Bei mir lebt inzwischen seit November 2021 bis heute (Dezember 2024) eine Kolonie von Harpegnatos venator. Für mich Grund genug, hier zusammengefasst die wichtigsten Erfahrungen zu teilen, die ich bei der Haltung dieser schönen Art gemacht habe.
Harpegnathos venator erfreuen sich einer ungebrochen grossen Beliebtheit, dafür gibt es viele Gründe: Die Ameisen sind sehr gross (14-16 mm) und haben mit ihren langen Mandibeln und grossen Augen ein spezielles Aussehen.
Dazu kommt das attraktive Verhalten dieser Ameisenart. Sie verfügt über ein äusserst gutes Sehvermögen und sie hat ein spektakuläres Jagdverhalten, indem sie sich mit der Gaster wackelnd regelrecht an ihre Beute anschleichen und sogar einige Zentimeter weit springen kann. Die Kolonien bleiben klein und brauchen keine Winterruhe.
Nicht verschweigen möchte ich, dass es mit der Art in der Haltung auch häufig Probleme gibt, so dass viele Haltungsberichte leider nach kurzer Zeit enden. Dazu gehört etwa der häufige Milbenbefall und dass die Gynen leider nicht besonders alt werden (schätzungsweise zwischen 3 und 5 Jahren). Oft werden wohl ganze Kolonie (und nicht bloss geschwärmte Gynen) der Natur entnommen, was auch heisst, dass das Alter der Gyne unbekannt ist. Möglicherweise werden grössere Kolonien im Handel auch aufgeteilt, so dass unklar (und für Einsteiger schwer erkennbar) ist, ob sich eine Gyne in der Kolonie befindet. Theoretisch könnten eine Gamergate den Platz einer verstorbenen Königin einnehmen. Die Art reagiert empfindlich auf Störungen und kann daraufhin die Brut fressen, was beim Transport oft passiert.
Nest
Ich halte meine Harpegnathos venator in einem Gipsnest, welches dauerhaft feucht gehalten wird, so dass mit der Zeit darin Algen gewachsen sind. Der Boden der Kammern habe ich mit einer ca. 5mm hohen Sand-Lehm Mischung befüllt. Da ist sehr wichtig, weil die Larven vor dem Verpuppen von den Arbeiterinnen immer gänzlich mit Erde zugedeckt werden.
Das Gipsnest verfügt über nur zwei grosse, runde Kammern mit 9 cm Durchmesser, die etwas an die Nestform in der Natur erinnern sollen. Diese bestehen oft aus zwei oder drei direkt übereinander liegenden Kammern, deren Böden flach und glatt sind. Die Kammern sind in der Natur um die 2 cm hoch und haben einen Durchmesser von 10 cm bis 13 cm. Oft ist die unterste Kammer in Nest leer und man vermutet, dass sie möglicherweise zur Ableitung von Flutwasser dient: https://www.antwiki.org/wiki/Harpegnathos_venator
Mein Nest ist über eine ca. 20 cm lange Schlauchverbindung mit der Arena verbunden. Ich konnte mehrmals beobachten, dass die Ameisen diese Verbindung komplett zugebaut haben. Wenn dann über längere Zeit keine Nahrung mehr eingetragen wurde und viele hungrige Larven ihre Hälse streckten, musste ich den Schlauch jeweils von Hand säubern und teilweise Verbauungen von über 3 cm bestehend aus Lehm und kleinen Steinchen aus dem Schlauch entfernen. Danach begannen sofort wieder Arbeiterinnen die Arena aufzusuchen und zu jagen. Ob sie den Ausgang aus eigenem Antrieb wieder geöffnet hätten wage ich zu bezweifeln. Ich weiss es letztlich nicht, weil ich es nie darauf ankommen liess.
Becken
Entgegen der viel wiederholten Behauptung, dass die Tiere nicht oder nur schlecht an Glas hochklettern können, können sie das sehr wohl! Mein Formikarium verfügt deshalb über einen ausbruchsicheren Deckel.
