Megaponera: Ameisen als Rettungssanitäter der eigenen Art

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Megaponera: Ameisen als Rettungssanitäter der eigenen Art

Beitragvon Anon » Donnerstag 8. September 2016, 19:42

Achtung, an die Leute, die relativ lange u. komplizierte Texte in Foren nicht besonders mögen: Bitte hier schon mit dem Lesen aufhören! ;)


Folgender Bericht des Deutschlandfunks ist mir gerade unter die Augen (bzw. in die Ohren) gekommen:
Sanitätsdienst unter Insekten

Ameisen sind für soziales Verhalten bekannt. Sie leben in Kolonien und befolgen eine strenge Arbeitsteilung. Doch in Afrika wurde nun ein nicht nur bei Ameisen, sondern bei Insekten insgesamt noch nie beobachtetes Verhalten entdeckt: Die sogenannten Matabele-Ameisen versorgen ihre verletzten Artgenossen nach dem gemeinsamen Kampf gegen Termiten.


Weiter:
Eigentlich wollte Erik Frank dabei helfen, eine verwaiste Forschungsstation in der afrikanischen Savanne wieder aufzubauen. In der Elfenbeinküste, im Westen des Kontinents. Doch dann zog ihn etwas anderes in seinen Bann: Ameisen auf dem Kriegspfad gegen Termiten.

"Das sind recht große Ameisen, bis zu 1,8 Zentimeter. Und die machen Schlachtzüge. Praktisch so zwei bis drei Meter lange Schlangen von bis zu 500 Ameisen, die dann zu diesen Termiten hingehen, mit denen kämpfen und dann wieder in derselben Formation zum Nest zurückkommen. Das ist sehr auffällig."

Frank ist Doktorand an der Universität Würzburg und inzwischen regelmäßig in Afrika. Der Biologe spricht von einer Art, die als Matabele-Ameise bekannt ist, südlich der Sahara vorkommt und sich ausschließlich von Termiten ernährt.


Vier bis fünf von ihnen verletzen sich nach seinen Erfahrungen bei jedem Raubzug. Die meisten verlieren Beine im Kampfgetümmel.

"Nach der Schlacht, wenn sie die Termiten einsammeln, dann sehen die auch diese verletzten Ameisen. Diese Verletzten rufen um Hilfe, mit einem Pheromon in der Mandibeldrüse, also in den Beißwerkzeugen, einem chemischen Lockstoff. Werden dann entdeckt von ihren Kameradinnen, werden untersucht, und werden dann aufgehoben und zurück zum Nest getragen. Man kann es sich so wie einen Ameisen-Sanitätsdienst vorstellen."

Mehr noch: Im Nest wartet chirurgische Hilfe auf die Verwundeten. Manchmal verbeißen sich Termiten in den Körpern der Ameisen, in einer finalen Kampfaktion vor ihrem Tod.


"Zuerst hängt die Termite dran, und nach ungefähr 24 Stunden schaffen es die im Nest, die irgendwie zu entfernen. In manchen Fällen schaffen sie es nicht. Dann entfernen sie nur den Körper der Termite und lassen den Kopf praktisch dran."

Sanitäter an der Front und Operateure im Nest - laut Erik Frank ist das eine ganz neue Beobachtung bei Ameisen oder überhaupt bei Insekten:

"Man kennt Rettungsverhalten auch von Affenarten, Schimpansen, Elefanten, Delphinen. Aber jetzt im Insektenreich ist das einzigartig bisher. Also einzigartig im Sinne, dass Verletzten geholfen wird."


Schluss (und Fazit) des Artikels:
Mit vier statt sechs Beinen zurück in den Kampf

Die geretteten Ameisen gehen später alle wieder mit auf Raubzüge gegen Termiten - auch ohne alle Beine:

"In der Sicherheit des Nestes können sie sich daran gewöhnen, mit vier oder fünf Beinen zu laufen anstatt mit sechs."

Das dürfte letzten Endes auch der Grund für das Sanitätswesen der Matabele-Ameisen sein. Ihre Kolonien bestehen nur aus ein- bis zweitausend Tieren. Da können sie sich den Verlust vieler Soldaten bei ihren ständigen Überfällen auf die Futterstellen von Termiten nicht leisten. Immerhin gehen die Ameisen mehrmals am Tag auf die Jagd.

