Im Winter aktiv: Prenolepis nitens

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Im Winter aktiv: Prenolepis nitens

Beitragvon Merkur » Montag 30. November 2015, 17:26

Das gibt es auch im südöstlichen Mitteleuropa: Eine Ameisenart, die keine Winterruhe durchmacht und die bei Temperaturen von wenig über dem Gefrierpunkt den ganzen Winter über aktiv ist und furagiert: Die Honigameise, Honigtopfameise oder Falsche Honigtopfameise Prenolepis nitens.

Eine neue Arbeit über diese Art ist in der Zeitschrift Insectes Sociaux im Druck: http://link.springer.com/article/10.100 ... 015-0437-z
G. Lőrinczi 2015: Winter activity of the European false honeypot ant, Prenolepis nitens (Mayr, 1853) (Winterliche Aktivität der Europäischen “Falschen Honigtopfameise” Prenolepis nitens).

Abstract

Cryophily, or negative thermotropism, is a poorly documented phenomenon in ants. Only a few species have been reported to be active at such extremely low temperatures that would incapacitate other ant species. In this study, the winter activity of the European false honeypot ant, Prenolepis nitens, was investigated in an oak forest in mid-western Hungary. The results suggest that P. nitens similar to its North American sister species, Prenolepis imparis, has no definite winter hibernation period and, unlike most temperate ant species, it remains active above-ground all winter and early spring, foraging whenever temperature allows movement, even when temperatures are near freezing.

Die Art ist eine Verwandte der nordamerikanischen “Winterameise” Prenolepis imparis.
Bilder von P.nitens aus Österreich gibt es hier von Boro: viewtopic.php?f=48&t=170

Weitere Literatur:
Bregant E (1998) Zur Biologie und Verbreitung der Honigameise Prenolepis nitens (Mayr, 1852) in Österreich (Hymenoptera: Formicidae). Myrmecol Nachr 2:14–18
Seifert B.(2007) S. 261-262
Steiner FM, Schlick-Steiner BC (2001) Die Honigameise Prenolepis nitens (Mayr, 1852) (Hymenoptera: Formicidae) neu für Kärnten und erstmals im Gebirge. Carinthia II 191(111):459–460
Tschinkel WR (1987) Seasonal life history and nest architecture of a winter-active ant, Prenolepis imparis. Insect Soc 34:143–164

MfG,
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Re: Im Winter aktiv: Prenolepis nitens

Beitragvon LynnLectis » Montag 30. November 2015, 21:22

Hier wäre auch noch ein Link zu Eugen Bregant in Deutsch: KLICK
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LynnLectis
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Re: Im Winter aktiv: Prenolepis nitens

Beitragvon Boro » Samstag 2. Januar 2016, 14:19

Wie schon an anderer Stelle festgestellt, hat mich die Arbeit über die winterlichen Aktivitäten v. Prenolepis nitens interessiert (viewtopic.php?f=16&t=1212&p=9842&hilit=Prenolepis#p9842).
Im Nachhinein stelle ich mir die Frage, wovon ernährt sich die Art im Winter? Ich meine jetzt nicht den Spätherbst oder die Witterungsverhältnisse, wie sie im Dezember 2015 ausnahmsweise in weiten Teilen Mitteleuropas geherrscht haben. Es gibt zwischendurch auch Fröste und Eistage, dann wieder mildere Witterunsphasen. Der Art wird sicher zu Recht vor allem Trophobiose mit Läusen, Nektarivorie und die Nutzung von reifem Obst als Nahrungsgrundlage zugewiesen. "Aktive" Läuse, also solche, die auch im Winter Honigtau ausscheiden, konnte ich noch nicht beobachten. Nektarreiche Blüten nach Frost und Schnee? Extraflorale Nektarien im Winter? Liegen gebliebenes Fallobst in ländlichen Gegenden wäre vielleicht eine Möglichkeit.....
Vermutlich beschränkt sich die winterliche Aktivität der Arbeiterinnen auf milde Zonen (Pannonikum, Norditalien usw.) mit geringer Andauer der Schneedecke oder ist auf vorübergehende winterliche Wärmephasen beschränkt. Trotzdem scheint die Frage nach der tatsächlichen Nutzung von Nahrungsressourcen im Winter ungelöst. Bewegung verbraucht Energie, diese muss irgendwie (zumindest) ersetzt werden.
Eine detaillierte Untersuchung dieser Art erscheint dringend notwendig: Gibt es die angelblich sozialparasitische Gründung bei Lasius emarginatus (Bregant, E.)? Wie konnte eine Art mit Affinität zu Weinbaulagen unter 500 m Seehöhe in 2000 m Höhe in Kärnten ein Nest gründen (siehe Link oben)? Wie erklärt sich bei einer zumindest moderat thermophilen Art der Gegensatz zur ungewöhnlichen Frostresistenz?
Bei SEIFERT (261) kann man lesen: "In Weinbaugebieten verstärkt auftretend. Empfindlich gegen Winterkälte, aber während der Aktivitätsperiode von März bis Oktober nicht ausgesprochen thermophil". (fett gedruckte Teile v. Verf.).
In der südlichen Steiermark konnten der Sohn u. ich die Art wiederholt in halbschattigen und schattigen Lagen, auch in kronendichten Mischwäldern antreffen, ebenso in Friaul. Auch die Nester selbst liegen oft im Schatten, sonnenexponierte Neststandorte wurden bisher nicht gefunden.
L.G.
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Re: Im Winter aktiv: Prenolepis nitens

