Hallo Steffen Kraus,
Vielen Dank für die Rückmeldung!
Es ist mir schon klar, dass belastbare Zahlen nicht erhältlich sind.
Man hat natürlich im Hinterkopf die vielen Berichte besonders über die Fang- und Transportverluste bei tropischen Fischen (Riff-Fische, Zyanid-Fischerei etc.!), wo dann nur ein kleiner Bruchteil der gefangenen (und bereits dabei in großer Zahl getöteten) Tiere beim Kunden ankommt....
Hinzu kommt bei mir als Forscher die direkte Kenntnis dessen, was bei der Suche nach Völkern ganz bestimmter Arten an „Kollateralschäden“ entsteht, das Wissen um den „Verbrauch“ an Versuchstieren, und auch natürlich darum, dass nach Abschluss von Zuchtversuchen und Verhaltensexperimenten oft viele lebende Tiere übrig bleiben. Was damit tun?
Was auch hätten wir tun sollen mit den von uns in großer Zahl selbst gezüchteten Völkern? Z. B. von
Harpagoxenus sublaevis waren das einige Hundert intakte Völkchen: Es galt etwa die Erfolgsraten genetisch verschiedener junger Königinnen beim Einkämpfen in ein Wirtsvölkchen zu bestimmen. Das geht nicht mit nur zwei oder drei Jungköniginnen. Oder bei
Myrmecina graminicola, Verkreuzung von Gynomorphen mit Söhnen von Gynomorphen vs. Intermorphen: Welche Gynen-Formen entstehen? (Nachweis der genetischen Grundlage dieses Königinnen-Polymorphismus).
Die „übrigen“ Völkchen wurden am Ende in Alkohol konserviert und standen für weitere morphologische Untersuchungen zur Verfügung. - Zu jenen Zeiten gab es noch keinen Ameisenhandel, und kaum Interessenten für eine Privathaltung, sonst hätte ich vermutlich versucht, die Völkchen über den Handel zu veräußern. Zudem ist die Privathaltung etwa von
Harpagoxenus wenig aussichtsreich. Ein paar Völkchen hatte ich abgegeben, aber die Rückmeldungen waren wenig ermutigend. Aussetzen ist aufgrund der vielfach diskutierten Probleme ein no-go.
Was mir bei diesem "Gedankensplitter" in den Sinn kam, waren die doch recht häufigen Forenbeiträge, in denen User jeder einzelnen verstorbenen Arbeiterin nachweinen, und wo bei einer verstorbenen Königin gerne empfohlen wird, das Restvolk doch „human“ zu Ende zu pflegen usw..
Ich möchte einfach anregen, diese Dinge
realistisch zu betrachten. Die Diskrepanz zwischen den tatsächlichen, meist unvermeidbaren „Verlusten“ an solchen Insekten (Verluste durch menschliche Aktivitäten in Land- und Forstwirtschaft, Verkehr, Pestizide etc. eingeschlossen) und der m. E. übertriebenen Gefühlsduselei mancher User, wenn es um das unerwünschte Ableben einzelner Tiere als Folge der Haltung geht, ist für mich etwas irritierend.
Manchmal erinnert das an Aussagen wie „
für mich muss kein Tier sterben“ von Veganern (im weitesten Sinne): Sie vergessen oder verdrängen, dass auch in der Erzeugung und Vorratshaltung pflanzlicher Nahrungsmittel unzählige tierische Schädlinge, von Insekten bis Mäusen und Ratten, ihr Leben lassen müssen.
Bitte nicht missverstehen: Ich plädiere
nicht für den gedankenlosen Verbrauch von Ameisen (und anderen Tieren) aus dem Freiland! Ich bin aber
auch nicht prinzipiell gegen die private Haltung von Ameisen. Man sollte sich aber als Halter im Klaren darüber sein, dass es dabei um oft weit mehr Tiere (Königinnen, Völker) geht, die für die eine m. o. w. erfolgreich gehaltene Kolonie der Natur entzogen werden. Es gilt, Schäden für die natürlichen Populationen möglichst gering zu halten. Am besten gelingt dies wohl, wenn man sich auf junge Gynen vom Schwarmflug einheimischer Arten beschränkt.
MfG,
Merkur