"Es sind ja ungefähr 500 Ameisen im Raubzug. Und davon verletzt sich ungefähr ein Prozent pro Raubzug, also fünf bis sechs Ameisen. Wenn jetzt ungefähr vier Raubzüge am Tag gemacht werden, führt das dazu, dass sich circa 20 Ameisen am Tag verletzen."

Diese Zahl ist offenbar höher als die Geburtenrate in den Kolonien:

"Es ist nur eine Schätzung, aber wir nehmen an, dass es circa 13 Individuen pro Tag sind, die geboren werden. Und wenn sich jetzt schon 20 am Tag verletzen, also wenn die Verletzten jetzt verloren wären - ob die Kolonie das kompensieren kann, das ist diskutabel. Also, das kann man bestreiten."

Das Leben einzelner Kämpfer zu retten sichert demnach das Überleben der ganzen Kolonie. Eine weitere von vielen Überraschungen, die die Evolution im Tier- und Pflanzenreich hervorgebracht hat.


Quelle: Deutschlandfunk, Autor des zitierten Artikels: Volker Mrasek
http://www.deutschlandfunk.de/entdeckun ... _id=365123

Leute, ganz ehrlich, ich kann das nicht ganz glauben! :roll:
Obwohl insbesondere der gesprochene Vortrag des Biologen Erik Frank wirklich überzeugend klingt! Meinungen oder Infos dazu? :?:

-------------------

edit: "Google-Hintergrund" zum Thema (2004!): Laser scannt Ameisennester - Raubzüge der Matabele-Ameisen werden untersucht

Bewegte Bilder, wie man sich so einen Raubzug dieser Ameisen vorstellen kann, kommentiert von David Attenborough: https://vimeo.com/19520819
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Anon
 

Re: Ameisen als Rettungssanitäter der eigenen Art?

Beitragvon Meve » Freitag 9. September 2016, 06:34

Hallo,


Erik Frank hat seine Entdeckung auf der GfÖ-Konferenz in Marburg präsentiert, die gestern zu Ende ging.
Er kann seine Erkenntnisse und monatelangen Beobachtungen von Megaponera sowohl als Video als auch, was wichtiger ist, statistisch belegen.
Es handelt sich dabei also nicht um eine nicht belegbare Behauptung, sondern um das Resultat von langjähriger wissenschaftlicher Feld- und Laborarbeit.
Ich hab selbst mit ihm lange darüber geredet und weiß, dass es auch bald recht hochklassig publiziert werden soll.

Daher sehe ich keinen Grund es anzuzweifeln und ich empfehle eher auf die Veröffentlichung zu warten und zu genießen was für fantastische Beobachtungen und Neuentdeckungen die Ameisenwelt noch bereit hält. :)

Gruß
Meve
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Re: Ameisen als Rettungssanitäter der eigenen Art?

Beitragvon Reber » Freitag 9. September 2016, 10:42

Phil hat im eusozial in seinem wundervollen Faden "Ameisen der Elfenbeinküste" bereits über Megaponera analis beichtet. Absolut lesenswert!
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„Doch vor allen Dingen:
Das worum du dich bemühst,
möge dir gelingen.“
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Re: Ameisen als Rettungssanitäter der eigenen Art?

Beitragvon Trailandstreet » Freitag 9. September 2016, 11:09

Die Zahl der täglich schlüpfenden Ameisen kommt mir recht gering vor, auch wenn es jetzt nicht so viele sind, die verletzt wurden, aber es wurde ja auch nicht ermittelt, wieviele denn im Termitenbau zurückbleiben.
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Re: Ameisen als Rettungssanitäter der eigenen Art?

Beitragvon Anon » Freitag 9. September 2016, 14:58

Hallo Meve,

Danke für Dein Zutun,
da bin ich jetzt schon gespannt auf weitere Veröffentlichungen zum Thema! :)

Und Danke auch an Reber, für den interessanten Link in´s Nachbarforum!

