Merkur hat geschrieben:[..] Ob das Fangen und Halten als Hobby sowie zum Verkauf "vernünftig" sind, das muss der Gesetzgeber wohl mal klarstellen. [..]
[..] Nun wird es interessanter. Auch Arten die nicht besonders geschützt sind genießen einen gewissen Mindestschutz. Doch was heißt das? Was darf man nun und was nicht?
Da das für mich und viele andere bisher nicht eindeutig war nahm ich Kontakt mit dem unteren Naturschutzamt auf. Nachdem ich das Problem genau geschildert hatte wurde eine Prüfung vollzogen. Und dies ist das Ergebnis:
Anzuwendende Rechtsnorm ist §39 Abs.1 Nr.1 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG):
Es ist verboten,
1. wild lebende Tiere mutwillig zu beunruhigen oder ohne vernünftigen Grund zu fangen, zu verletzen oder zu töten, ...
Ameisen, die nicht unter besonderem Naturschutz stehen (dafür gilt dann §44 BNatSchG), unterliegen dem Schutz des §39 Abs.1 Nr.1 BNatSchG.
§39 soll den Mindestschutz aller wild lebenden Tiere und Pflanzen sichern. Alle wild lebenden Tier- und Pflanzenarten genießen nach §39 einen Mindestschutz unabhängig von ihrer Häufigkeit oder Schädlichkeit für bestimmte Wirtschaftsformen.
Der Begriff 'mutwillig' bedarf keiner weiteren Erläuterung und ist auch für die von Herrn Grau gestellte Frage nicht relevant, da er für den geschilderten Sachverhalt nicht zutrifft.
Der vernünftige Grund wird wie folgt definiert:
'Ein vernünftiger Grund liegt vor, wenn die betreffende Handlung ausdrücklich erlaubt ist oder im Rahmen einer Abwägung aus Sicht eines durchschnittlich gebildeten, dem Naturschutz gegenüber aufgeschlossenen Betrachters gerechtfertigt erscheint, was insbesondere dann der Fall ist, wenn die betreffende Handlung als sozial-adäquat anzusehen ist.'
(Kommentar zum BNatSchG Frenz, Müggenborg, Erich Schmidt Verlag, zu § 39 Abs. 1, Randnummer 7).
Weiter heißt es dort: 'Ebenfalls nicht als vernünftig können Beeinträchtigungen infolge der Befriedigung persönlicher Sammelleidenschaften u. ä. angesehen werden.'
Zwischenergebnis:
Es ist nach dieser Vorschrift verboten, wild lebende Ameisen aus der Natur zu entnehmen.
Weder der §39 BNatSchG noch andere Vorschriften im BNatSchG bzw. im Nieders. Ausführungsgesetz zum BNatSchG sehen Ausnahmen von diesem Verbot vor.
Es bleibt die Möglichkeit, eine Befreiung nach §67 BNatSchG zu prüfen.
§ 67 BNatSchG regelt:
(1) Von den Geboten und Verboten dieses Gesetzes, in einer Rechtsverordnung auf Grund des §57 sowie nach dem Naturschutzrecht der Länder kann auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn
1. dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist oder
2. die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist.
Im Rahmen des Kapitels 5 gilt Satz 1 nur für die §§39, 40, 42 und 43.
Es bedarf hier keiner weiteren Ausführungen um festzustellen, dass das Sammeln von wild lebenden Ameisen zum Zwecke der Ausübung eines Hobbys keinen der beiden oben genannten Tatbestände erfüllt.
Ergebnis:
Das Sammeln von wild lebenden Ameisen zum Zwecke der Ausübung eines Hobbys ist verboten.
Es gibt keine Möglichkeit, von diesem Verbot eine Ausnahme zu erteilen.
Diese Aussage gilt bundesweit, da das Bundesnaturschutzgesetz diese Regelungen trifft.
Damit ist auch das Sammeln in kleinen Mengen, egal ob für private oder kommerzielle Zwecke, verboten.
Da es verboten ist, die Ameisen zu sammeln, ist in Folge davon auch der Verkauf nicht zulässig.
Ein Verstoß gegen das oben ausgeführte gesetzliche Verbot stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße bis zu 10.000€ geahndet werden kann (§69 Abs.3 Nr.7 und Abs.7 BNatSchG).
Die von Ihnen vermutete Möglichkeit, in kleinen Mengen für den privaten Bedarf zu sammeln, existiert laut BNatSchG nur für nicht besonders unter Naturschutz stehende Pflanzen. Für Tiere ist eine solche Möglichkeit nicht gegeben.
