Rätselhafte Ameisenkrankheit in der Region Basel

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Rätselhafte Ameisenkrankheit in der Region Basel

Beitragvon Anon » Samstag 27. Januar 2018, 14:21

Ging diese Woche über den "Ant-News-Ticker":

Die Ameisen sind krank
Forscherinnen der Universität Basel stellten ein erhöhtes Vorkommen der Näpfchenkrankheit bei verschiedenen Ameisenarten in Wiesen in der Umgebung von Riehen und Basel fest.
Bei dieser Krankheit breitet sich der Pilz Myrmicinosporidium durum im Hinterleib der Ameisen aus. In einem fortgeschrittenen Stadium der Krankheit gelangt der Pilz in andere Körperteile und schlussendlich in den Kopf. Schliesslich stirbt die Ameise.
Bisher ist äusserst wenig über die Pilzinfektion bekannt. Erstmals wurde die Krankheit 1927 bei einer Ameisenart in der Nähe von Würzburg beschrieben. Später kamen [..]

Rätselhafter Pilz frisst Ameisen von innen auf
[..] Die Wissenschaftler um die Biologin Brigitte Braschler haben zudem herausgefunden, dass gleichzeitig mehrere unterschiedliche Ameisenarten befallen sind, die zugleich am selben Standort leben. Die Arbeiterinnen der Art Solenopsis fugax oder zu Deutsch Gelbe Diebsameise, sind dabei am stärksten betroffen. [..]

Könnte eine lange Geschichte werden...
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Re: Rätselhafte Ameisenkrankheit in der Region Basel

Beitragvon Merkur » Samstag 27. Januar 2018, 15:05

Zu Myrmicinosporidium durum

Im Ameisenwiki ist dazu viel zu finden, auch Literatur: http://www.ameisenwiki.de/index.php/Myr ... dium_durum
Ich kann den Forscherinnen nur viel Erfolg wünschen!

MfG,
Merkur
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Re: Rätselhafte Ameisenkrankheit in der Region Basel

Beitragvon swagman » Samstag 27. Januar 2018, 17:54

Die Kommentare zum Artikel im zweiten Link sind etwas für den Lach-mal-wieder Thread.

Ansonsten stellt sich die Frage, ob dieser Pilz tatsächlich erhöht vorkommt?
Oder vorher schlicht nicht so sehr beachtet wurde, so ähnlich wie bei dem ''neuen'' Schlangenpilz.
Nach der ersten Aufregung, dass dieser Pilz aus Nordamerika eingeschleppt worden sein soll, stelle sich doch raus das wir in Europa einen eigenen Pilzstamm haben. Und das wohl schon seit sehr langer Zeit. Nur wurde halt vorher kaum oder garnicht auf solche Pilze geachtet. Erst seit Froschlurche und Amphibien von Pilzen vernichtet werden, wurden Forscher sensibilisiert und achtet nun verstärkt auf solche Krankheiten.
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Re: Rätselhafte Ameisenkrankheit in der Region Basel

Beitragvon Merkur » Sonntag 28. Januar 2018, 12:20

Zu: http://www.20min.ch/schweiz/basel/story ... n-30007861

Der Artikel ist ja leider etwas reißerisch und wenig informativ. Die Pilzerkrankung ist seit 90 Jahren aus D bekannt (also nicht „neu“), rätselhaft bzw. nicht aufgeklärt ist bisher der Infektionsweg. Ich habe mich ja über viele Jahre mit diesem Pilz befasst, und das größte „Rätsel“ für mich ist, dass die Erkrankung anscheinend (oder nur scheinbar?) so unregelmäßig beobachtet wird, mit wiederholt Jahrzehnte langen Pausen.