Vielleicht sollte man den Titel des Threads umbenennen in: >> Megaponera analis als Rettungssanitäter <<
----------------
P.S.: Yepp, so passt der Titel. (Nochmals) Danke! ;)
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Re: Megaponera: Ameisen als Rettungssanitäter der eigenen Ar

Beitragvon Merkur » Freitag 9. September 2016, 17:23

Im März 2002 wurden wir im Chobe-Nationalpark Zeugen eines Matabele-Raubzugs. Ich füge mal ein paar Bilder davon ein.
Es war bereits gegen Abend, weshalb das Licht nicht mehr recht günstig war. Zudem sind es Scans von Dias.

1-Matabele-905.jpg
Raubzugkolonne
Eine Kolonne schwarzer Ameisen quert die Piste. Die Reifenspur gibt einen Anhaltspunkt für die Größe.

2-.jpg
Raubzugkolonne
Ein zweites Bild. Sie kamen aus dem Gestrüpp neben der Piste. Das Nest konnten wir nicht entdecken,
konnten aber auch nicht lange suchen, weil wir rasch zum Parkausgang fahren mussten.

3-Matabele-902.jpg
Das Ziel: Termiten in Elefantendung
Der "Überfall" galt hier nicht einem Termitennest, sondern einem Elefanten-Kotballen, in den Termiten unterirdisch vorgedrungen waren.

4-Matabele-903.jpg
Matabele im Labor
Einige Tiere aus einem anderen Nest in Namibia habe ich mit ins Labor nach Darmstadt gebracht. Ihrem Namen haben sie alle Ehre gemacht:
Sie stanken so penetrant, dass wir sie nach 2-3 Wochen als Sammlungsstücke in Alkohol eingelegt haben.
MfG,
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Re: Megaponera: Ameisen als Rettungssanitäter der eigenen Ar

Beitragvon Phil » Montag 12. September 2016, 08:49

Hey,
also ich gebe ja zu, als mir Erik zum ersten Mal davon vor ein paar Jahren erzählte, hab ichs ihm auch nicht geglaubt. Aber Erik leistet ausgezeichnete Forschungsarbeit, weshalb ich ihn auch ala Betreuer meiner Bachelorarbeit wählte - und im Freiland konnte ich mich dann selbst täglich von dem faszinierenden Verhalten überzeugen.
Das Verhalten ist nun wirklich gründlich untersucht, die Forschungsgruppe von Erik weiß genau welche Pheromone aus welcher Drüse verantwortlich sind und wie die verarztung im Nest abläuft etc.pp.. Ich werde einen Bericht auf eusozial veröffentlichen, sobald das Paper erscheint.

@Merkur: Vorsicht, Du verwechselt Megaponera mit Paltothyreus. Nur letztere stinken nach Schwefel. Das letzte Bild zeigt also P. tarsatus, die Raubzugsbilder M. analis.
@Meve: Wer bist du? :D Michael S. mit dem Projekt in China?
Grüße, Phil
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Re: Megaponera: Ameisen als Rettungssanitäter der eigenen Ar

Beitragvon Merkur » Montag 12. September 2016, 14:18

Korrektur zu meinen Matabele-Bildern
Betr.: viewtopic.php?f=23&t=1431&p=12333#p12268

Da will ich gleich mal "auffällig" meinen Irrtum zurecht rücken: Wie Phil im vorhergehenden Beitrag anmerkt, handelt es sich bei den von mir gezeigten Raubzügen tatsächlich um Megaponera analis, NICHT aber bei dem Laborbild, das Paltothyreus tarsatus zeigt!

Die Raubzugsbilder habe ich 2002 geschossen, aber keine Tiere mitgenommen. Die ein paar Tage später als Megaponera gesammelten Tiere sahen den Matabele sehr ähnlich (zumindest ohne Lupe), und sie stanken so erbärmlich, dass ich keinen Zweifel daran hatte, Megaponera foetens ("Die stinkende Riesen-Ponera") vor mir zu haben. Den Namen gab es zeitweise *), aber auch da haben einige Umbenennungen stattgefunden.
Da ich nicht wissenschaftlich über die Tiere gearbeitet habe, bemühte ich mich auch nicht um eine exakte Determination. Ich habe nur über unsere Erlebnisse in der “Ameisenschutz aktuell“ einen als eher unterhaltsam gedachten Beitrag geschrieben:
Dufte Ameisen (Pachycondyla analis oder Megaponera foetens). Ameisenschutz aktuell 16, 106-108, 2002.
Niemand hat inzwischen daran Anstoß genommen. Aber inzwischen gibt es ja einige jüngere Tropen-Myrmekologen, die sich auf die jeweiligen Faunen spezialisiert haben. Ihnen fällt eine solche Fehlbenennung natürlich auf, so wie mir, wenn man mir eine Temnothorax als Leptothorax „verkaufen“ wollte. ;)
Immerhin habe ich jetzt dazu gelernt, dass die "Stinkende" sogar gemeinerweise fälschlich des Stinkens bezichtigt wurde. :D

