Knochenmarkspende / Stammzellspende

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Knochenmarkspende / Stammzellspende

Beitragvon NIPIAN » Dienstag 10. Mai 2016, 19:12

Hoi,

ich möchte an dieser Stelle auf die DKMS aufmerksam machen.

Die DKMS, die Deutsche Knochenmarkspenderdatei, ist eine gemeinnützige Gesellschaft, die das Ziel hat, die Überlebenswahrscheinlichkeit von Patienten mit Knochenmarkserkrankungen, z.B. Leukämie, zu erhöhen. Potentielle Spender müssen sich zwischen dem 17. und 55. Lebensjahr befinden und sollten gesund sein.

Untersuchung des Spenders:
Zu diesem Zweck wird eine Gewebeprobe des potentiellen Spenders auf Oberflächenmerkmale der Zellen hin untersucht, quasi der Fingerabdruck der Zellen aufgezeichnet. Die Gewebeprobe kann sowohl als Blut mittels einer Blutentnahme über die Vene, als auch als Abstrich mittels Wattestäbchen von der Mundschleimhaut gewonnen werden. Ersteres ist günstiger, tut aber mehr weh und erfordert den Besuch eines Arztes, oder eines offiziellen Termins von der DKMS. Zweiteres ist teuerer (~ 40 €), schmerzfrei, und kann bequem von zu Hause aus durchgeführt werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Einzelne als Spender gerufen wird, ist vergleichsweise gering. Täglich erreichen in Deutschland ungefähr 15 von über 5,4 Millionen gemeldeten Spendern einen Hilferuf. Komplizierter formuliert: die Wahrscheinlichkeit, dass man innerhalb von 10 Jahren als Stammzellspender in Frage kommt, liegt bei etwas mehr als 1%. Wenn man 30 Jahre lang eingetragen ist, dann etwas mehr als 3%... usw.

Spenden:
Wird man angesprochen, man käme als Spender in Frage, gibt es 2 Wege, wie man Knochenmark spendet.
Die ältere Methode ist ein (meist mehrere) Stich(e) in den Beckenkamm und es wird etwa 1 Liter Blut-Knochenmarkgemisch entnommen. Dazu gibt es eine Vollnarkose. Von der Anwendung einer Spinalanästhesie im Rahmen des Eingriffs habe ich bislang noch nichts erfahren. Während des Eingriffs bekommt man Flüssigkeit über eine Vene, unter anderem um den Wasserverlust auszugleichen. Nach der Spende hat man das Gefühl eines kräftigen Muskelkaters, sowie ordentliche blaue Flecke, die sich noch einige Tage bis Wochen auf Druck bemerkbar machen. Weiterhin kann man Eisentabletten bekommen, um den Blutverlust schneller ausgleichen zu können. Das eigene Knochenmark an der Entnahmestelle regeneriert sich wieder.
Die neuere Methode sammelt die Knochenmarkzellen über eine Vene ein, ähnlich einer Dialyse. Hierzu wird über mehrere Tage ein Hormon verabreicht, welches einen Teil der Knochenmarkszellen in das Blut übertreten lässt. Diese werden mittels zweier Venenzugänge, ein Zu- und ein Abfluss zu einer sogenannten Apheresemaschine, vom Blut abgetrennt und das übrige Blut in den Körper zurückgeführt. Auch hierbei erholt sich das Knochenmark vom Verlust problemlos.
Die erste Variante ist schneller als die Zweite. Man kann ohne Nachteil mehrmals im Laufe des Lebens spenden. Durchaus auch demselben Empfänger, sollte es da Probleme geben (da gibt es potentiell viele, die auch noch Jahre nach der Spende auftreten können).

Übrigens: sämtliche Kosten, also Hin- und Rückfahrt, Verdienstausfall etc. werden erstattet. Der Arbeitgeber kann sich von der DKMS den Lohnausfall begleichen lassen.

Seit 1994 ist die DKMS zur weiteren Spenderanalyse, also Menschen, die die Wattestäbchen beantragen und zurücksenden, alleine auf Spenden angewiesen. Deshalb sollte man sich, bevor man sich anmeldet, bewusst dafür entschieden und sich die Folgen klar vor Augen geführt haben. Man kann die Kosten der Spende (40 €) selber tragen, oder ein Pate übernimmt die Kosten, wenn man diese nicht bezahlen möchte. Erhält man "den Anruf" werden alle weiteren Kosten von der Krankenkasse übernommen.

Selbstverständlich kann man jederzeit, sollte man als Spender in Frage kommen, die Spende verweigern. Das ist stets die Entscheidung des Spenders. Zum Zeitpunkt der Anfrage weiß der Empfänger noch nichts von seinem potentiellen Glück, um zumindest diese Enttäuschungsmöglichkeit zu vermeiden - derer es bis zur erfolgreichen Übertragung und dem Funktionieren des Transplantats mehr als genug geben kann.