Liegt das wirklich daran, dass die doch recht zahlreichen Myrmekologen in Europa, die vielen Bearbeiter von Fallenfängen im Rahmen z.B. von Naturschutzgutachten, die Infektion übersehen oder nicht beachtet haben? Ich habe sicher über 30.000, eher 50.000 Ameisenvölker angesehen, und mir sind die befallenen Individuen stets sofort im Freiland aufgefallen. In meinen Sammlungsproben (rund 17.000) habe ich auch bei wiederholter Inspektion keine zuvor übersehenen Exemplare entdecken können. Ich nehme fest an, dass die Befallshäufigkeit über die Jahre sehr stark schwankt, dass man in vielen Jahren vergeblich danach sucht, während dann plötzlich wieder an verschiedenen Orten recht häufig infizierte Ameisen entdeckt werden. – Über die Ursachen kann man bisher nur spekulieren, doch ist Ähnliches ja bei anderen Krankheitserregern (Seuchen von Tier und Mensch) nicht unbekannt.

Eine Gefährdung von Ameisenpopulationen durch den Pilz kann ich ebenfalls nicht erkennen. Gerade Solenopsis fugax ist in geeigneten Habitaten enorm häufig. Und wo wir den Pilz in Populationen von Temnothorax spp. sowie deren Sozialparasiten mal gefunden haben, waren die Ameisen über Jahrzehnte hinweg immer wieder zu finden, ohne auffällige Schwankungen ihrer Häufigkeit. Auch hier hoffe ich auf wissenschaftlich verwertbare exakte Untersuchungen, über Jahre hinweg!

Die „Kommentare“ zum o.g. Artikel, auf die swagman hinweist, sind allerdings so bedenklich, um nicht zu sagen erschütternd, dass ich doch ein paar Worte darüber verlieren muss. Mancher absurde Kommentar basiert sicher auf den spärlichen Angaben im Artikel, und Unwissenheit über Ameisen oder gar Pilzinfektionen bei Insekten ist normal.
Aber: Repräsentieren die gegen 60 Kommentatoren (ein paar mehrfach) einen Querschnitt durch den Bildungsstand der Bevölkerung? Oder ist es eine Auswahl von Individuen mit besonders niedrigem IQ, die sich zu solchen Äußerungen berufen fühlen? - Längst nicht alle sind Kinder, nach Stil und Inhalt zu urteilen. Sicher gehört die Mehrzahl zu der Bevölkerungsgruppe, die z.B. auch bei Wahlen mit über die politische Entwicklung eines Landes bestimmt. (Keine Politik im Forum, ich weiß, man verzeihe mir den kleinen Exkurs!).

Leider beobachtet man ähnlich geistreiche Kommentare auch bei vielen anderen Themen in den Medien. Das macht mich nachdenklich! – Ob solche Menschen dann nicht doch empfänglich sind für allerlei Einflüsterungen, für Verschwörungstheorien, für demagogische Beeinflussung? Haben populistische Parteien und deren Führer deshalb immer wieder so unerfreulich viel Zulauf? Und sind solche Menschen nicht auch willkommene Opfer der Werbung z.B. für unwirksame oder gar gefährliche Produkte etwa auf dem Ernährungs-, Gesundheits- und Fitness-Sektor? :roll: – Man kann nur das Beste hoffen!

Schönen Sonntag wünscht
Merkur
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Re: Rätselhafte Ameisenkrankheit in der Region Basel

Beitragvon Anon » Sonntag 28. Januar 2018, 13:19

Zu Merkurs und swagmans Anmerkungen ein paar Auszüge eines noch druckfrischen Interviews der Badischen Zeitung mit der Biologin Dr. Brigitte Braschler:

Der Sonntag: Was weiß man über diese Krankheit?

Bislang nur sehr wenig. Sie wurde erstmals 1927 bei Ameisen in der Nähe von Würzburg entdeckt, sie ist aber auch im Mittelmeerraum, Osteuropa und Amerika aufgetreten. Leider hat man ihre Auswirkungen nicht weiter beobachtet. Vielleicht hat man das versäumt, weil die Ameisen keine Gruppe bilden, die dem Menschen unmittelbar nutzt, abgesehen von ihrer wichtigen ökologischen Funktion.

Der Sonntag: Wie sind Sie auf die Näpfchenkrankheit bei den Basler Ameisen gestoßen?

