Ungewollt Ameisen-Parasiten ins Formicarium gelangt?

Ungewollt Ameisen-Parasiten ins Formicarium gelangt?

Beitragvon Reber » Dienstag 8. November 2016, 20:42

Ich weiss, es wird von vielen nicht gerne gesehen, wenn man aufgrund von Beiträgen aus anderen Ameisenforen hier ein Thema startet. Ich will aber nicht verschweigen, dass mich zwei Beiträge aus andern Foren dazu veranlasst haben, mir darüber Gedanken zu machen, wie und über welche Kanäle sich allenfalls ungewollte, potenziell gefährliche "Ameisengäste" in die Haltung einschleichen.

Mir geht es nicht um einen Austausch darüber, wie man sich mal unabsichtlich harmlose Staubläuse oder Springschwänze ins Formicarium geholt hat. Sondern um Tiere, die unseren Ameisen parasitieren, wie einige Arten von Milben (Acari) und Scharfrichterfliegen (Phoridae) etc.

Der Sinn des Fadens soll es sein, Halter für mögliche Gefahren zu senisbilisieren und den Austausch über Gegenstrategien zu ermöglichen. Wichtig wäre es deshalb möglichst aufzuzeigen:

- Welche Parasiten aufgetreten sind
- Wie sie entdeckt wurden
- Auf welchem Weg sie ins Formicarium gelangt sind (mit Ameisen, über Futtertiere, aus der Natur etc...)
- Wie sie sich verhalten und welchen Schaden sie angerichtet haben
- Wie man sie wieder los geworden ist und mit welchen Gegenmassnahmen allenfalls darauf reagiert werden könnte

Es würde mich freuen, wenn ihr über eure Erfahrungen berichtet!
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Re: Ungewollt Ameisen-Parasiten ins Formicarium gelangt?

Beitragvon Maddio » Dienstag 8. November 2016, 22:00

Ich mache mal den Anfang:

Reber hat geschrieben:- Welche Parasiten aufgetreten sind


Es sind Milben in großer Zahl bei meinen Formica fusca aufgetreten, die auf den Ameisen reiten. Der Befall variiert stark von Arbeiterin zu Arbeiterin, manche sind milbenfrei, andere tragen etwa 5-10 mit sich herum.

Reber hat geschrieben:- Wie sie entdeckt wurden


Ich habe sie bei der Durchsicht der Bilder für meinen Haltungsbericht entdeckt. Im ersten Jahr der Haltung (~5 Königinnen, 30-350 Arbeiterinnen) habe ich keine entdecken können. Im zweiten Jahr der Haltung (~5 Königinnen, 350-1000(?) Arbeiterinnen) sind sie plötzlich massenhaft auf den Nahaufnahmen aufgetaucht:

milben.jpg


Reber hat geschrieben:- Auf welchem Weg sie ins Formicarium gelangt sind (mit Ameisen, über Futtertiere, aus der Natur etc...)


Da ich für die Einrichtung ausschließlich abgekochte Dinge verwendet habe, sowie Aquarienkies, würde ich diesen Weg ausschließen. Allerdings habe ich im ersten Jahr in großem Stil Futtertiere aus dem Garten verfüttert (Fliegen, Schwebefliegen und Wespen), so dass mir dieser Weg der Infizierung am wahrscheinlichsten erscheint. Seit diesem Vorfall verwende ich für meine Kolonien nur noch tiefgefrorene Futtertiere.

Reber hat geschrieben:- Wie sie sich verhalten und welchen Schaden sie angerichtet haben


Da ich die Milben nur auf den Fotos sehen kann, kann ich zum Verhalten wenig sagen. Ich gehe davon aus, dass sie mehr oder weniger unbeweglich auf den Ameisen reiten, und sich von ihren Wirten direkt ernähren. Was mir wohl aufgefallen ist, dass sie sich sehr häufig zwischen den Beingliedern und auch am Gaster finden.