*) https://en.wikipedia.org/wiki/Megaponera
Megaponera is a genus of ponerine ant first defined by Gustav Mayr in 1862 for Formica analis[6] (Latreille, 1802), the sole species belonging to the genus to date. In 1994 William L. Brown, Jr. synonymised the genus under Pachycondyla even though he lacked phylogenetic justification, thereby changing the name from Megaponera foetens to Pachycondyla analis.[7] In 2014 Schmidt and Shattuck revived Megaponera back to full genus status due to both molecular and morphological evidence. Since foetens was just a specific epithet incorrectly used throughout the literature the new name for the species as of June 2014 is Megaponera analis.[1]

Edit: Ich frage mich übrigens, wieso Fabricius eine nicht auffällig stinkende Ameise als foetens = stinkend bezeichnet hat.
Antwiki: Formica foetens Fabricius, 1793: 354 (w.) GUINEA. [Junior primary homonym of Formica foetens Olivier, 1792: 503.] Replacement name: Formica analis Latreille, 1802c: 282.
Ob da nicht auch schon eine Verwechslung erfolgt ist??? ;)

MfG,
Merkur
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Re: Megaponera: Ameisen als Rettungssanitäter der eigenen Ar

Beitragvon Phil » Dienstag 13. September 2016, 07:30

Hallo Merkur,
Du bist nicht der erste, dem das passiert. Obwohl sich Paltothyreus und Megaponera schon recht deutlich voneinander unterscheiden, werden sie oft miteinander verwechselt. Man müsste vielleicht nochmal das uralte Typusexemplar genauer betrachten?

, Phil
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Phil
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Re: Megaponera: Ameisen als Rettungssanitäter der eigenen Ar

Beitragvon Anon » Sonntag 18. September 2016, 16:33

Hallo Freunde der Feldforschung in fernen Ländern! :D

[edit: Sorry für den relativ langen Folge-Text, aber ich konnte beim besten Willen einfach NICHTS weglassen! :P :redface: ]

Angeregt durch den bereits o.g. Bericht des Deutschlandfunks über den Biologen (u. Doktoranden) Erik T. Frank:
Eigentlich wollte Erik Frank dabei helfen, eine verwaiste Forschungsstation in der afrikanischen Savanne wieder aufzubauen. In der Elfenbeinküste, im Westen des Kontinents. Doch dann zog ihn etwas anderes in seinen Bann: [..] [Hervorhebungen durch mich]

und Phils dazu passende Aussage im eusozial.de
[..] wie vielleicht einige von Euch mitbekommen haben, war ich letztes Jahr von August bis Dezember im Comoé Nationalpark an der Elfenbeinküste. Diese 4 Monate konnte ich ganz der Studie von Ameisen widmen, [..] [Hervorhebungen durch mich]

habe ich mich etwas genauer für diesen Nationalpark und die darin befindliche Forschungsstation interessiert.

Wer sich die Wartezeit auf das bald zu erwartende Paper (zum beobachteten Sozialverhalten der Megaponera) etwas verkürzen möchte, hier ein paar Infos aus dem www:

Zum Comoé Nationalpark, Quelle: Wikipedia:
Der Nationalpark Comoé [..] liegt im Nordosten der Elfenbeinküste auf einer Meereshöhe von 120 bis 660 m und ist mit 11.500 km² der größte Nationalpark Westafrikas. Mit einer Nord-Süd-Ausdehnung von etwa 120 km umfasst er ein breites Spektrum an Vegetationstypen von der sudanesischen Vegetationszone im Norden bis zur Guineazone im Südwesten. Er wurde 1983 in die Liste der UNESCO-Naturerbe aufgenommen.