Wir haben 2014 die Ameisenfauna in Basel, Riehen und Bettingen untersucht. Wir wollten sehen, wie die Ameisen mit den veränderten Lebensbedingungen im städtischen Raum klarkommen. Dabei haben wir die Erkrankung bei verschiedenen Arten festgestellt, vor allem im Bereich Riehen rund um die Fondation Beyeler, weniger stark auch am Hörnli und einigen weiteren Stellen.

Der Sonntag: Sind alle Ameisenarten in gleicher Weise betroffen?

Es sind verschiedene Arten betroffen, mit Abstand am stärksten jedoch die Gelbe Diebsameise Solenopsis fugax. Das ist eine räuberische Ameise, die nicht nur Kadaver beseitigt, sondern auch in die Nester anderer Ameisen eindringt und und sich Eier, Larven und Puppen holt. Es könnte sein, dass von der Näpfchenkrankheit befallene Diebsameisen dabei den Pilz in die Nester der anderen Arten schleppen. Aber das ist noch nicht bewiesen. Wir können auch nicht sagen, ob der Pilz schon immer da war und ob man ihn jetzt erst wahrnimmt. Das ist eben alles rätselhaft an dieser Krankheit, und wir stehen erst am Anfang unserer Forschungen. Wir werden dabei auch versuchen, mit unseren Experimenten den Infektionsweg zu erforschen.

Der Sonntag: Was können Sie denn schon mit Sicherheit sagen?

Sicher ist, dass sich der Pilz nun schon seit mehreren Jahren an den betroffenen Orten stabil hält. Und dass wir jedes Jahr weitere Ameisenarten feststellen, die infiziert sind.

Der Sonntag: Welche Auswirkungen auf die ökologischen Systeme könnte diese Krankheit haben?

Die Auswirkungen sind noch nicht klar, es gibt kaum Forschung. Die Krankheit wurde erst zum zweiten Mal für die Schweiz nachgewiesen. Der erste Fund war in der Nähe des Genfer Sees. Es wäre jedoch von großem Interesse zu wissen, wie stark die Krankheit die Ökosystemfunktionen der Ameisen verringert. Eines kann ich immerhin sagen: Eine Katastrophe, wie etwa das Bienensterben, ist das nicht. Das liegt nicht zuletzt am verhältnismäßig milden Verlauf der Krankheit. Die Ameise ist noch lange aktiv, nachdem sie befallen wurde. Inwieweit die Leistungsfähigkeit einer Kolonie beeinträchtigt ist, müssen wir noch herausfinden. Die Gesundheit einer Kolonie geht sicher zurück, aber die Population an sich ist nicht gefährdet. Wir werden das im Auge behalten.

Der Sonntag: Ihre Fundstellen sind nicht weit von der deutschen Grenze entfernt. Glauben Sie, dass auch die Ameisen auf der deutschen Seite vom Myrmicinosporidium durum befallen sein könnten?

Das würde mich absolut nicht erstaunen, im Gegenteil. Schließlich liegen die betroffenen Gebiete in unmittelbarer Nähe zu Deutschland. Und die geflügelten Geschlechtstiere schwärmen sicher auch dorthin aus. Das Gespräch führte Jochen Fillisch

Quelle: Badische Zeitung / Der Sonntag / http://www.badische-zeitung.de/suedwest ... 82129.html

Sehr aufschlussreich und einfach erklärt! Ich bin sicher, der "mysteriöse" Pilzbefall wird in der Region Basel auch die nächsten Jahre eingehend beobachtet und weiter erforscht werden.
---------
edit: Zu den von Merkur angesprochenen Kommentaren in "20min.ch": Kein Kommentar, da lohnt das Lesen nicht... :D
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Re: Rätselhafte Ameisenkrankheit in der Region Basel