Die Sterbequote ist seit dem Milbenbefall nach oben geschnellt, der direkte Zusammenhang aber schwer nachzuweisen. Es sind vermehrt Tiere mit aufgeschlitztem Gaster aufgetaucht:

usbmicro1.jpg


Reber hat geschrieben:- Wie man sie wieder los geworden ist und mit welchen Gegenmassnahmen allenfalls darauf reagiert werden könnte


Mir wurden viele Lösungsvorschläge gemacht, z.B. eine Behandlung mit Oxalsäure (wie es die Imker zur Varroa-Vorbeugung/Bekämpfung machen) oder der Einsatz von Raubmilben. FooFighter hatte mir geraten erstmal Ruhe zu bewahren, und das habe ich dann gemacht. Außerdem wurde das Nest komplett trocken gelegt, und Wasser gab es nur noch aus der Tränke. Der Sinn dahinter war, den Milben eine möglichst unwirtliche Umgebung zu bieten, an der Grenze zu dem was für die Ameisen noch vertretbar ist.

Letztendlich kann ich wenig über den Erfolg dieser Maßnahme sagen, aber auf den neueren Fotos sind eher weniger Milben auf den Ameisen zu sehen. Die hohe Sterberate der Ameisen wurde durch eine noch höhere Geburtenrate kompensiert, so dass die Kolonie trotz der Milben nochmal an Wachstum zugelegt hat. Generell hat sich die Übersicht über die Kolonie verschlechtert, weil sie sich in der Arena ein Zweignest angelegt haben, welches nicht einsehbar ist.
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Re: Ungewollt Ameisen-Parasiten ins Formicarium gelangt?

Beitragvon Maddio » Mittwoch 9. November 2016, 07:34

@blackbird1:

interessant, da du aber sagtst du hast alle Tiere die du aus dem Garten hattest abgekocht, wundert es mich schon


Das hast du wohl missverstanden, ich meine ich habe Einrichtungsgegenstände wie Rinde, Steine und Tannenzapfen abgekocht. Die Futtertiere habe ich im Garten mit einem Kescher gefangen und noch im Fangbeutel mit meinen Händen getötet und umgehend verfüttert.
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Re: Ungewollt Ameisen-Parasiten ins Formicarium gelangt?

Beitragvon Reber » Mittwoch 9. November 2016, 08:17

Das wird mit grosser Wahrscheinlichkeit die Quelle sein.
Du hast geschrieben, dass du auch Wespen verfüttert hast. Kann jemand etwas dazu sagen, ob gerade Milben, die auf anderen Hautflüglern sitzen, Ameisen als neuen Wirt leichter akzeptieren?
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Re: Ungewollt Ameisen-Parasiten ins Formicarium gelangt?

Beitragvon Maddio » Mittwoch 9. November 2016, 09:49

Das würde mich auch interessieren. Falls sich noch jemand dran erinnert, 2015 war ja voll das Wespenjahr, und ich habe sie massenhaft im Garten gefangen. Natürlich nur Vespula germanica und Vespula vulgaris. Andere Arten habe ich unbehelligt gelassen.
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Re: Ungewollt Ameisen-Parasiten ins Formicarium gelangt?

Beitragvon Trailandstreet » Mittwoch 9. November 2016, 10:01

Milben hatte ich einmal zufällig auf dem Foto einer meiner Myrmica entdeckt. Obwohl ich so ziemlich alles roh verfüttere, hatte ich aber dennoch keine Invasion oder nachhaltige Beieinträchtigung durch übermäßige Vermehrung der Milben.
BildMyrmica rubra worker on small spider, some mites on the gaster by franz steinleitner, auf Flickr
Ich will jetzt damit nicht sagen, dass das Überbrühen der Futtertiere unnötig ist, aber es ist sicher nur dazu dienlich, das Risiko der Einschleppung zu minimieren.
Für die Übermäßige Vermehrung der Parasiten sind immer noch die Haltungsbedingungen verantwortlich. Das wiederum ist allerdings wieder einfacher gesagt, als getan, denn manche Ameisen-Arten brauchen auch eben dieselben.

Ein Fehler ist vielleicht auch, bereits "kränkliche" Tiere zu verfüttern. Gut, gesunde können ach bereits Parasiten haben, denen macht es aber noch nicht viel aus, aber meist heften sich diese doch an solche, die sie leichter erwischen können und mitunter vermehren sie sich dann auch bereits auf ihrem Wirt.