Der Bodengrund besteht aus Kies, um zu verhindern, dass die Tiere in die Arena ziehen. Die Oberfläche des Kieses ist trocken und mit einigen Blättern und Streu bedeckt, aber im Kies steht Wasser. Dieses versorgt die Pflanzen - eine robuste Efeutute und einige Moose - mit Wasser und sorgt für eine hohe Luftfeuchtigkeit im Becken von 70 – 85 %. Dazu kommt eine Wurzel die Kletter- und Versteckmöglichkeiten bietet. Sowohl im Nest wie auch in der Arena befinden sich Springschwänze, die Futterreste beseitigen und von den Ameisen geduldet bzw. ignoriert werden. Es fouragierenden immer nur sehr wenige Arbeiterinnen im Becken und steht einzeln für sich. Aber sie sind sehr flink. Wenige Minuten nach der Zugabe von Futtertieren, werden diese schon ins Nest eingetragen. Im Nest fressen sowohl die Larven mit ihren langen, beweglichen Hälsen an den Futtertieren als auch die adulten Tiere. Verstorbene Arbeiterinnen werden von ihren Nestgenossinnen lange in der Arena umhergetragen. Oft werde ich so darauf aufmerksam und kann sie ihrer letzten Begleiterin abnehmen.
Temperatur
Die Temperaturen für die Haltung liegen bei ca. 19°C in der Nacht und Tagsüber je nach Jahreszeit im Nest und im Becken zwischen 22-25°C
Futter
Harpegnathos venator benötigt keine sehr abwechslungsreiche Ernährung. Sie fressen am liebsten und praktisch ausschliesslich Insekten. Für Zuckerwasser und Honig zeigten sie bei mir nie das geringste Interesse. Obwohl die Tiere auch mühelos grosse Insekten Töten können, empfehle ich kleine Beutetiere wie flugunfähige Fruchtfliegen (werden einfach mit den Mandibeln getötet), flugunfähige Stubenfliegen (Terflys) oder kleine bis max. mittlere Steppengrillen und Heimchen lebend zu füttern. Diese werden von einer Arbeiterin gepackt und mit einem Stich getötet. Zu grosse Insekten, z.B. ausgewachsen Heimchen können ebenfalls von den einzeln jagenden Tieren überwältigt werden. Sie sind aber sehr wehrhaft, und können die Jägerin verletzen. Mit Larven der Wachsmotte kommen meine Arbeiterinnen auch nicht wirklich zu recht. Tote Insekten nehmen die Ameisen nicht so gut an wie lebende.
Milben
In den meisten Haltungsberichten von Harpegnathos venator tauchen früher oder später Milbenprobleme auf. Es ist deshalb wichtig, die Kolonie auf Milbenbefall zu überprüfen – mit der Lupe oder dem Mikroskop, da sie mit blossem Auge nicht erkennbar sind. Meine Kolonie wurde bereits mit kleinen Milben befallen geliefert. Die winzigen Plagegeister sassen vorwiegend an den Mandibeln und auf den Tarsen meiner Ameisen.
Ich hatte die Raubmilbenart Cheyletus eruditus in der Arena ausgebracht und im Nest ausgebracht. Nach spätestens einem Jahr waren sowohl die parasitären Milben als auch die Raubmilben komplett verschwunden. Ich sah zwar nie, wie eine Raubmilbe auf eine Ameise kletterte. Möglich wäre aber, dass sie die Brut der parasitären Milben gefressen haben.
Koloniegrösse
Die Völker von Harpegnathos venator erreichen nur eine moderate Grösse, typischerweise werden hier 200 bis maximal 400 Tiere angegeben. Bei mir wuchs das Volk nie über 50 Arbeiterinnen heraus, brachte aber mehrmals Geschlechtstiere hervor, dabei traten die verschiedenen Geschlechtstiere bisher nie gleichzeitig auf, meine Kolonie brachte entweder ausschliesslich Männchen oder Gynen hervor.