Beitragvon Merkur » Freitag 2. Februar 2018, 18:11

Neues zu Myrmicinosporidium durum

In 2017 erschien die vorerst letzte Veröffentlichung, zu einem Vorkommen der Art in Polen (siehe weiter unten).
Bei einer Durchsicht der bisherigen Veröffentlichungen fällt auf, dass M. d. in Europa bevorzugt (ausschließlich?) in wärmeren Regionen vorkommt:
-K. Hölldobler 1927, 1933, und Gößwald 1951: Würzburg, xerotherme Gebiete im Muschelkalk.
-Buschinger & Winter 1983 in Südfrankreich, im Schweizer Wallis bei Fully, auf der Insel Krk (Kroatien).
-Espadaler, X. (1982, Poster bei Coll. Internat. U.I.E.I.S., Sect. Française, Barcelona): Bei Barcelona, Cordoba, Toulouse). Hier machte ich X. Espadaler auf unsere imDruck befindliche Arbeit 1983 aufmerksam.
-Ein Wärmegebiet ist auch bei Trandorf/ Österreich, von wo eine Probe Plagiolepis sp. stammt, die W. Faber 1967 gesammelt hatte, und die ich in seiner nachgelassenen Sammlung fand. (in Sanchez-Pena et al. 1993 gelistet)
-Neu: Polen („in einer der wärmsten Regionen“): Trigos_Peral_G_Rutkowski_T_Wojtaszyn_G_Espadaler_X_2017.
-Die Funde bei Basel (Riehen), sind ebenfalls aus einer recht warmen Region.

Den Erstnachweis von M. durum für Polen fand ich hier
Gema Trigos Peral / Tomasz Rutkowski / Grzegorz Wojtaszyn (2017): Myrmicinosporidium durum in Poland: a new location for this fungal ant endoparasite and updated world distribution.
Auf 53°10’12.0˝N; 17°57´36.0˝E ist es der bisher nördlichste Fundort, nahe Bydgoszcz.
Zwar wurden dort nur zwei befallene Arbeiterinnen von Solenopsis fugax in einer Barberfalle gefangen, aber das genügt als Nachweis.

Die Verfasser haben bei der Gelegenheit die aktuelle Verbreitungs-Situation für den Parasiten dargestellt und die betroffenen Ameisenarten aufgelistet.
Die Liste enthält 3 Fehler:
Germany:
Cardiocondyla elegansEmery - Giehr et al. 2015 (falsch, gefunden in Frankreich, Languedoc).
Solenopsis fugax (Latreille) - Hölldobler 1927, 1929 (fehlt: Buschinger et al. 2004)
France:
Cardiocondyla elegans Emery - Giehr et al. 2015 (fehlt hier)

Die Liste kopiere ich hier mal ein:

Table I. Current world distribution of Myrmicinosporidium durum and its host species based in the
published literature and first record in Poland


Europe

Bulgaria Tetramorium sp. E (sensu Schlick-Steiner et al.), Tetramorium sp.D (sensu Schlick-Steiner et al.), Solenopsis fugax Latreille
Csősz et al. 2012

Czech Republic Solenopsis fugax (Latreille) Csősz et al. 2012

Romania Solenopsis fugax (Latreille), Tetramorium sp. E (sensu Schlick-Steiner et al.) Csősz et al. 2012

Slovakia Tetramorium sp. Csősz et al. 2012

Hungary Solenopsis fugax (Latreille), Tetramorium caespitum (L.), Plagiolepis taurica Santschi - Kanizsai 2010

Italy Temnothorax unifasciatus (Latreille), Temnothorax albipennis (Curtis), Chalepoxenus muellerianus (Finzi)
Sanchez-Pena et al. 1993, Temnothorax angustulus (Nylander), Temnothorax exilis (Emery), Temnothorax nylanderi (Forster)
Buschinger et al. 2004

Portugal Aphaenogaster senilis Mayr, Cataglyphis hispanica (Emery), Crematogaster auberti Emery, Goniomma hispanicum (Andre), Messor barbarus (Linnaeus), Tapinoma nigerrimum (Nylander), Tapinoma simrothi Krausse, Tetramorium semilaeve (Andre), Pheidole pallidula (Nylander) - Goncalves et al. 2012

Spain Pheidole pallidula (Nylander), Solenopsis sp., Strongylognatus caeciliae Forel, Tetramorium semilaeve (Andre), Plagiolepis pygmaea (Latreille) - Garcia Garcia and Espadaler 2010, Temnothorax lichtensteini (Bondroit), Temnothorax racovitzai (Bondroit) Espadaler 1982

