. Hinten links befindet sich die Brutkammer, die nach Belieben erwärmt werden kann, woraufhin ein Großteil der Puppen eingetragen wird. Bedingt durch einen Durchbruch in das Beckeninnere liegen am Boden mehrere Leichen zwischen Nest und Beckenscheibe.



Resümee

Die Ameisen bereiten mir auch nach drei Jahren noch viel Freude - auch wenn es über zwei Jahre meine einzige Kolonie ist, die ich besitze. Zum Schmunzeln bringen mich besonders Momente, wie sie unten im Video dargestellt sind. Die Körpergröße der Art Camponotus fellah erlaubt auch den Kontakt zu einzelnen Tieren. Demnach gibt es immer etwas zu beobachten und wenn sich wieder besondere Ereignisse wie Geschlechtstiere ankündigen, lassen sich die Zahlen schön mit denen vom Vorjahren vergleichen. Ein Grund mehr für mich, Kolonien über Jahre hinweg zu pflegen und zu beobachten! Des Weiteren will ich mir als angehende Biologie- und Chemie-Lehrkraft ein Einbringen der Kolonie in den Unterricht offen halten. Für ein Uni-Praktikum und Projekt (siehe oben) stand mir die Kolonie bereits tapfer zur Seite. Da es sich i.d.R. um nicht-wissenschaftliche Experimente handelt, versuche ich Opfer zu vermeiden, das heißt, die Ameisen werden für derartige Planungen nicht extra getötet. Leichen fallen täglich schon genügend an.



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Re: Camponotus fellah - Haltungserfahrungen

Beitragvon Streaker87 » Mittwoch 27. Mai 2020, 19:25

499. Haltungswoche (25. Kalenderwoche) - 9,58 Jahre

Hi @all,

zweieinhalb Jahre nach meinem letzten Forenbeitrag wieder ein Lebenszeichen von mir - und meiner Camponotus fellah Kolonie, nach nunmehr 9,58 Jahren Haltung. :redface:

Ich habe mich, Dank einer besseren Handykamera, jetzt auch überwunden, nach vier Jahren YouTube-Abstinenz endlich wieder ein Videoupdate zu machen.
Eigentlich tut sich ja nicht so viel in der Kolonien - denkt man. Deshalb habe ich den ("Arbeits")Alltag der Ameisen festgehalten. Hier und da habe ich mich auch zu einigen schriftlichen Bemerkungen hinreißen lassen...

Das Video werde ich sicher auch im Biologieunterricht einsetzen, wenn meine Schülerinnen und Schüler manche Verhaltensweisen bei den Verhaltensbeobachtungen nicht erkennen konnten, oder da sich auch nicht immer alles in separierten Kolonien beobachten/nachstellen lässt. Das ist mir aber tatsächlich auch erst nachträglich eingefallen. :roll:

Aber seht selbst:



Viele Grüße an alle!
Ich hoffe, es geht euch gut!

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