Beitragvon Radiergummi » Samstag 2. Januar 2016, 14:59

In der nähe des Bahnhofs von Bratislava befinden sich mehrere Nester von P. nitens; diese Nester liegen teilweise in Nähe von Rosskastanien nicht in Weinbergregion. Am 25. und 26. Dez. 2015 konnte ich einzelne Arbeiterinnen bei ca. 4°C an der Oberfläche beobachten. Leider fehlte mir die Zeit für nähere Beobachtungen.
Man könne die Arbeiterinnen ja mal im Winter füttern um festzustellen ob und bei welcher Temp. sie überhaupt Nahrung aufnehmen bzw. ob sie überhaupt fouragieren.
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Re: Im Winter aktiv: Prenolepis nitens

Beitragvon Merkur » Samstag 2. Januar 2016, 16:46

Es wäre in der Tat gut, wenn das mal untersucht würde!
Ein Denkmodell: Kohlenhydrate liefern die "Honigtöpfe". Damit wird das Furagieren nach Proteinlieferanten ermöglicht: Auch im Winter (bei wenig über Null°) gibt es Collembolen, Spinnen, diverse Insektenlarven und Leichen ("Wintermücken", die man doch recht oft schwärmen sieht), usw..
Anschlussfrage: Was macht man mit der Beute? Wird damit Brut aufgezogen? - Ich weiß zu wenig darüber!

MfG,
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Re: Im Winter aktiv: Prenolepis nitens

Beitragvon Hoffer » Montag 13. März 2017, 10:13

Hallo Zusammen!
Ein guter Freund von mir hat im letzten Jahr eine Kolonie von Prenolepis nitens entdeckt und seither beobachtet er sie... Erstaunlich ist die Winteraktivität dieser Ameisen. Bis auf einen kurzen Zeitraum, wo es wirklich sehr kalt war (-10 °C), gab es den ganzen Winter hindurch Aktivität, zwar nur in Zeitlupe, aber immerhin. Ihr bevorzugtes Ziel war Efeu!

Habitat: Weinbaugebiet im Südburgenland - Eisenberg

LG Andreas.
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Re: Im Winter aktiv: Prenolepis nitens

Beitragvon Merkur » Montag 13. März 2017, 10:49

Ein wichtiger Hinweis:

Die Informationen stehen im Ameisenwiki (unter Prenolepis imparis), sowie zum größten Teil auch im Seifert (2007, S. 261-262):
"… Als Nahrung werden angegeben: süße Früchte, Blütennektar, Honigtau, Elaiosomen.
Einige Arbeiterinnen entwickeln sich zu Honigtöpfen, wobei diese nicht vergleichbar mit den Repleten von Myrmecocystus sind. Für ihre angeschwollenen Gaster sind Fetteinlagerungen im Gewebe verantwortlich, nicht ein mit Honigtau angefüllter Kropf wie bei Myrmecocystus. Hingegen sind "Honigtöpfe" von Prenolepis nitens solche, die noch in beschränktem Maß an der Brutpflege teilnehmen können und vorrangig zu Ernährung der Alaten im Spätherbst und zeitigen Frühjahr dienen sollen."

Dies widerspricht meinem Eintrag vom 2 . Jan. 2016 hier, wo ich von einer Honigtau-Füllung des Kropfes ausgegangen war. :redface:
Dabei hatte ich die Eintragungen im AWiki zur Fettspeicherung vor Jahren selbst vorgenommen. :roll: - Hatte das inzwischen wieder verschwitzt!

Lektion, nicht nur für mich selbst: Öfter mal wieder die leicht zugänglichen Info-Quellen anklicken! :)

MfG,
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Re: Im Winter aktiv: Prenolepis nitens

Beitragvon Boro » Montag 13. März 2017, 15:06

Prenolepis nitens könnte auch mit Wurzelläusen in Trophobiose leben und daher den Energieverlust der winterlichen Aktivität ausgleichen. Einige der verwandtschaftlich nicht weit entfernten Spezies der Gattung Lasius gelten hier als Spezialisten. Ob Arbeiterinnen bei tiefen Temperaturen zur Jagd auf kleine Arthropoden in der Lage sind, darf bezweifelt werden. Die Nutzung von Aas wäre sicher möglich. Mit größerer Wahrscheinlichkeit nützen sie liegengebliebenes Fallobst oder übrig gebliebene Beeren auf Weinstöcken, Brombeersträuchern etc. Diese Beeren frieren zwar ab und werden unansehnlich, können aber immer noch nutzbar sein. Auf allen möglichen Beeren kann man die Arbeiterinnen nicht nur in der wärmeren Jahreszeit immer wieder beobachten.
Abgesehen von ihrer Frosttoleranz muss die winterliche Aktivität einen Grund haben. Man könnte vermuten, dass es um die Ernährung der Geschlechtstiere geht, die aber lt. SEIFERT bereits als Alate überwintern (und nicht erst ab dem Spätwinter aufgezogen werden). Durch wieviele Beobachtungen die Überwinterung belegt ist, ist mir nicht bekannt. Der Schwarmtermin ist jedenfalls sehr früh, in der südlichen Steiermark wurden bereits (vor 1, 2 Jahren) Ende März dealate Gynen an Waldrändern beobachtet; sonst Schwarmzeit vor allem im April - übrigens auch in Friaul (IT). Abgesehen davon muss es auch längere Unterbrechungen der Aktivität während des Winters geben: Der diesjährige Jänner war auch im natürlichen Verbreitungsgebiet (in diesem Fall Binnen-Slowenien, Binnen-Kroatien) sehr kalt und zweitweise schneereich. Solche erzwungenen Ruhephasen während des Winters scheinen der Vitalität v. Prenolepis jedenfalls nicht zu schaden.
L.G.
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