Was eher lästig ist, sind diese kleinen, schwarzen Fliegen. Diese vermehren sich wohl auf den Futterresten und weder die Maden, noch die (getöteten) Fliegen werden von den Ameisen gefressen.
Bei den größeren Völkern hab ich die allerdings nicht mehr drin. Entweder weil die Springschwänze und Asseln ihnen die Futtergrundlage entziehen oder weil doch die eine oder andere jemandem zum Opfer fällt.
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Re: Ungewollt Ameisen-Parasiten ins Formicarium gelangt?

Beitragvon Steffen Kraus » Mittwoch 9. November 2016, 20:08

Hallo,
anscheinend kann man sich Parasiten wie Fliegen nicht nur mit Futtertieren einschleppen, sondern auch mit importierten Ameisen!
Hier ist ein Bericht über Fliegenmaden bei Paraponera clavata im Eusozial. Hoffentlich schafft es der Pfleger, die Königinnen zur erneuerten Gründung zu bringen.
Gruß, Steffen
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Re: Ungewollt Ameisen-Parasiten ins Formicarium gelangt?

Beitragvon Reber » Donnerstag 10. November 2016, 12:43

Oder auch mit "Nützlingen" wie Asseln, wie in diesem Thread im Ameisenforum.

Ich habe mal zusammengetragen, wie man die Buckelfliegen von anderen gängigen "Besuchern" wie Fruchtfliegen oder Trauermücken unterscheiden kann. Das ist mit Vorsicht zu geniessen, denn es gibt in allen Familien unterschiedlichste Arten. Es lohnt sich, die Tiere bei Verdacht rasch bestimmen zu lassen!

Fruchtfliegen (Drosophilidae)
Fruchtfliege.JPG

Die typischen Drosophila-Fliegen sind 2-3 mm gross, haben roten Augen und wirken bräunlich, zudem haben sie dunlke Streifen auf dem Hinterleib, welcher in der Regel dicker ist, als bei Trauermücken und Buckelfliegen. Sie fliegen "schwefällig" und in Bahnen. Die Larven der meisten Arten ernähren sich von fauligen Früchten oder Pflanzen oder Pilzen. Sie stehen auf Essig, wein und Früchtekörbe...

Trauermücken (Sciaridae)
Trauermücke.JPG

Werden in der Regel 1-3 mm gross (einige bis 8mm). Sie gehören zur Unterordnung der Mücken (Nematocera) und haben deshalb eine schlanken, länglichen Hinterleib sowie längere Fühler und kleinere Augen. Sind meist schwarz und fliegen "Zickzack"-Kurs. Oft in feuchter Erde (Topfpflanzen!) und auf organischem Material zu finden, wo sich auch die Larven entwickeln.

Buckelfliegen (Phoridae)

Buckelfliege.JPG

Werden häufig 3-4 mm (es gibt aber kleinere oder grössere Arten 0.5-6 mm). Haben einen deutlich gewölbten, buckligen Thorax (von der Seite gesehen), kurze Fühler, kleine Augen und einen gegen hinten verschmälerten oder zugespitzten Abdomen; sie sind oft gelb-bräunlich gefärbt, Der Hinterleib ist sechs- oder siebenringlig und kann gestreift wirken. Die Fliegen laufen gerne und vergleichsweise weit ruckartig und im Zickzack, fliegen dafür weniger häufig (daher kommt auch der alternative Name Rennfliegen). Die Larven parasitieren an anderen Insekten oder an faulen Stoffen. Einige Arten parasitieren auch lebende Ameisen. Wegen der Lebensweise oft in Futtertierzuchten, im Abfall und Kompost zu finden...

Bekämpfung:

- Lebensmittel und Tierfutter wegpacken (Kühlschrank, dichte Behälter) und bei Gebrauch nicht lange stehen lassen, Siphon/Abflüsse, Hausmüll überprüfen bzw. reinigen.

- Formicarium und Umgebung reinigen: Altes Futter, Müllplätze und "Ameisenfriedhöfe" entfernen. Nach Möglichkeit trocken halten - Buckelfliegen lieben es feucht.