Hier zwei Informationsvideos:
Was passiert nach der Online-Registrierung?
Was ist eine Stammzellspende


Dieser Informationspost kann gerne in andere Foren kopiert werden. Da ich für die Informationen einstehe, sollte mein Nickname und das Ursprungsforum darin auch erwähnt, und im Folgenden ein kurzer Informationspost, in welches Forum man den Text weiterkopiert hat, unter diesem Thema hinterlassen werden. So können etwaige Fehler überall ausgebessert werden.
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Re: Knochenmarksspende

Beitragvon Colophonius » Dienstag 10. Mai 2016, 19:47

Hallo!

Ein wirklich schöner Thread, ich denke, dass das sich jeder wirklich überlegen sollte. Mal eine kurze Frage, die du vielleicht beantworten kannst: Wenn man kein Blut spenden darf, darf man dann Knochenmark spenden? Ich würde als Laie vermuten, dass da ähnliche Standards gelten dürften.
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Colophonius
 

Re: Knochenmarksspende

Beitragvon NIPIAN » Dienstag 10. Mai 2016, 20:01

Hoi,

es gibt Qualitätsstandards, die erfüllt werden müssen. Diese unterscheiden sich bei der Blutspende (innerhalb der Blutspende gibt es wiederrum Unterschiede, was genau damit gemeint sein kann - z.B. Vollblut, Blutplasma, Erythrozyten...) von der Knochenmarksspende. Z.B. ist der Hämoglobin-Wert bei der Erythrozytenspende ausschlaggebend, bei der Stammzellspende weniger. Im Übrigen werden Spenderkonservennach der Spende verworfen, sollte damit etwas nicht passen. Der Spender wird unter entsprechenden Voraussetzunen dabei nicht zwingend informiert. Bei der Stammzellspende ist das mit weit geringerer Wahrscheinlichkeit der Fall, jedoch nicht ausgeschlossen.

In beiden Fällen sind die Protokolle vom Inhalt, Ablauf, dem Arbeitsaufwand und -umfang, beginnenden mit dem Spenden bis zum endgültigen Empfang und der Nachsorge, durchweg beeindruckend.
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Re: Knochenmarkspende / Stammzellspende

Beitragvon ratti » Mittwoch 11. Mai 2016, 20:49

Ich hab schon mehrfach mir dem Gedanken gespielt dort mit zu machen, allerdings haben mich die möglichen Nebenwirkungen einer Spende dann doch zurück Schrecken lassen. Kannst du dazu vlt noch etwas schreiben? Natürlich nur falls du dich da ein bisschen besser auskennst.

Grüße

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Re: Knochenmarkspende / Stammzellspende

Beitragvon NIPIAN » Donnerstag 12. Mai 2016, 09:13

Hoi,

eigentlich sollte ich jetzt Doktorarbeit schreiben. Aber da meine bessere Hälfte erst am Nachmittag aus dem Urlaub zurückkommt, kann sie mir aktuell nicht auf den Hinterkopf hauen. Also habe ich etwas recherchiert.
Die Informationen kann man im Internet finden. Meine Erfahrung ist, dass die jüngere Generation in Gesundheitsdingen das Internet stark bemüht. Von daher sehe ich es als problemlos an, die Zahlen hier vorzustellen. Um die Risiken begreiflich zu machen: von 100 Wintersportlern verletzt sich jährlich etwa 1, das entspricht einem Unfallrisiko von 1% - jährlich wagen sich über 4.000.000 Deutsche auf die Piste.

Risiken der Stammzellspende per Beckenkammpunktion in Vollnarkose anhand von 9245 Spendern [1]:

Insgesamt benötigten die Spender im Mittel 3 Wochen zur vollständigen Erholung. Vollständige Erholung wurde nach einem Monat von 70%, und nach 3 Monaten von 95% aller aufgezeichneten Patienten gemeldet.

Schwerwiegende Komplikationen:
Von 9245 Spendern hatten 125 Spender (1,35%) eine ernst zu nehmende medizinische Komplikation. 69 aufgrund von mechanischer Verletzung von Gewebe, Knochen oder Nerven, 45 aufgrund von anästhesiologischer Komplikationen, 1 aufgrund von Infektion, 1 aufgrund eines Schlaganfalls. Die mittlere Erholungszeit der ernst zu nehmenden Komplikationen betrug 10 Monate, 67 benötigten länger. [1]

Übliche Nebenbwirkungen (anhand von 2505 Patienten):
Schmerzen:
82% aller Patienten 2 Tage nach der Spende Rücken- und/oder Hüftschmerzen.Im Allgemeinen wurde die Stärke der Schmerzen mit mild bewertet und verging bei 80% der Spender innerhalb eines Monats. Nach einem Jahr konnte gegenüber der Zeit vor Operation kein Unterschied mehr nachgewiesen werden. 33% Halsschmerzen (vermutlich von anästhesiologischer Seite aus verursacht; kommt mir sehr hoch vor - Anm. d. Verf.), 17% Kopfschmerzen.

