Nationalpark Nockberge (bzw. Biosphärenpark) in Kärnten

Nationalpark Nockberge (bzw. Biosphärenpark) in Kärnten

Beitragvon Boro » Mittwoch 26. Juli 2017, 21:17

Im Norden von Kärnten im Bereich der Hohen Tauern gibt es diesen Nationalpark (teilw. Biosphärenpark), der von der "Nockalmstraße" erschlossen wird (Mautstraße). Der Name "Nockberg" kommt von deren eigenartiger Form, die Kuppen oder sanftere Hügelformen beschreibt (der "Nock" bayr. und österr. für Felskopf oder Hügel - Duden). "Hügel" ist gut, wir erreichen hier häufig Höhen über 2000 m bis gegen 2400 m - auch für den Bewohner der Alpen schon ein Gebirge......
Hier fand der GEO-Tag der Artenvielfalt am vorigen Wochende statt (an dem auch Boro u. Sohn teilnahmen), parallel dazu lief das sog. "Insektencamp", das insgesamt 4 Tage dauerte. Wie in solchen Fällen üblich sollte die gesamte Artenvielfalt dieser Landschaft unter die Lupe genommen werden. Abgesehen vom teilweise unter Schutz stehenden Gebieten ist die Artenvielfalt deshalb sehr groß, weil wir unterschiedliche Gesteine und Böden vorfinden. Neben den Schiefer-Gneis-Granit-Formationen sind einige ausgedehnte Kalkpartien eingebaut, die eine völlig andere Flora zu Folge haben und schließlich auch unterschiedliche Tierarten, z. B. Schmetterlinge. Ameisen sind da weniger wählerisch....
Und es haben sich wieder bemerkenswerte Funde ergeben, die nicht in diese Höhenlage passen; das wurde vor kurzem erst hier angesprochen: viewtopic.php?f=48&t=503 und viewtopic.php?f=16&t=1212 Der Leiter des Insektencamps fand eine alate Gyne v. Lasius umbratus in ca. 2200 m - wieder ein Fall von Luftverfrachtung!!
Wir sind mit dem Bestimmen noch nicht ganz fertig, sodass dieser Bericht in der nächsten Zeit wohl noch ergänzt wird.
Beim 4. Foto aufpassen: Was erkennt man auf der rechten Bildhälfte????
L.G.Boro, alle Fotos v. Roman Borovsky
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_MG_4070.JPG
Wir befinden uns hier im Bereich der Waldgrenze, etwa bei 1900 bis 2000 m Seehöhe. Der Großteil der Gebiete unterliegt extensiver Viehzucht.
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Die Hänge sind teilweise reich strukturiert mit Wegaufschlüssen, Geröllhalden und häufiger Steinauflage. Totholz gibt es auch, von Unwettern und Blitz gefällte Lärchen und Zirben
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Eine schöne Gyne v. Camponotus herculeanus in etwa 2100 m Seehöhe in Totholz
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Formica lemani, die mit Abstand häufigste Ameisenart im gesamten Gebiet. Achtung: Der Entomologe wird in der rechten Bildhälfte eine Auffälligkeit bemerken!!!
_MG_4093a.jpg
Schon schwierig, eine Gynenpuppe in Sicherheit zu bringen!
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Eine Gyne v. F. lemani; sieht jener von F. fusca sehr ähnlich. Fast alle Nester waren polygyn, bis zu 20 (!) Königinnen wurden in einem Nest gezählt!
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Leptothorax acervorum-Nest zw. Steinplatten (!), vereinzelte Nester teilw. über 2100 m Höhe, üblicherweise in liegendem Totholz.
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Leptothorax acervorum mit Königin
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Vermutlich Myrmica sulcinodis, die Art wurde mehrfach gefunden, daneben Myrmica lobicornis und Myrmica lobulicornis. Sogar ein Nest v. M. riginodis wurde in dieser Höhe noch entdeckt!
_MG_4126.JPG
Erstaunlich: Temnothorax nigriceps-Nest noch in ca. 1900 m Höhe; ich dachte, die Art sei thermophil.....
Boro
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Re: Nationalpark Nockberge (bzw. Biosphärenpark) in Kärnten

Beitragvon Boro » Mittwoch 26. Juli 2017, 21:23

Die Bilder von T. nigriceps sind nicht so besonders geworden, hier noch ein Bild einer Arbeiterin:
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_MG_4129.JPG
und noch einmal: Temnothorax nigriceps
Boro
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Re: Nationalpark Nockberge (bzw. Biosphärenpark) in Kärnten

Beitragvon Reber » Mittwoch 26. Juli 2017, 21:42

Hallo Boro,
besten Dank für den Bericht und die wunderschönen Bilder!
Zu deiner Frage Bild 4 betreffend: Spielst du auf die noch junge, unausgefärbte "Arbeiterin" an, die etwa gleich lang ist, wie ihre Schwestern, aber einen deutlich breiteren Thorax und einen breiteren Kopf hat?
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Re: Nationalpark Nockberge (bzw. Biosphärenpark) in Kärnten