Germany Cardiocondyla elegans Emery Giehr et al. 2015 falsch, gefunden in Frankreich, Languedoc, Solenopsis fugax (Latreille) Holldobler 1927, 1929 fehlt: Buschinger et al. 2004, Temnothorax tuberum (Fabricius) Hölldobler 1933

Switzerland Solenopsis fugax (Latreille) Buschinger and Winter 1983

Croatia Temnothorax recedens (Nylander), Temnothorax affinis (Mayr), Temnothorax unifasciatus (Latreille), Plagiolepis pygmaea (Latreille) Sanchez-Pena et al. 1993

Slovenia Pheidole pallidula (Nylander) Roig and Espadaler 2012

France Temnothorax recedens (Nylander), Temnothorax unifasciatus (Latreille) Buschinger and Winter 1983, Pheidole pallidula (Nylander), Solenopsis fugax (Latreille) Espadaler 1982, Cardiocondyla elegans Emery Giehr et al. 2015 (fehlt in dieserTabelle)
Republic of Macedonia Cataglyphis aenescens (Nylander), Tetramorium cf. punctatum Santschi Lapeva-Gjonova 2014

Austria Plagiolepis taurica Santschi (as Plagiolepis vindobonensis) Sanchez-Pena et al. 1993,

Poland* Solenopsis fugax (Latreille) new record

Asia
Turkey Solenopsis sp. Csősz et al. 2012

America
Ecuador (I. Galápagos) Pheidole williamsi Wheeler Espadaler 1997

USA(Tennessee, Alabama, Florida) Solenopsis invicta Buren, Solenopsis carolinensis Forel, Nylanderia vividula (Nylander) (as Paratrechina vividula), Pheidole tysoni Forel, Pheidole bicarinata Mayr, Strumigenys membranifera Emery (as Pyramica membranifera), Pogonomyrmex badius (Latreille) - Pereira 2004.

MfG,
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Re: Rätselhafte Ameisenkrankheit in der Region Basel

Beitragvon Merkur » Mittwoch 21. Februar 2018, 10:55

Gestern (20.02.) hat unsere Tageszeitung einen Artikel über Myrmicinosporidium veröffentlicht.
In der Druckausgabe sind ein paar Bilder aus dem AWiki enthalten, die in der online-Ausgabe nicht gezeigt werden.
Ich hatte die Redaktion auf unsere früheren Untersuchungen zu der "Näpfchenkrankheit" hingewiesen, und auf die Funde infizierter
Solenopsis fugax direkt in Darmstadt. ;)

Ob sich jetzt mal jemand meldet, der irgendwo befallene Ameisen beobachtet (hat)? Bei den vielen Haltern und Sammlern sowie den Shop-Betreibern, durch deren Hände zahllose Ameisenkolonien gehen und "auf Parasitenbefall kontrolliert" werden, sollten infizierte Tiere doch gelegentlich auftauchen.
Vor allem bei hell gefärbten Arten sind Individuen mit dunkler bis schwarzer Gaster auffällig. Aber auch etwa bei Plagiolepis spp. konnten wir befallene Individuen an einer deutlich dickeren und "noch schwärzeren" Gaster erkennen (das liegt wohl daran, dass man bei solchen Exemplaren, obwohl "physogastrisch, durch die sonst hellen Querstreifen der Intersegmentalhäute auch nur dunkle Sporen sieht). Myrmicinosporidium scheint zudem fast weltweit verbreitet zu sein, so dass auch bei ausländischen Arten mit dieser Pilzerkrankung zu rechnen ist. - Frau Dr. Braschler dürfte an weiteren Funden interessiert sein, vor allem an noch lebenden Exemplaren!