Müdigkeit:
Zweithäufigste Nebenwirkung. Von 59% aller Patienten am zweiten Tag angegeben. Nach einem Monat war jene bei 95% der Betroffenen zurückgegangen.

Weniger häufig auftretende Nebenwirkungen:
Schlaflosigkeit, Übelkeit, Schwindel, Erbrechen

Nach der Knochenmarkentnahme fiel der Hb im Mittel um 3 g/dl ab. Nach etwa einem Monat konnte noch eine leichte Abweichung nach unten gegenüber den Werten vor der Entnahme nachgewiesen werden. Nach einem Jahr konnte kein Unterschied nachgewiesen werden. In den ersten Wochen können Eisenpräparate gegeben werden. Eisen stellt ein Mangelfaktor in der Bildung von roten Blutkörperchen dar. Die Frauen unter uns kennen das eher, denn die Männer.


Risiken der Stammzellspende per Apherese, einer speziellen Form der "Blutwäsche" (nicht zu verwechseln mit Dialyse!) anhand von 6768 Patienten [2]:
Schmerzen:
Die Mehrheit gab leichte bis mittlere Schmerzen im Muskel- und Bewegungsapparat im Allgemeinen an. Diese stellten sich nach etwa 24 Stunden nach der Hormongabe ein, hatten ihre stärkste Ausprägung um den 5. Tag herum und gingen innerhalb einer Woche auf den Stand vor der Hormongabe zurück.

Benommenheit und Kribbeln:
33% bis 45% gaben kurzzeitige Benommenheit oder Kribbelgefühle während der Apheresezeit an, 2 bis 8 % davon über einen längeren Zeitraum mit mittlerer Stärke , weniger als 1% davon berichteten von starken Gefühlsstörungen

Muskelkrämpfe:
Kamen in weniger als 1% der Spender vor.

Weitere Nebenwirkungen:
Übelkeit und Erbrechen in weniger als 2 %, leichte bis mittlere lokale Infektionen an der Einstichstelle in weniger als 1%.

Aufgrund der Blutmenge, die "gefiltert" werden muss, müssen die mittels Zugänge punktierten Gefäße an den Armen groß genug sein. Ist das nicht der Fall, wird, sofern der Patient einverstanden ist, ein großes Gefäß angestochen. Dabei handelt es sich entweder um eine Punktionsstelle am Hals, oder unterhalb des Schlüsselbeins, über die ein Schlauch bis in Herznähe vorgebracht werden kann. Dabei handelt es sich um einen zentralvenösen Zugang. Das ist für Patienten, die das im allgemeinen nicht kennen, verständlicherweise mit Unruhe und Angst verbunden. Die Komplikationsraten bei sachgerechter Anlage sind gering und werden gesondert aufgeklärt. Zu den Zahlen: 21% der Patientinnen und 5% der Patienten benötigten einen derartigen Zugang und willigten in die Anlage dessen ein.


Insgesamt zeigen die Apherese-Patienten gegenüber der von Knochenmarksspendern eine raschere Erholungszeit.

[1] Recovery and Safety Profiles of Marrow and PBSC Donors: Experience of the National Marrow Donor Program - John P. Miller, Elizabeth H. Perry, Thomas H. Price, Charles D. Bolan Jr., Chatchada Karanes, Theresa M. Boyd, Pintip Chitphakdithai, Roberta J. Kingcorrespondenceemail - BBMT September 2008 Volume 14, Issue 9, Supplement, Pages 29–36, DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.bbmt.2008.05.018
[2] Acute toxicities of unrelated bone marrow versus peripheral blood stem cell donation: results of a prospective trial from the National Marrow Donor Program. - Pulsipher MA1, Chitphakdithai P, Logan BR, Shaw BE, Wingard JR, Lazarus HM, Waller EK, Seftel M, Stroncek DF, Lopez AM, Maharaj D, Hematti P, O'Donnell PV, Loren AW, Leitman SF, Anderlini P, Goldstein SC, Levine JE, Navarro WH, Miller JP, Confer DL - Blood. 2013 Jan 3;121(1):197-206. doi: 10.1182/blood-2012-03-417667. Epub 2012 Oct 29 -PMID: 23109243
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