Im Park befindet sich ebenfalls eine der modernsten Forschungsstationen Westafrikas. Forschungsgebiete sind die Tier- und Pflanzenökologie, Verhalten, Evolution, Biodiversität und Naturschutz.



Zur Forschungsstation, Quelle: Universität Würzburg:
Die Comoé Forschungsstation wurde von Professor Linsenmair 1989/90 zunächst als Forschungscamp- mit Mitteln der Volkswagenstiftung aufgebaut. Studenten und Wissenschaftler aus Würzburg und vielen anderen deutschen und ausländischen Universitäten arbeiteten dort mit afrikanischen Partnern zusammen.[..]
Leider musste die Station wegen der soziopolitischen Konflikte in der Côte d’Ivoire, die im September 2002 ausbrachen, bis 2012 geschlossen bleiben. Von 2012 bis 2014 wurde die Station unter der Leitung von Prof. Linsenmair wieder aufgebaut und weiter modernisiert.[..]


Und die Ergebnisse dieser Aufbauarbeit können sich wohl sehen lassen: :)
Mit der im November 2014 fertiggestellten großen Solaranlage hat diese modernste Feldforschungsstation West Afrikas ihre volle Arbeitsfähigkeit erreicht. Mit insgesamt 14 Häusern, einer Küche mit Speisesaal, einem klimatisierten Labor mit über 20 Räumen und einer Garage die Platz für mehrere Geländefahrzeuge und Motorräder bietet, hat die Station die Kapazität, bis zu maximal etwa 20 Forscher in Langzeitprojekten aufnehmen zu können, bei Kurzzeitprojekten, z.B. Exkursionen können es bis ca. 30 sein (wobei dann aber die Verpflegung limitierend wird). Die gesamte Station wird über eine Solaranlage rund um die Uhr mit Strom versorgt und ein leistungsfähiger Generator ist ebenfalls vorhanden, der im Falle einer Störung die Stromversorgung sicher stellt. Fließendes Wasser bester Qualität und in praktisch beliebiger Menge steht überall an der Station zur Verfügung, das aus 80 m Tiefe in einen großen Wasserturm gepumpt und von dort mit hohem Druck verteilt wird.


Hier aktuelle Fotos und der Lageplan der Forschungsstation: http://www.biozentrum.uni-wuerzburg.de/ ... e_station/

Besonders erwähnenswert finde ich, dass man Teile der Station (zu wissenschaftlichen und wohl auch zu "touristischen" Zwecken) sogar mieten kann! Und das zu überraschend moderaten Tagessätzen (incl. optionaler Vollverpflegung!), wie ein Blick in die vorhandene Preisliste zeigt: http://www.biozentrum.uni-wuerzburg.de/ ... omoe__.pdf


Abschließend noch ein Hinweis zu einem Artikel der ZEIT aus 2015. In dem Aufsatz wird die Arbeit des o.g. Forschers und Tropenbiologen Karl Eduard Linsenmair gewürdigt, der die Station eigentlich gleich 2x aufgebaut hat:
Der Patron und sein Paradies
40 Jahre Kampf gegen Wilderer, Bürokratie und Bürgerkrieg: Ein deutscher Biologe baute in Westafrika eine Forschungsstation auf. Jetzt wird er belohnt.
Als der Biologe Karl Eduard Linsenmair 2012 nach dem Bürgerkrieg in die Savanne zurückkehrte, waren von seiner Forschungsstation nur noch tote Hüllen übrig. Die Räuber hatten die Geländewagen aus den Verstecken geholt, die Kühlschränke und Schreibtische weggeschleppt, Waschbecken aus der Wand gestemmt. Sie hatten die Kasse mitgenommen, Kabel aus dem Boden gerissen und alle Türen aufgebrochen.

Als Karl Eduard Linsenmair all das sah, war er froh, denn: "Immerhin hatten sie kein Feuer gelegt." Linsenmair ist Optimist. Dann tat er, was Optimisten eben tun, er fing von vorne an. So hatte er es immer gemacht: Mit kleinen Schritten strebte er in Richtung seiner großen Vision.