Beitragvon di4pr » Donnerstag 27. Juli 2017, 03:25

Ist die eine Dame auf Bild 4 eine unausgefärbte Mikrogyne? Großes breites Mesonotum, Scutellum(?), die Gaster erscheint mir rundlicher als bei den anderen... Andererseits entdecke ich keine Flügelstummel und der Unterschied zur Gyne auf Bild 6 ist schon gewaltig. Bei F. fusca gibt es laut Seifert Größenpolymorphismus der :kk:. Aber lässt sich das auf F. lemani übertragen? Wie unterschiedlich können die Ausprägungen sein? :?:
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Re: Nationalpark Nockberge (bzw. Biosphärenpark) in Kärnten

Beitragvon Meve » Donnerstag 27. Juli 2017, 08:38

Hallo Boro,

Schöne Bilder und Bericht!

Bei Bild 4 sollte es sich wohl eher um eine Secretergate/Pseudogyne als um eine Mikrogyne handeln, da sie scheinbar nie Flügel besessen hat.
Schöne Entdeckung!

LG

Meve
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Re: Nationalpark Nockberge (bzw. Biosphärenpark) in Kärnten

Beitragvon Boro » Donnerstag 27. Juli 2017, 10:14

Seeehr gut beobachtet: Da ist eine Intermorphe, würde ich sagen! Während diese Zwischenform bei einigen Formica s. str. durchaus öfter zu beobachten ist, habe ich sie zumindest bei F. lemani noch nicht gesehen - und auch bei Serviformica spp. allgemein scheint sie selten zu sein!
L.G.
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Re: Nationalpark Nockberge (bzw. Biosphärenpark) in Kärnten

Beitragvon Boro » Donnerstag 27. Juli 2017, 13:32

Oben habe ich die Funde von Leptothorax acervorum gezeigt. Ein auffälliger Sozialparasit dieser Art (und auch von Leptothorax muscorum, da habe ich 1 Nest gefunden) ist Harpagoxenus sublaevis. Ein Fund gelang dem Leiter der Untersuchungen dort, Sohn Roman hat aber ein paar Tage zuvor ebenfalls ein Nest der Art am Zirbitzkogel gefunden (Gipfel 2396 m, weiter östlich des nun genannten Nationalparks). Aktuelle Fotos gibt es nicht, aber aus meinen Fotodateien stelle ich hier noch ein Foto ein. Das hat der Sohn anlässlich eines GEO-Tages in der nördlichen Steiermark gemacht. Zum Nachlesen gibt es hier das Thema: viewtopic.php?f=48&t=1083&p=8520&hilit=Harpagoxenus#p8520
Wollte nur noch hinzufügen: 2 Fotos der Harpa wurden auch im NDR anlässlich eines Films über Ameisen verwendet, ich glaube es war am 1. Mai des Jahres!

Auch Waldameisen gibt es natürlich, obwohl oft über der Waldgrenze und somit ohne "Wald". 3 Arten: Die oberste Besiedlunggrenze der Gattung bilden hier Formica lugubris und Coptoformica exsecta (jeweils bis etwa 2200 m gefunden), Formica aquilonia bleibt meist etwas darunter. Andere Arten der "Waldameisen" wurden hier bisher nicht gefunden, alle drei Arten sind ausgesprochene Gebirgsarten, in den Niederungen gibt es diese nicht. Offenbar leben sie hier auch teilweise ohne ihre Lieblingsnahrung, den Honigtau der Läuse (auch Wurzelläuse). In zahlreichen Bereichen fehlen alle Baumarten, es gibt dort keine Krummholzbestände, keinen Kriechwacholder (SEIFERT S. 317), die Latsche (Latschenkiefer) scheint hier völlig zu fehlen (ich kenne diese nur von Kalkgebirgen). Die Waldgrenze wird sehr zerstreut von Lärchen und Zirben (Pinus cembra) gebildet. Die uralte Weidewirtschaft hat sicher ihre Spuren hinterlassen, bei manchen Baumleichen konnte man Schlägerunsspuren erkennen. Wirtsart ist in allen Fällen die sehr häufige Formica lemani.
Da wir von all diesen Ameisenarten schon Fotos besitzen, wurden ebenfalls keine aktuellen Bilder gemacht. Von einem alten Thread stelle ich noch ein anderes Foto ein: viewtopic.php?f=46&t=1073
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IMG_6376psx.jpg
Harpagoxenus zeigt die Mandibeln, damit können den Gegnern die Gliedmaßen amputiert werden
IMG_5895.JPG
Coptoformica im Kampf mit F. lugubris
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