- Ameisen und Brut beobachten! Wenn diese Fliegen- und Larven frei sind, Formi entfernen/abdichten. Wenn befallen, Schädlinge mechanisch entfernen.
(Achtung: Es ist ein bisschen wie bei den Milben - Wenn lebende, adulte Tier befallen sind, ist es möglicherweise um die Kolonie geschehen.)

- Futtertiere(zucht) untersuchen und entfernen.

- Klebefallen z.B. in Dose mit Löchern aufstellen, verwesende Futtertiere/Fleischstückchen auf dem Gelb-Sticker locken die Fliege in die Dose und sie bleiben kleben.

- Wenn der Fliegenbestand nicht zurück geht, bzw 2-5 Wochen nicht gänzlich verschwunden ist (Entwicklung vom Ei bis zur Fliege dauert zwischen 14 und 37 Tagen) wird der Einsatz von Insektiziden wohl unvermeidbar (Ameisen entfernen/schützen)...

Edit 18.11. Bilder eingefügt.
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Re: Ungewollt Ameisen-Parasiten ins Formicarium gelangt?

Beitragvon Colophonius » Donnerstag 10. November 2016, 21:04

Hallo Reber,

an dieser Stelle noch mal Danke für die tolle Liste!
Die Trauermücken kommen bei mir in unregelmäßigen im Tropenbecken vor, stören aber nicht wirklich. Die von dir genannten harmlosen Staubläuse kommen bei mir hingegen im trockenen Messor- und Cataglyphisbecken vor. Milben hatte ich zum Glück noch nie.

Wenn man jedoch kleine Kolonien in Becken ohne dicht abschließenden Deckel hält, sollte man immer wieder kontrollieren, ob sich nicht Spinnen in die Becken verlaufen haben. Zu finden sind diese recht einfach, indem man etwas Wasser ins Becken sprüht und so die Netze zum Glitzern bringt. In meinem Pheidole-Becken hat eine Spinne (in dem Fall aber eingesetzt) mehrere Monate überlebt, ehe sie verschwunden ist. ;)

Viele Grüße,
Colo
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Re: Ungewollt Ameisen-Parasiten ins Formicarium gelangt?

Beitragvon Reber » Samstag 24. Dezember 2016, 15:19

Speckkäfer Dermestes cf. ater in der Heimchenlieferung. Kein eigentlicher Parasit, dennoch kann er als Vorrats- und Materialschädlinge auftreten. Etwa wenn Tiere mit dem Lebendfutter ins Terrarium oder in die Wohnung gelangen.
Käfer.JPG


Speckkäfer variieren in ihrem Aussehen stark. Oft werden sie etwa 10 Millimeter lang und haben eine braune oder schwarze Grundfarbe, die bei manchen Arten mit roten, braunen oder gelben Flecken oder Bindenzeichnung auf den Deckflügeln ergänzt wird. Oft (aber nicht immer) sind die Fühler am Ende keulenförmig. Die Larven tragen ein Haarkleid.

Die Bekämpfung ist schwierig, obwohl (bzw. weil) die Larven fast alles fressen (Abfall, Haare, Felle, Häute aber auch Textilien) und sehr versteckt leben, sind Frassköder und Kontaktinsektizide kaum erfolgreich. Wichtig ist die sofortige Eliminierung beim Entdecken. Mögliche Nahrungsquellen (Abfallhaufen) in den Terrarien und der Wohnung sind zu entfernen, bzw. sicher aufzubewahren. Futtertierzuchten zu kontrollieren.

Bei einem grösseren Befall hilft nur der Einsatz von gasförmigen Insektiziden bzw. der Kammerjäger.
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Re: Ungewollt Ameisen-Parasiten ins Formicarium gelangt?

Beitragvon Trailandstreet » Samstag 24. Dezember 2016, 23:41

Wir hatten mal Häute zum trocknen am Dachboden aufgehängt, für die Hunde. Dort waren sich plötzlich einige dieser haarigen Larven zu finden.
Diese eignen sich auch nicht besonders als Futter, da sie anscheinend schon wegen des Haarkleides verschmäht werden.
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