Die Geschichte vom Tropenbiologen Karl Eduard Linsenmair ist schon deshalb erzählenswert, weil sie von einer sehr seltenen Spezies handelt, von einem unverwüstlichen Enthusiasten. Ihm ist es als einzigem Deutschen gelungen, eine Forschungsstation in Westafrika mitten in die Savanne zu setzen und dort zu erforschen, wie eines der artenreichsten und fragilsten Ökosysteme der Welt funktioniert: der Comoé-Nationalpark. Obwohl sich alles, aber auch wirklich alles, gegen ihn verschworen zu haben schien. Und doch kann er seit mehr als 40 Jahren nicht von seiner Savanne lassen, auch heute nicht, als alter Mann von 74 Jahren. [..] [Unbedingt lesenswerter und spannender Artikel !! http://www.zeit.de/2015/11/elfenbeinkue ... ettansicht]


Ziemlich abgefahrene Geschichte, oder?! :)
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Zuletzt geändert von Anon am Montag 19. September 2016, 07:31, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Megaponera: Ameisen als Rettungssanitäter der eigenen Ar

Beitragvon Merkur » Sonntag 18. September 2016, 20:23

Ganz herzlichen Dank für den Beitrag, Emse, und besonders für den uneingeschränkt empfehlenswerten Zeit-Artikel!
Herrn Linsenmair habe ich ein paarmal auf Kongressen getroffen, und ich freue mich besonders, dass es ihm gelungen ist, seine Station am Leben zu erhalten. Ich möchte 20 Jahre jünger sein und dort ein paar Monate forschen!
Es gibt ja aus unserer Generation ein paar, die ähnlich gearbeitet haben, wenngleich nicht alle auf selbst organisierten und durchgesetzten Stationen. - Ich erinnere an Uli Maschwitz, der viele Jahre lang in Malaysia, Ulu Gombak, auf einer Forschungsstation über Ameisen gearbeitet hat, wo ich gastweise einige Male mit gearbeitet habe. Die Probleme kommen mir teilweise sehr vertraut vor, obwohl da wenigstens keine kriegerischen Ereignisse zu überstehen waren. :roll:

Schönen Abend noch,
Merkur
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Re: Megaponera: Ameisen als Rettungssanitäter der eigenen Ar

Beitragvon ETF » Montag 26. September 2016, 19:40

Hallo Allerseits,

Ich möchte mich erstmal bedanken dafür dass meine Forschung hier so viel interesse weckt.

Ich bin Erik Frank und heute zufällig über diesen Beitrag bei einer google suche gestoßen. Um ehrlich zu sein wollt ich die Ergebnisse noch nicht an die große Glocke hängen da sie noch im Veröffentlichungsprozess sind (zurzeit bei reviewern) und wie ihr sicher alle wisst dauert sowas immer länger als man denkt (hoffentlich ist das erste Paper über das Helferverhalten in den nächsten 2-3 Monaten draussen). Der Reporter hat aber natürlich das Recht darüber zu berichten wenn ich es in einer öffentlichen Tagung vorstelle.

Die Forschung an Megaponera ist in der Tat sehr spannend und hat noch viele weitere einzigartige Verhaltensweise über die ich hoffentlich im Verlauf des nächsten Jahres berichten werde (bin zurzeit am zusammenschreiben von 22 Monaten Feldforschung). Ich bin sicher ihr habt Verständnis dass ich hier nicht weitere Detaills im moment preisgeben kann stehe gerne aber offen zu allgemeinen Fragen über Megaponera (der Englische Wikipedia Artikel der hier auch erwähnt wurde ist übrigens auch von mir und ich muss zugeben der Artname von Megaponera analis hat eine in der Tat verwirrende vorgeschichte...).

Ich bin zurzeit auch Koordinator der Comoé Forschungsstation und wenn jemand Fragen über den Park, Forschungsverhältnise in der Elfenbeinküste oder die Forschungsstation hat kann er sie mir gerne stellen (oder noch besser gleich vorbeischauen will zum mitforschen). Es ist in der Tat möglich auch als Tourist vorbeizuschauen.