MfG,
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Re: Rätselhafte Ameisenkrankheit in der Region Basel

Beitragvon Merkur » Donnerstag 6. September 2018, 10:05

Solenopsis fugax und die "Näpfchenkrankheit"

Im Nachbarforum wird über verschieden große (kleine) schwärmende Gynen von Solenopsis fugax diskutiert:
https://www.ameisenforum.de/bestimmung- ... ml#p417673

Die beiden ersten Bilder in dem verlinkten Post zeigen ein sehr dunkles Tier, dessen Gaster stark ausgedehnt und undurchsichtig ist.
Dabei dürfte es sich um ein von Myrmicinosporidium durum parasitiertes Exemplar handeln! Alles Wesentliche dazu ist HIER zu finden

Das (oder die?) Tier(e) von Bild 3 und 4 sind normale Gynen von S. fugax. Insbesondere auf Bild 3 ist die charakteristische Mandibel-Bezahnung dieser Art zu erkennen.

Hier fragt ein User zu Recht danach, ob die Näpfchenkrankheit mal wieder irgendwo aufgetaucht sei: Es scheint so! - Der Threadersteller im AF gibt an, im Saarland zu leben.

Es lohnt also, ein Auge auf solche Tiere zu haben. Dabei ist nicht nur Solenopsis fugax als Wirtsart des Parasitzen bekannt, sondern eine ganze Reihe von Arten verschiedener Gattungen und sogar Unterfamilien!
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Re: Rätselhafte Ameisenkrankheit in der Region Basel

Beitragvon Merkur » Sonntag 9. September 2018, 09:23

Korrektur: Fundort Stuttgart, nicht Saarland

Emse hat mich freundlicherweise darauf aufmerksam gemacht: Die „verdächtige“ Solenopsis fugax wurde bei Stuttgart gefunden, nicht am „Wohnort Saarland“, den „Der_Philatelist“ angibt.
Hier steht es im Startpost: „Ich liege so 370 Meter.ü.NN auf einem der Stuttgart umgebenden Hügel...“
Hier habe ich (Merkur) beim ersten Bild den Verdacht, dass es sich um eine von Myrmicinosporidium befallene Gyne handelt. Und da entnahm ich den Angaben zu „Der_Philatelist“ den Wohnort „Saarland.
Sorry für die Verwechslung.
Hier berichtet „Der_Philatelist“, dass eine der beiden Königinnen tot sei. Leider ohne zu sagen, ob es die verdächtige „große“ ist. - Beim Zerdrücken des toten Tieres unter einer Lupe hätte man die zahllosen rundlichen Sporen sehen können, falls es sich wirklich um Myrmicinosporidium gehandelt hat. Nun ist die Chance wohl leider vertan. :roll:

MfG,
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Re: Rätselhafte Ameisenkrankheit in der Region Basel

Beitragvon Anolis » Sonntag 9. September 2018, 10:55

Hallo,
Das ist sehr interessant, denn solche dunklen und großen Gynen von Solenopsis fugax konnte ich in einem Garten in Griesheim, Südhessen seit einigen Jahren ebenfalls immer wieder mal beobachten.
Ich hielt es immer für natürliche Farbvariationen, war aber doch etwas verwundert, zumal ich diese Tiere ausschließlich im Garten fand, und nie in der weiteren Umgebung.

Da dieses Jahr sicherlich noch einige Schwarmflüge stattfinden werden, werde ich mal die Augen offen halten, für den Fall, dass mir erneut ein solches Tier begegnet.

Anbei noch zwei ältere Bilder eben solcher Gynen, welche damals leider nur mit der Handykamera gemacht wurden. Die ungewöhnlich dunkle Färbung und die gedehnte Gaster fallen dennoch auf.
0D18CA46-A375-4421-BF84-CD913641CCEF.png
C99D6AE8-3882-4216-80FB-40DB98A3BB69.png


Grüße
Anolis
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Re: Rätselhafte Ameisenkrankheit in der Region Basel

Beitragvon Serafine » Montag 10. September 2018, 19:25

Merkur hat geschrieben:Der Artikel ist ja leider etwas reißerisch und wenig informativ. Die Pilzerkrankung ist seit 90 Jahren aus D bekannt (also nicht „neu“), rätselhaft bzw. nicht aufgeklärt ist bisher der Infektionsweg. Ich habe mich ja über viele Jahre mit diesem Pilz befasst, und das größte „Rätsel“ für mich ist, dass die Erkrankung anscheinend (oder nur scheinbar?) so unregelmäßig beobachtet wird, mit wiederholt Jahrzehnte langen Pausen.