Reber hat geschrieben:Zum vernünftigen Grund: Wenn Hobby-Entomologen sammeln dürfen oder Lehrer/Schüler "zur Förderung der Artenkenntnis" Tiere für den Unterricht der Natur entnehmen dürfen - sollte es als Ameisenhalter da nicht reichen, z.B. einen öffentlichen Haltungsbericht zu führen, bei dem "Freizeitforscher" mit ihren detaillierten Beobachtungen einen Beitrag zu eben dieser Artenkenntnis leisten?
Werden in den Foren bald die Haltungsberichte expolodieren?
Da fürchte ich, dass das etwas Wunschdenken ist: Unter den vielen Haltungsberichten über die Jahre hinweg gab es nur eine verschwindend geringe Zahl, die annähernd wissenschaftlichen Anforderungen Genüge getan hätten. Und die in den Foren veröffentlichten Hbs repräsentieren ja wiederum nur einen verschwindend geringen Teil der tatsächlich gesammelten, gekauften und m. o. w. lang gehaltenen Königinnen oder Völker. Der größte Teil wird doch sang- und klanglos einfach „verbraucht“.„Wenn Hobby-Entomologen sammeln dürfen oder Lehrer/Schüler "zur Förderung der Artenkenntnis" Tiere für den Unterricht der Natur entnehmen dürfen - sollte es als Ameisenhalter da nicht reichen, z.B. einen öffentlichen Haltungsbericht zu führen, bei dem "Freizeitforscher" mit ihren detaillierten Beobachtungen einen Beitrag zu eben dieser Artenkenntnis leisten?“
Erne hat geschrieben:[..] Angenommen es würde zutreffen, dass in Deutschland keine Ameisen mehr gesammelt werden dürften und daraus resultierend auch kein Verkauf einheimischer Arten mehr möglich wäre. [..]
Hinweis: Derzeit laufen noch weitere Unterhaltungen mit den Unteren Naturschutzbehörden aller 16 Bundesländer, sowie mit dem Bundesamt für Naturschutz. Die Sachlage ist bis auf den 'vernünftigen Grund' klar, jedoch muss dieser noch definiert werden. Daher kann es jederzeit zu einer Änderung der Sachlage kommen. Das unten beschriebene Ergebnis ist aus einem Schreiben der Region Hannover (November 2017). [..]
LynnLectis hat geschrieben:Reber hat geschrieben:Für alle anderen Arten gilt dieser Schutz allerdings nicht und sie dürfen ohne Bewilligung in Schulen und Haushalten gepflegt werden.
Dazu habe ich noch recherchiert, weil ich das einfach nicht so gelernt habe, d. h. bei uns sind allgemein Eingriffe in die Natur verboten, im Wald sowieso, aber auch auf Wiesen, denn diese gehören (wie auch viele Wälder) Bauern, die das überhaupt nicht gern sehen. Allein schon für das Suchen von Löwenzahnblättern für meine Kaninchen musste ich den Bauern um Erlaubnis fragen, sonst erntet man böse Blicke. Und im Wald ist es grundsätzlich verboten, diesen zu befahren, zu roden oder dort einfach zu graben oder sonst zu dessen Benachteiligung zu nutzen, weil allgemein der Waldboden schon geschützt ist, auch wenn er nicht auf der Roten Liste selbst auftauchen mag. Aber es gibt auch eine Art Grundschutz der Naturlandschaft. Im Grunde genommen dürfen also nur auf dem eigenen Grund und Boden (Garten) Tiere aus dem Boden entnommen worden.
http://www.admin.ch/opc/de/classified-c ... x.html#a16
In Deutschland nennt man das Eingriffsregelung, dort läuft es ähnlich:
https://de.wikipedia.org/wiki/Eingriffs ... eutschland
Anzuwendende Rechtsnorm ist §39 Abs.1 Nr.1 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG):
Es ist verboten,
1. wild lebende Tiere mutwillig zu beunruhigen oder ohne vernünftigen Grund zu fangen, zu verletzen oder zu töten, ...
Reber hat geschrieben:Wenn Naturschutzgesetzgebungen aus "vernünftige Gründe" das Sammeln einer Lasius niger Königin im öffentlichen Raum verbieten, ich die gleiche Königin aber erschlagen darf, wenn sie auf meinen Arm landet; oder vergiften, wenn sie auf meinem Balkon eine Kolonie gründet, wenn gleichzeitig die Bauern literweise Roundup und Confidor in die Umwelt spritzen, während Baufirmen weitere wertvolle Lebensräume vernichten - dann ist das einfach nicht vernünftig! Und auch kein Naturschutz!
Reber hat geschrieben:Ich finde hier wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet! (Oder besser hier würde das Kind mit dem Bade ausgeschüttet..., weil hier Laien kontrovers um Auslegung von Gesetzen diskutieren und keine Juristen oder Behörden - die Rechtslage also weiterhin unklar ist).
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