Die Arbeit die Prof. Eduard Linsenmair geleistet hat ist wirklich einzigartig und er fährt immer noch jedes Jahr für mehrere Monate in die Elfenbeinküste um sein Lebenswerk zu vollenden und das mit 76 Jahren (für die er sich wirklich sehr gut gehalten hat).

Viele Grüße,
Erik
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Re: Megaponera: Ameisen als Rettungssanitäter der eigenen Ar

Beitragvon Anon » Donnerstag 16. Februar 2017, 15:39

Veranstaltungstipp, für Leute aus dem Großraum Karlsruhe:

Die entomologische Arbeitsgemeinschaft des NWV (Naturwissenschaftlicher Verein Karlsruhe e.V.) lädt zu folgendem Vortrag ein:

Erik T. Frank, T. Schmitt, T. Hovestadt, O. Mitesser, J. Stiegler & K. E. Linsenmair (Universität Würzburg): Vom Wert des Individuums: Kameradinnen helfen Verletzten bei der Termiten jagenden Ameisenart Megaponera analis

Die Ameise Megaponera analis ist eine afrikanische Art die darauf spezialisiert ist Raubzüge gegen Termiten der Unterfamilie Macrotermitinae an ihren Futterstellen durchzuführen. Während unseren Beobachtungen in der Elfenbeinküste im Comoé Nationalpark ist uns aufgefallen, dass nach der Schlacht gegen Termiten verletzte Ameisen zurück zum Nest getragen wurden. Diese verletzen Ameisen haben während der Schlacht entweder Beine verloren (durch die verteidigenden Termitensoldaten) oder festgebissene Termiten noch an den Beinen hängen. Die verletzten Ameisen „rufen“ nach der Schlacht um Hilfe mittels Pheromonen in der Mandibeldrüse, werden zurück zum Nest getragen (falls nicht zu schwer verletzt) und dann im Nest verarztet, wobei die Wunde gereinigt und die festgebissene Termite entfernt wird. Diese Art von Helferverhalten ist einzigartig im Tierreich. Sie wirft viele interessante Fragen zur Evolution von Helferverhalten auf, sowie zu den Anpassungen welche Tiere entwickelt haben, um gegen wehrhafte Beute ihre Furagierkosten zu reduzieren.


Der Vortrag findet statt am Freitag, den 24.02.2017 um 19.00 Uhr im „Großen Saal“ im Nymphengarten-Pavillon im Hof des Museum für Naturkunde Karlsruhe. Der Eintritt ist frei, Gäste sind willkommen, eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Für Autofahrer gibt es am Freitagabend meist genügend Parkraum im Museumshof.

Weitere Infos: http://www.nwv-karlsruhe.de/Arbeitsgeme ... logie.html
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Re: Megaponera: Ameisen als Rettungssanitäter der eigenen Ar

Beitragvon Anon » Mittwoch 12. April 2017, 21:24

Noch ganz (druck)frisch: http://www.zeit.de/news/2017-04/12/wiss ... r-12211006

Siehe auch hier: http://www.wienerzeitung.at/themen_chan ... ienst.html

Zum (lang erwarteten) Paper: Saving the injured: Rescue behavior in the termite-hunting ant Megaponera analis / http://advances.sciencemag.org/content/3/4/e1602187

Und zur Abrundung das Video: http://www.livescience.com/58660-ants-r ... rades.html

Herzlichen Glückwunsch an Erik Frank und seine Mitforscher! Gute Arbeit! :)
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Re: Megaponera: Ameisen als Rettungssanitäter der eigenen Ar

Beitragvon Gilthanaz » Mittwoch 12. April 2017, 22:23

Auch der österr. Presse war es eine Meldung wert:
http://science.orf.at/stories/2836722
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Re: Megaponera: Ameisen als Rettungssanitäter der eigenen Ar

Beitragvon ETF » Freitag 14. April 2017, 12:09

In Österreich hat es sogar in die Abendnachrichten geschafft, mit kurzem Skype interview aus der Elfenbeinküste.
http://tvthek.orf.at/profile/ZIB-1/1203 ... r/14028177
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Megaponera: Ameisen als Rettungssanitäter der eigenen Art!