Liegt das wirklich daran, dass die doch recht zahlreichen Myrmekologen in Europa, die vielen Bearbeiter von Fallenfängen im Rahmen z.B. von Naturschutzgutachten, die Infektion übersehen oder nicht beachtet haben? Ich habe sicher über 30.000, eher 50.000 Ameisenvölker angesehen, und mir sind die befallenen Individuen stets sofort im Freiland aufgefallen. In meinen Sammlungsproben (rund 17.000) habe ich auch bei wiederholter Inspektion keine zuvor übersehenen Exemplare entdecken können. Ich nehme fest an, dass die Befallshäufigkeit über die Jahre sehr stark schwankt, dass man in vielen Jahren vergeblich danach sucht, während dann plötzlich wieder an verschiedenen Orten recht häufig infizierte Ameisen entdeckt werden. – Über die Ursachen kann man bisher nur spekulieren, doch ist Ähnliches ja bei anderen Krankheitserregern (Seuchen von Tier und Mensch) nicht unbekannt.

Wurden denn die genauen Witterungsbedingungen beim gehäuften Auftreten der Pilzinfektionen untersucht? Pilze sind ja oft recht empfindlich gegenüber Umwelteinflüssen und breiten sich unter bestimmten Bedingungen (v.a. feuchtes Wetter) oft schlagartig flächendeckend aus.
Bei vielen Tierseuchen die optional auch auf Menschen überspringen hängt das Auftreten (und die langen Pausen) ja auch oft mit dem Wetter zusammen, beispielsweise beim amerikanischen Hantavirus (four corners outbreak). Eventuell gibt es auch noch einen bisher unbekannten Zwischenwirt, der sich bei bestimmten Wetterbedingungen extrem vermehrt (Milben oder andere Kleinsttiere) und als Überträger fungiert.
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Re: Rätselhafte Ameisenkrankheit in der Region Basel

Beitragvon Merkur » Montag 10. September 2018, 19:56

Serafine hat geschrieben:
Wurden denn die genauen Witterungsbedingungen beim gehäuften Auftreten der Pilzinfektionen untersucht? Pilze sind ja oft recht empfindlich gegenüber Umwelteinflüssen und breiten sich unter bestimmten Bedingungen (v.a. feuchtes Wetter) oft schlagartig flächendeckend aus.
Bei vielen Tierseuchen die optional auch auf Menschen überspringen hängt das Auftreten (und die langen Pausen) ja auch oft mit dem Wetter zusammen, beispielsweise beim amerikanischen Hantavirus (four corners outbreak). Eventuell gibt es auch noch einen bisher unbekannten Zwischenwirt, der sich bei bestimmten Wetterbedingungen extrem vermehrt (Milben oder andere Kleinsttiere) und als Überträger fungiert.

Es waren bisher alles Zufallsfunde im Rahmen anderer Forschungsvorhaben. Systematische Aufzeichnungen von Witterungsbedingungen etc. existieren m. W. nicht. Die jetzt in Basel angelaufene Erforschung zielt ja darauf ab, den bisher völlig unbekannten Lebenszyklus dieses Pilzes aufzuklären.

Forschung geht halt schrittweise vonstatten. 1. Schritt: Ein Phänomen fällt jemandem auf (Karl Hölldobler 1927) - 2. Schritt: Beschreibung des Phänomens (Karl Hölldobler) - 3. Schritt: Das Phänomen fällt weiteren Forschern auf, die zur Kenntnis der Verbreitung beitragen und ihre Funde veröffentlichen; vgl. AWiki, sowie weitere in diesem Thread hier angegebene Literatur. - 4. Schritt: Identifizierung des Parasiten als zu den Pilzen gehörig (Sanchez-Pena et al. 1993) – nächste Schritte: Sollen nun angegangen werden.
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