Beitragvon Anon » Freitag 14. April 2017, 16:09

Danke an ETF für den Link, ein schöner (vorläufiger?) Abschluss für den Thread! :)

Vielleicht kann ein Moderator das Fragezeichen aus dem Titel des Stranges nehmen...
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Re: Megaponera: Ameisen als Rettungssanitäter der eigenen Ar

Beitragvon Merkur » Freitag 14. April 2017, 19:55

Mir ist eine Form von „Hilfe“ unter Ameisen bekannt, die wir in buchstäblich einigen Hundert Experimenten zum Raubzugverhalten des Sklavenhalters Harpagoxenus sublaevis immer wieder mal beobachten konnten.
Während des Angriffs von vielleicht 20 oder 30 Harpagoxenus-Arbeiterinnen auf ein Nest von Leptothorax acervorum kommt es fast regelmäßig dazu, dass einzelne Angreifer von einer Anzahl Verteidiger „gestellt“ und „gestreckt“ werden:

Hs-Strecken-int-Kön-web.jpg
Harpagoxenus sublaevis, von Leptothorax acervorum "gestreckt"
Immer wieder konnten wir beobachten, wie dann einzelne Harpagoxenus-Arbeiterinnen auf dem Kampfplatz vor dem überfallenen Nest umher streiften und bei Erreichen einer solchen „Zerrgruppe“ ringsum den ziehenden L. acervorum die Beine abscherten. Der Begriff „abscheren“ ist dabei sehr treffend: Es geht in einem wahnsinnigen Tempo; wie ein Rasenmäher rasierte so eine Kämpferin die Extremitäten ab! Meist kam dann die Harpagoxenus-Arbeiterin frei. Im Laborjargon haben wir diese Helferinnen als die „Beißer“ bezeichnet. Das Ganze läuft unter heftigem Stridulieren von beiden Seiten ab; „Hilferufe“?

Es gab damals in den 1970er Jahren noch keine Video-Aufzeichnung, und Filmaufnahmen waren zu teuer. Aber wir sind auch nicht auf die Idee gekommen, diese Ereignisse zahlenmäßig zu erfassen, statistisch zu bearbeiten und eine eigene Veröffentlichung daraus zu machen: Die Harpagoxenus sind bei dem Raubzug „motiviert“, den Gegnern Beine und Antennen abzutrennen, so dass sie sich dem Abtransport ihrer Puppen nicht widersetzen können. Der „Beißer“ tat also anscheinend nur seinen normalen Job!

Solche Dokumentations- und Publikationsmöglichkeiten wie heute hätten uns damals doch sehr geholfen! ;)

MfG,
Merkur
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Re: Megaponera: Ameisen als Rettungssanitäter der eigenen Ar

Beitragvon ETF » Freitag 14. April 2017, 23:15

Hallo Merkur,

das ist wirklich hochinteressant! Genau auf sowas habe ich mit meinem Paper gehofft. Dass solche anekdotischen Geschichten vielleicht mehr auffallen (und veröffentlicht werden). Ich bin auch der Meinung, dass man solche Verhaltensarten bei Sklaventreibern erwarten könnte (laut unserem Modell sollten alle Faktoren die so ein Helferverhalten bevorzugen zutreffen können). Jürgen Heinze konnte mir leider von keinen Beobachtungen erzählen.

Waren die Leptothorax Ameisen eigentlich auch dazu in der Lage Beine oder Antennen abzubeissen/reissen?

Arbeiten sie noch zufällig mit diesen Ameisen oder kennen sie jemanden der das tut?

LG,
ETF
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Re: Megaponera: Ameisen als Rettungssanitäter der eigenen Ar

Beitragvon Trailandstreet » Samstag 15. April 2017, 08:41

Beine abtrennen können eigentlich alle Ameisen, nur eben nicht so effektiv. Deswegen haben die Harpagoxenus ja auch diese "Scheren".
Bei Polyergus, die sich wohl weniger aus einer Streckung befreien lassen müssen und eher auf einen Zweikampf setzen, sind es eben "Dolche".

Es wäre aber schon auch interessant, wenn jemand dieses Thema noch einmal aufgreifen würde und dazu vielleicht Filmmaterial liefert.
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